Wichtige Details bei der Konstruktion
Turbo Genset, heute einer der bedeutenden Akteure auf dem rasch wachsenden Markt der schnell laufenden Turbogeneratoren, hat seinen Ursprung in der akademischen Welt
Justin Hall studierte 1990 am Imperial College in London Maschinenbau im sechsten Semester als er ein Angebot erhielt, das er einfach nicht ablehnen konnte. Man bat ihn, bei der Vermarktung der Entwicklungen des College auf dem Gebiet der schnell laufenden Arbeitsmaschinen und der modernen Leistungselektronik behilflich zu sein.
Zusammen mit einigen seiner Dozenten, darunter Professor Colin Besant, bildete Hall eine Gruppe, die ein Unternehmen namens ‚Turbo Genset‘ gründete. Hall gehörte zu den ersten Angestellten des Unternehmens und ist heute Betriebsleiter. Trotz seines rein akademischen Ursprungs ist Turbo Genset inzwischen einer der weltweit führenden Produktentwickler in der zukunftsträchtigen Sparte der dezentralen Energieerzeugung. Bei Turbo Genset werden kompakte Turbogeneratoren im Leistungsbereich von 200 kW bis 2 MW sowie Kolbenmotoren von 80 kW bis 200 kW gebaut und weiter entwickelt.
Im Juli 2000 wurde die Aktie des Unternehmens an der Londoner Börse eingeführt. Die Aktie ist auch an der Börse in Toronto gelistet. Vor kurzem hat Turbo Genset Vertriebspartnerschaften in Nordamerika, Indien, im Nahen Osten und in Australien gegründet. Der Hauptsitz des expandierenden Unternehmens befindet sich in unmittelbarer Nähe des Flughafens Heathrow im Westen Londons. Die hier entwickelten und gefertigten Produkte basieren entweder auf Gasturbinen oder auf Kolbenmotoren. Die Systeme sind für unterschiedliche Anwendungsbereiche vorgesehen und arbeiten mit modernen Energieerzeugungsverfahren und Konzepten der Leistungselektronik.
Die auf Gasturbinen basierenden Systeme umfassen 400-kW- und 1,2-MW-Generatoren, die nach einem von Turbo Genset entwickelten und patentierten Prinzip des permanentmagnetischen Axialstroms (Permanent Magnet Axial Flux) arbeiten. Der 400-kW-Generator wurde 2003 eingeführt. Ein 1,2-MW-Generator, der 2005 vorgestellt werden soll, wird industriellen Gasturbinenantrieb haben und einer der weltweit größten im Handel erhältlichen Hochleistungsgeneratoren sein.
Angesichts der geringen Entfernung zum Flughafen sind die Büros von Turbo Genset extrem ruhig. Die Raumgestaltung spiegelt die für den Maschinenbau charakteristische Präzision und Schlichtheit wider.
