Scott Henderson

Designer mit internationalem Überblick

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Die Designindustrie in Asien boomt, ein Trend, den Scott Henderson, leitender Designer bei Smart Design, einem New Yorker Spezialisten für Industriedesign, als enorme Chance für gegenseitige Befruchtung zwischen Ost und West sieht.

Henderson weiß, was gutes Industriedesign ausmacht. Die Liste seiner Verdienste auf diesem Gebiet ist beeindruckend. Bekannt wurde er für seine Serie preiswerter Schüsseln und Behälter aus festem Kunststoff, die er für den Geschirr- und Besteckhersteller WOVO entwarf, sowie für seine Badezimmerartikel mit Saugnapfbefestigung, die der Konsumgüterhersteller OXO anbietet. OXO hat sich auf Produkte verlegt, die besonders einfach in der Handhabung sind.

„Ein gutes Design kann eine positive Erinnerung an etwas wachrufen, das man in seiner Jugend erlebt hat. Wenn man diese Analogie plötzlich in einem Produkt wieder erkennt, löst das automatisch ein Lächeln aus“, meint Henderson.

Er lehnt sich in einen bequemen hellroten Sessel zurück, der an die frühen siebziger Jahre erinnert. Henderson studierte Industriedesign am Philadelphia College of Art & Design. Nach seinem Examen 1988 war er für verschiedene Design- und Konstruktionsbüros tätig und entwarf alles von Möbeln und Lampen bis Flugzeugeinrichtungen. 1993 kam er zu Smart Design, wo er inzwischen die Abteilung für Industriedesign leitet. Darüber hinaus arbeitet er an eigenen Projekten von Möbeln bis Keramikgegenständen.

Seine Tätigkeit vermittelt ihm einen guten Überblick über die Welt des Designs, sowohl über gutes als auch über schlechtes Design. Nach einem Beispiel für gutes Design befragt, präsentiert Henderson die WC-Bürste, die der Franzose, Philippe Starck, für den New Yorker Möbelhersteller Heller Inc. entwarf

„Sie sieht aus wie die Lanze eines Ritters, mit konisch geformtem Griff, der die Hand bedeckt“, erklärt Henderson. Die Form wecke positive Assoziationen zu seiner Kindheit, sagt er, und „wenn man sie verkörpert sieht, erkennt man sie wieder. Sie lösen eine intellektuelle Reaktion aus.“ Henderson zieht mit Starcks WC-Bürste ein paar Striche in der Luft. „Man muss Analogien zu Dingen schaffen, die den Leuten bekannt vorkommen, und sie dann auf so clevere Weise neu gestalten, dass jeder sagt ‚Oh, schau mal, wie chic!‘.“

„Manchmal ist die Analogie allerdings nicht so offensichtlich wie bei der Ritterlanze“, räumt Henderson ein. „Gelegentlich hat es eher damit zu tun, wie zwei Formen miteinander verschmelzen, oder es ist die plastische Komposition, die interessant ist. Auch hierbei ist der entscheidende Punkt die Assoziation zu anderen Dingen im Kopf des Betrachters, aber das Ganze ist wesentlich abstrakter – mehr wie ein Kunstwerk. Man will einfach etwas Bekanntes darin sehen und biegt es sich so zurecht.“

Smart Design hat sich auf Massenartikel spezialisiert, von denen viele in Asien hergestellt werden. „Wenn es um Produktionsvolumen von mehreren Millionen Artikeln geht, muss man sie dort fertigen lassen, wo man bessere Gewinnspannen erzielen kann“, erklärt er.

Die Gewinnspanne ist jedoch nur ein Faktor bei der Designarbeit des Unternehmens. Von einem Smart Design-Produkt erwartet man,
1. dass es sich extrem gut verkaufen lässt;
2. dass es den Bedarf breiter Massen deckt;
3. dass es zu einem günstigen Preis zu haben ist;
4. dass es die Punkte 1-3 erfüllt und trotzdem irgendwann ins Museum kommt, was in der Regel mit derartigen Gegenständen nicht der Fall ist.

Smarte Organisation
Smart Design hat sein Büro im obersten Stockwerk eines ehemaligen Warenhauses in Soho. Die offene Raumgestaltung mit großen Dachfenstern und dem Schein zahlreicher Computerbildschirme als einzige Lichtquelle vermittelt eine lockere Atmosphäre von enger Zusammenarbeit.

„Jedes Projekt bekommt seine eigene Anlaufstelle, und wir versuchen, möglichst alle Arbeitsmomente dort zu konzentrieren“, so Henderson. „Auf diese Weise hat der Designer sämtliche projektspezifischen Informationen an derselben Stelle und nicht verstreut über das ganze Büro.“ Die Arbeitsstation umfasst alles, was mit dem Projekt zu tun hat, – sogar große Archivregale und Gemeinschaftsrechner, deren Bildschirme zum Korridor hin gewandt sind und vorbeigehende Kollegen zur Interaktion einladen.

