Schwingend verdichtet

Der nördlichste Flughafen der Welt und die höchste Brücke der Welt waren in jeder Hinsicht anspruchsvolle Bauprojekte. Die DV-Tandem-walzen von Hamm und ein „Steer-by-Wire“-System von SKF waren den schwierigen Aufgaben gewachsen

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Der nördlichste Flughafen der Welt und die höchste Brücke der Welt waren in jeder Hinsicht anspruchsvolle Bauprojekte. Die DV-Tandem-walzen von Hamm und ein „Steer-by-Wire“-System von SKF waren den schwierigen Aufgaben gewachsen

„Geh’ nie von zuhauseohne Waffe weg. Sonst fressen dich die Eisbären!“ So warnt man Neuankömmlinge in Longyearbyen, der Hauptstadt der Inselgruppe Svalbard (mit 2.500 Einwohnern) zwischen der Nordspitze Norwegens und dem Nordpol. Der nördlichste Flughafen der Welt liegt in unmittelbarer Nähe der Stadt. Passend zum neuen 2006 fertiggestellten Terminal ließ der Flughafenbetreiber Avinor AS eine komplette Sanierung der 2.480 Meter langen Start- und Landebahn durchführen und verlängerte sie um 160 Meter.

Die strenge arktische Kälte war ein Problem. Die Arbeiten konnten nur während des kurzen Sommers durchgeführt werden, da der Boden hier zehn Monate pro Jahr gefroren ist. Erschwerend kam hinzu, dass die Start- und Landebahn täglich vier Stunden lang für den Flugbetrieb zur Verfügung stehen sollte und somit jedes Mal geräumt werden musste. Zudem war man gezwungen, Maschinen, Kraftstoff und Personal vom norwegischen Festland herbeizuschaffen.

Avinor ließ den polymermodifizierten Asphalt auf der Start- und Landebahn mit vier Hamm-Tandemwalzen vom Typ DV 90 OV verdichten. Hans-Peter Ackermann, Leiter der Produktentwicklung bei der Hamm AG, erklärt, warum.

„Unter diesen Umständen kam es auf Geschwindigkeit und Qualität an“, sagt er. „Asphalt wird bei 160° Celsius verlegt und kann bis zu einer Temperatur von ca. 100° Celsius noch verdichtet werden. In arktischen Gebieten, wo selbst im Sommer niedrige Temperaturen herrschen und stets ein starker Wind weht, ist das Zeitfenster für solche Arbeiten sehr eng. Je schneller die Verdichtungswalzen vorankommen, desto besser. Die 2004 lancierten DV 90 Walzen mit ihrem Oszillationssystem sind in punkto Verdichtungsgeschwindigkeit kaum zu überbieten.“

Dynamische Verdichtung erhöht den Wirkungsgrad der Walze. Herkömmliche Systeme arbeiten mit Vibration. Bei einer Vibrationswalze wirken kräftige vertikale Stöße auf die Asphaltdecke ein, bringen das Material zum Schwingen und sorgen so für eine effektive Verdichtung.

Vibration kann aber auch unerwünschte Schwingung für das Umfeld bedeuten. Das von Hamm entwickelte Oszillationssystem sorgt für eine schnelle Verdichtungszunahme ohne diese unerwünschten Schwingungen. Der Oszillationseffekt wird mit zwei synchron rotierenden Gewichten in der Walze erzielt, wobei statt der Auf- und Abbewegungen der Vibrations­walze Schubkräfte tangential in den Boden eingeleitet werden. „Das Oszillationssystem überträgt nur 10 Prozent der Vibrationen üblicher Vibrationswalzen auf das Umfeld und erhöht gleichzeitig den Verdichtungsgrad und die Qualität“, erläutert Ackermann. „Man könnte sagen, Hamm verdichtet schwingend.“

 

In Svalbard verdichtetendie DV 90 Walzen innerhalb von drei Wochen 30.000 Tonnen Asphalt auf der Start- und Landebahn des Flughafens in zwei Zehn-Stunden-Schichten pro Tag. Die weiteren für dieses Projekt benötigten Straßenbaumaschinen – eine Kaltfräse, ein Streuer und zwei Fertiger – lieferte Wirtgen Norway, die norwegische Tochtergesellschaft der Wirtgen Group, zu der die Hamm AG ebenfalls gehört.

Hamms Oszillationstechnik war auch der ausschlaggebende Faktor bei der Wahl einer DV90 Walze für das Verdichten der Asphaltdecke auf der höchsten Brücke der Welt, dem Millau-Viadukt über dem Tarn-Tal in Frankreich. Das 2004 fertiggestellte 400 Millionen Euro teure Bauwerk hat die Verkehrsschlangen eliminiert, für die die Stadt Millau in der Urlaubszeit bekannt war.