So mag es Justin Hall. „Ich habe wirklich eine Leidenschaft für symmetrische Formen“, sagt er und nimmt einen Ventilator aus Edelstahl in die Hand. „Schauen Sie sich dieses Gerät an. Es ist wie ein Kunstwerk. Seine Symmetrie und Ausgewogenheit scheinen von der Natur inspiriert.“ Er hat Recht. Mit seinen kreisrund angeordneten Propellerblättern, die für eine wirksamere Kompression der Luft leicht nach hinten gekrümmt sind, sieht er aus wie eine Blüte. „Wir haben ihn konstruiert“, meint Hall stolz. „Wir simulierten seine Konstruktion in einem virtuellen Umfeld. Der Teufel steckt schließlich im Detail. Wenn man irgendetwas übersieht, muss man hinterher dafür bezahlen.“
Wichtige Details bei der Konstruktion von schnell laufenden Generatoren sind die hohe Materialbeanspruchung, die Handhabung des Wärmeverlusts, die Kühlung von Bauteilen, die Rotordynamik und die Vermeidung von Vibrationsproblemen. Hier spielen die Lager eine wichtige Rolle. „Wenn die Eigenfrequenz der Welle unterhalb der Laufgeschwindigkeit liegt, braucht man ein Lagersystem, das diesem Umstand Rechnung trägt. Das bereitete uns einige Schwierigkeiten, als wir mit der Konstruktion unseres Flaggschiffes, des 1,2-MW-Generators, begannen“, erinnert sich Hall. „Bei unseren Generatoren geht es vor allem um hohe Drehgeschwindigkeiten. Sie sind extrem hoch, vor allem bei dem 1,2-MW-Generator. Wir stellten uns die Frage ‚Wie können wir von ölgeschmierten Wälzlagern wegkommen, deren Lebensdauer in solchen Anwendungsbereichen bei höchstens drei bis vier Jahren liegt?’“
Die Antwort konnte nur durch gewissenhafte Untersuchungen gefunden werden. Nachdem Turbo Genset zwei berührungslose Lagersysteme, ein Luft- und ein Magnetlager, getestet hatte, fiel die Wahl auf letzteres. „Wir wussten, dass wir durch die Verwendung von Magnetlagern den Wartungsaufwand und den Energieverbrauch reduzieren und somit die herkömmlichen Lösungen in punkto Lebenszykluskosten aus dem Rennen schlagen würden“, so Hall. „Das Magnetlager ist eine intelligente Lösung. Es wird über Mikroprozessor gesteuert und kann den Zustand von arbeitenden Maschinen überwachen. Man baut es einfach ein und kann es dann für immer vergessen. Eine Wartung ist nicht erforderlich.“
Turbo Genset wandte sich 2003 an SKF Magnetic Bearings mit der Bitte, drei aktive Magnetlagersysteme für den neuen 1,2-MW-Generator zu liefern. „Wir arbeiteten bei der Konstruktion des speziell auf unseren Generator zugeschnittenen Lagersystems mit SKF zusammen und stimmten es auf die rotordynamische Leistung ab“, erklärt Hall. „SKF brachte ihr umfassendes Wissen über Rotordynamik und schnell laufende Arbeitsmaschinen mit. Ich bin sehr zufrieden. Wir haben eine viel versprechende Zusammenarbeit und große Synergien mit SKF. Das SKF Revolve-Team leistete eine phantastische Arbeit bei der Zusammenstellung einer Lösung für Turbo Genset.“
In der Werkstatt hinter den Büroräumen ist ein 1,2-MW-Generator in einer der fünf „Prüfzellen“ zu sehen. Ihn zusammenzubauen dauerte nur zwei bis drei Tage, aber seine Entwicklung und Konstruktion nahmen mehr als ein Jahr in Anspruch. Druck und Temperatur werden hier gemessen. Die Lagerüberwachung hingegen, die aussieht wie ein CD-Player, befindet sich zusammen mit weiteren Rechnern in einem wenige Meter entfernten Raum.
Einen kurzen Fußweg durch hohe, breite, schmucklose Korridore entfernt befindet sich die Statormontage, die sich durch den Geruch des feuchten Klebers bereits frühzeitig ankündigt. Auf einer Granitwerkbank liegen glänzende Kupferspulen und warten darauf, in die Statoren eingebaut zu werden. Hier wird der Strom für jede Maschine erzeugt. In der letzten Produktionsstufe, der Generatormontage, steht ein 400-kW-Generatorkern zum Einbau in das Gehäuse bereit. Auf der Werkbank liegt eine Lagereinheit in einem Kunststoffkasten. Die Zeichnung an der Pinnwand zeigt das Funktionsprinzip eines 400-kW-Generators. Sie verleiht dem Raum einen akademischen Anstrich, als ob das Flussdiagramm für Studenten gedacht wäre. Aber ebenso wie Hall, der als Student jahrelang nach Verfahren zur Messung von Reibungsverlusten an rotierenden Scheiben forschte, ist auch Turbo Genset der Welt des Hochschullabors entrückt.