Auf Grund seiner produktionstechnischen Verbindungen zu Asien bekommt Smart Design das enorme Designinteresse in diesem Teil der Welt hautnah mit. Wie Henderson sagt, kommt diese Entwicklung nicht unerwartet – es gibt in der Geschichte zahlreiche Parallelen.

„Das ist das Ergebnis des zunehmenden Wirtschaftswachstums vieler Länder in dieser Region. Sie verlegen ihre Produktion ins Ausland“, meint er. Mit steigendem Wohlstand erhöhen sich auch die Arbeitskosten. Die Fertigung wird dann in der Regel in Länder ausgelagert, wo Arbeitskräfte weniger kosten, und dort entsteht automatisch ein Interesse an Design.   

Zweifellos ist in Ländern wie Taiwan, China, Südkorea und Thailand eine regelrechte Designwelle zu beobachten. Allein in Taiwan haben über 20 Fachhochschulen und Universitäten eine Fakultät für Industriedesign, und jedes Jahr machen rund 2.000 Industriedesigner ihr Examen.

Entgegen aller Erwartungen gebe es dort jedoch keinen speziellen Designtrend mit asiatischem Einfluss, betont Henderson. Im Gegenteil: Modernes Industriedesign in Asien ist oft ein Spiegelbild von westlichem Industriedesign.

Durch die Globalisierung der Wirtschaft und dem raschen weltweiten Informationsaustausch entstehe auch eine globale Ästhetik mit einem zunehmend universellen Designstil ohne eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten geographischen Region, meint er. „In Zukunft wird es nur noch um gutes oder schlechtes Design gehen. In zehn Jahren wird man nicht mehr an amerikanisches, britisches oder italienisches Design denken, sondern nur noch die Frage stellen: ‚Ist es gut oder schlecht?‘“

Den Tiger zähmen
Microsoft, Hewlett-Packard, Motorola und Dell bauen zurzeit Forschungs- und Fertigungszentren in Taiwan und China auf. Gleichzeitig errichtet die taiwanesische Regierung große Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, die Forschungs-, Design- und Produktionsleistungen aus einer Hand anbieten. Für viele Designer im Westen ist dieser Trend ein Grund zur Sorge.

Henderson sieht Vor- und Nachteile. „Einerseits ist es logisch, Design und Produktion möglichst nah zusammenzulegen, aber es gibt auch Leute, die behaupten, dass dadurch eine zu große Distanz zwischen Designarbeit und Endanwender entstehe. Wenn man Designer statt in einer Fabrik in dem kulturellen Umfeld arbeiten lässt, an das ihre gestalterische Arbeit gerichtet ist, kann das die Kreativität beflügeln.“

„Es ist sicherlich genauso sinnvoll, ein Designunternehmen mitten im Zentrum von Manhattan zu haben, wie Smart Design, weil wir hier von Menschen, Verbrauchern und Kultur umgeben sind. All diese Einflüsse helfen uns dabei, großartiges Design hervorzubringen“, so Henderson.
Säßen die Designer in einer Fabrik mitten in einem Industriegebiet und hätten „um sich herum nur Spritzgussanlagen“, fährt er fort „würden wir nur die ganze Zeit daran denken, dass wir mit unserer Designarbeit so schnell wie möglich fertig werden müssen, damit der Artikel in Produktion gehen kann.“

Henderson sieht das asiatische Designinteresse als große Chance und ist der Ansicht, die internationalen Designunternehmen sollten in stärkerem Maße die Zusammenarbeit mit den rasch wachsenden asiatischen Branchenkollegen suchen. Die großen internationalen Entwicklungszentren dieser Region können neue Möglichkeiten für den Gedanken- und Wissensaustausch zwischen Asien und dem Rest der Welt schaffen.

„Der Bedarf an Designern nimmt zu, weil der Bedarf an neuen Produkten zunimmt“, bemerkt Henderson. Im Designsektor gilt ebenso wie in anderen Bereichen: ‚Je mehr, desto besser‘. „McDonald’s kümmert sich nicht darum, dass Burger King direkt nebenan ein Restaurant eröffnet, weil McDonald’s von dem steigenden Publikumsverkehr profitieren wird, sozusagen eine gegenseitige Befruchtung.“

Henderson lacht und lehnt sich weit zurück in seinem hellroten Sessel. Er macht nicht den Eindruck, als ob er sich Gedanken über seine Zukunft macht.

 

 

 

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