Reges Leben am Toten Meer
Das Tote Meer ist eine reichhaltige Quelle für Mineralien, darunter auch Pottasche. Dead Sea Works hat eine Methode zur Gewinnung dieser Mineralien entwickelt und exportiert sie nun weltweit im großen Stil
Bei dem Namen ‚Totes Meer‘ denkt man nicht direkt an blühende Wirtschaft. In biblischen Zeiten war diese Wüstenregion zwischen Israel und Jordanien, im Hebräischen Salzsee genannt, weitgehend isoliert. Die schwierigen klimatischen Verhältnisse mit Sommertemperaturen von bis zu 45 Grad Celsius im Schatten haben das Gebiet mehr oder weniger unbewohnbar gemacht. In jüngster Zeit hat sich das Tote Meer, der tiefste Punkt der Erde, allerdings in eine Art Goldgrube verwandelt. Sein mineralreiches Wasser ist nämlich die Grundlage für eine Chemikalienproduktion im Wert von mehreren Milliarden Euro.
An der Südwestküste des Toten Meeres, nur zehn Kilometer von der antiken Festung Masada entfernt, liegt einer der größten Industriekomplexe Israels. Er befindet sich im Besitz von Israel Chemicals (ICL); eines der führenden internationalen Chemieunternehmen. Täglich werden über 3.000 Industriearbeiter mit Bussen zu diesem gigantischen Komplex gebracht. Manche kommen aus bis zu 100 Kilometer entfernten Orten. Hier werden aus dem extrem salzhaltigen Wasser des Toten Meeres Pottasche und Magnesiumchlorid gewonnen. Die Reichtümer dieses Gewässers haben Israel und die ICL-Tochter, Dead Sea Works (DSW), zum viertgrößten Produzenten des wichtigen Düngemittels Pottasche gemacht.
Einzigartige Methode
Pottasche wird in den meisten Ländern der Welt produziert, aber DSW hat eine einzigartige Methode entwickelt, die es ermöglicht, dieses Mineral aus Meerwasser zu gewinnen. Das Verfahren basiert auf Verdunstungsbecken und macht sich dabei die hohen Temperaturen der Region und die geringe Luftfeuchtigkeit zu Nutze. Die Temperatur liegt im Jahresdurchschnitt bei 35° Celsius und die Niederschlagsmenge bei 50 Millimeter pro Jahr. Selbst im Winter sinken die Tagestemperaturen selten unter 20° Celsius. „Das Klima am Toten Meer macht es möglich, die Sonne und die damit verbundene starke Verdunstung für die Produktion von Pottasche auszunutzen”, erklärt Oded Harel, Betriebsleiter und Leiter der Verfahrenstechnik bei DSW.
Verdunstungsbecken
Die Oberfläche des Firmengeländes ist von zwei Meter tiefen und etwa sechs Quadratkilometer großen Verdunstungsbecken zerklüftet. Die Becken sind in zwei Kategorien eingeteilt: Salzbecken und Karnallitbecken. Karnallit ist die Basis für die Produktion der Pottasche.
In den Salzbecken befindet sich die Sole, die für den industriellen Produktionsprozess nicht benötigt wird. Das Karnallit wird mit Hilfe eines floßähnlichen „Harvesters”, einer Entwicklung von DSW, dem Karnallitbecken entnommen. Das mit zwei Mann besetzte Gefährt ist über ein Kabelnetz mit der Küste verbunden, so dass es von Becken zu Becken gesteuert werden kann.
Der Prozess funktioniert so, dass karnallitreicher Schlamm über ein Einlassventil aufgesaugt und in Rohrleitungen gepumpt wird, die entlang der Wasseroberfläche bis zur Küste verlaufen. Zwei Anlagen auf der Basis von kalten und heißen Auslaug- /Kristallisierungsverfahren zerlegen das Karnallit und verwandeln es in Pottasche. Die Produktion ist rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr im Gange. Der gesamte Zyklus von der Karnallitgewinnung bis zur eigentlichen Produktion dauert nur fünf Stunden.