Die Brücke hat eine Gesamtlänge von 2.460 Metern, die Fahrbahndecke schwebt 270 Meter über dem Tal und der höchste Pfeiler ist 343 Meter noch. Zum Vergleich: der Eiffel-Turm misst 300 Meter beziehungsweise 320 Meter, wenn man die Antenne auf der Spitze hinzurechnet.

Beim Millau-Projekt war ebenso wie in Longyearbyen Schnelligkeit von großer Bedeutung, weil der starke Wind hoch über dem Tal den Asphalt sehr rasch abkühlte. Die Verdichtung musste von höchster Qualität sein, um eine absolut undurchlässige Asphaltdecke zu schaffen, die ein Rosten der darunter liegenden Stahlkonstruktion verhindert.

 

Der Asphalt,eine besondere Sorte mit einem hohen Polymeranteil, wurde in Rekordzeit ausgebracht. Innerhalb von drei Tagen transportierten 25 Lkw 9.500 Tonnen von zwei Mischwerken zur Brücke. Die DV 90 war die einzige Maschine auf der Baustelle, die die Asphaltdecke dynamisch verdichtete.

Hamms DV-Baureihe umfasst die Walzentypen DV 90 (neun Tonnen), DV 70 (sieben Tonnen) und DV 40 (vier Tonnen). Abgesehen vom Oszillationssystem zeichnen sich diese Walzen noch durch andere hochmoderne Eigenschaften aus, die von Baufachleuten gerühmt werden.

  • Ein „Steer-by-Wire“-System mit einer Lenkungseinheit von SKF aus der ADD-Serie. Dieses System erhöht den Bedienerkomfort, verbessert die Lenkeigenschaften und gibt den Konstrukteuren mehr Freiheit bei der ergonomischen Gestaltung der Kabine.
  • Ein drehbarer Fahrersitz. Der Sitz dreht sich automatisch beim Fahrtrichtungswechsel, so dass der Fahrer immer vorwärts fährt, egal in welche Richtung sich die Maschine bewegt.
  • Eine neue Chassiskonstruktion. Die voll verglaste und klimatisierte Panoramakabine lässt sich seitlich um 30 Zentimeter in jede Richtung über den Maschinenrand hinaus bewegen. Auch der Fahrersitz in der Kabine ist seitlich verschiebbar, damit der Fahrer ständig die Walzen, die Berieselungsanlage und die Randbereiche unbehindert einsehen kann.
  • Das elektronische Maschinenmanagementsystem Hammtronic. Es überwacht und steuert alle wesentlichen Motor- und Fahrzeugfunktionen, gewährleistet eine optimale Verdichtung und sorgt für maximale Produktivität, Qualität und Lebensdauer. Darüber hinaus verhindert es ein Durchdrehen der Walzen, ermöglicht Planierarbeiten an starkem Gefälle und verringert den Kraftstoffverbrauch um 30 bis 40 Prozent.
  • Individuelle Frequenz- und Amplitudensteuerung für Vibration und Oszillation der vorderen und rückwärtigen Walze.

    „Hightech“ ist nicht gerade ein Ausdruck, den man im Zusammenhang mit Asphaltverdichtern benutzt. Die DV Walzen von Hamm machen hier jedoch eine Ausnahme. Mit einem supermodernen Leitsystem werden diese Maschinen auch in Zukunft noch mit bemerkenswerten Leistungen im Straßenbau von sich reden machen.


    Dampfwalzen ohne Dampf

    Die Hamm AG wurde 1878 von den Gebrüdern Hamm im nordbayrischen Tirschenreuth gegründet. Anfangs stellte das Unternehmen nur Landwirtschaftsmaschinen her. „Mit dem Bau unserer ersten Straßenwalze 1911 erhielten wir den Ruf, ein innovatives Unternehmen zu sein“, sagt der Marketingleiter von Hamm, Gottfried Beer. „Sie hatte einen Dieselmotor, eine wahre Novität zu jener Zeit der Dampfmaschinen. Wir sind technologisch führend in der Branche, und wollen es auch bleiben.“

    Das Unternehmen gehört seit 1999 zur Wirtgen Group. Im Laufe der Jahre hat Hamm zahlreiche richtungsweisende Entwicklungen lanciert, darunter 1932 die weltweit erste allradangetriebene und allradgelenkte Tandemwalze, 1960 die erste Gummiradwalze und in den 1980er Jahren die Oszillationstechnik. Heute bietet Hamm ein komplettes Sortiment an Walzen von 1,5 bis 28 Tonnen.

    Mit einem neuen 15 Millionen Euro teuren Werk hat das Unternehmen seine Produktion von 1.250 Maschinen 1999 auf 2.450 Maschinen 2004, dann auf 3.600 Maschinen 2005 und schließlich auf 5.000 Maschinen 2006 gesteigert. Das umfassende Vertriebsnetz der Wirtgen Group mit Niederlassungen in 60 Ländern öffnet für Hamm zahlreiche Türen. Mit 600 Beschäftigten ist das Unternehmen im Raum Tirschenreuth der größte Arbeitgeber.

     

     

     

     

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