Weitläufige Anlage
Die fertige Pottasche wird zu gigantischen Haufen aufgeschüttet, die schon am Eingang des weitläufigen Komplexes zu sehen sind. „Die klimatischen Verhältnisse ermöglichen eine Lagerung des Materials im Freien und einen Versand zu den besten Marktkonditionen”, erklärt der Vertriebsleiter von DSW, Eli Amon, und fügt hinzu, dass sich an der Höhe der Pottaschehaufen die Marktsituation ablesen lässt. Zurzeit sind sie sehr klein. Angesichts einer angespannten Marktlage wird die Pottasche innerhalb weniger Tage nach Fertigstellung per Schiff versandt. Als Verschiffungshafen dient entweder die südisraelische Hafenstadt Eilat am Roten Meer oder Ashdod am Mittelmeer.
„Über 90 Prozent unserer Produktion aus dem Toten Meer werden in rund 60 Länder der Welt exportiert”, berichtet Amon. Die größten Märkte des Unternehmens sind Brasilien, China, Indien und Westeuropa. Die Nachfrage nach Pottasche steigt jährlich um zwei bis drei Prozent, in Brasilien und China dagegen sind doppelt so hohe Steigerungsraten zu verzeichnen.
Hohe Nachfrage
Die Jahresproduktion von Pottasche liegt weltweit bei etwa 45 Millionen Tonnen. Israel rangiert nach Kanada, Russland und Deutschland an vierter Stelle. Das DSW-Werk produziert derzeit jährlich 3,3 Millionen Tonnen Pottasche und arbeitet wegen der hohen Nachfrage auf dem Weltmarkt bei voller Kapazität. Trotz kontinuierlicher Expansion in den letzten Jahren reicht die Kapazität nicht aus. Zurzeit wird an einer Steigerung der Produktion auf 3,6 Millionen Tonnen gearbeitet. Neben dem Werk am Toten Meer betreibt ICL auch Produktionsstätten in Spanien und Großbritannien, die jährlich zwei Millionen Tonnen Pottasche herstellen, jedoch auf der Basis von traditionellen Abbauverfahren.
Das Tote Meer hat einen Vorteil. Im Gegensatz zu Bergwerken sind die Mineralvorkommen im Toten Meer nahezu unbegrenzt. „Die Mineralien im Wasser des Toten Meeres reichen für die nächsten tausend Jahre”, sagt Betriebsleiter Harel von DSW voraus. Bei derartigen Reserven wird das Tote Meer noch auf Jahrhunderte hinaus dazu beitragen können, dass die wachsende Weltbevölkerung satt wird.
Familientradition
Natan Besser beginnt seinen Tag bei Anbruch der Morgendämmerung. Wenn er bei seinem eine Autostunde entfernten Arbeitsplatz ankommt, ist die Außentemperatur bereits kräftig gestiegen. Nach dem Umziehen begibt sich Besser zusammen mit 14 Kollegen zu den Allrad-Fahrzeugen, die sie hinaus zu den Becken bringen. Jeweils in Zweierteams bedienen sie die fünf floßähnlichen Harvester, die das Karnallit, die Grundlage für die Pottascheproduktion, aus dem Wasser aufnehmen. Die restlichen vier Kollegen unterstützen sie bei dieser Arbeit.
Wie Besser sagt, sind die Arbeitsplatzverhältnisse trotz der harten Bedingungen im Laufe der Jahre angenehmer geworden. „Heute ist alles – einschließlich der Harvester – klimatisiert”, meint er. Aber es wird viel verlangt. Bei einem Produktionsbetrieb rund um die Uhr arbeiten die Leute zwölf Tage hintereinander und haben anschließend vier Tage frei.
Die „Firma”, wie Besser DSW nennt, ist zu einer Art ‘Familientradition’ für ihn geworden. Sein Vater war dort 28 Jahre lang beschäftigt, und vor sieben Jahren trat sein Sohn in seine Fußstapfen. Besser hält DSW für einen sehr guten Arbeitgeber, weil sich das Unternehmen um seine Mitarbeiter kümmert. „Wenn das nicht der Fall wäre, käme es nicht so oft vor, dass Leute in der zweiten und dritten Generation hier arbeiten”, sagt er.