SKF bändigt Unwucht im Drehmoment

Wer das neue Futurium in Berlin besucht, zieht vielleicht erst mal den Kopf ein: Vor dem vom Bund finanzierten Ausstellungshaus und Labor der Zukünfte „eiert“ ein vier Meter großer Teller an der Spitze eines über dreizehn Meter langen Metallstabs durch die Luft. Zum Glück haben robuste SKF Lager den überdimensionalen Balance-Akt fest im Griff.

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Die scheinbare Instabilität der „Drehmoment“ genannten Skulptur kommt nicht von ungefähr: „Die Arbeit kann als ein objektgewordener, vergrößerter Zirkusakt gelesen werden, als kindliche Spielerei“, beschreibt Jan Edler von der Berliner Künstlergruppe „realities:united“ das Werk. Oder als die Vorführung eines Tricks, wo dynamisches Handeln die übliche statische Konstruktion des Kunstwerks ersetze. „Darin steckt einiges von dem, was wir von der Zukunft erhoffen oder befürchten“, so Edler weiter: „Faszinierend, trickreich und effizient, aber auch irgendwie unerklärlich, unruhig und riskant.“

Um vermeintliche Risiken für die Betrachter des fragil anmutenden Kunstwerks auszuschließen, hat die Max Streicher GmbH & Co. KG aA aus Deggendorf sämtliche mechanischen Eigenschaften des Objekts zunächst im Computer simuliert. „Dazu gehörten unter anderem Massen, Trägheiten, Längen, Reibungen, Federn, Dämpfer oder auch Antriebe“, berichtet Andreas Beck, Leiter Planung und Entwicklung bei Streicher. „Nach einigen ,virtuellen Testläufen‘ fanden wir schließlich heraus, wie sich die künstlerische Idee am besten realisieren lässt.“

Exzentrisch und schwierig
Bei der nun beginnenden Umsetzung dieses einzigartigen Vorhabens wurde Streicher tatkräftig von der Ludwig Meister GmbH & Co. KG unterstützt: Der SKF Vertragshändler holte umgehend Experten aus Schweinfurt ins Boot – und die sahen sich mit der enormen Exzentrizität der Konstruktion konfrontiert. Beispielsweise weicht der Stab, auf dem der Teller „tanzt“, um ca. acht Grad von der vertikalen Achse ab. Damit ragt er an seiner höchsten Stelle um etwa 1,5 Meter über die Mitte der eigentlichen Antriebswelle hinaus. „Hinzu kommt, dass der Teller selbst rund 170 Kilogramm wiegt und sich tatsächlich nur durch die Kreisel- und Zentrifugalmomente aufrichtet“; so Beck. Und dazu müsse die Antriebswelle mit bis zu 50 min-1 rotieren – wodurch sich die Mastspitze infolge elastischer Verformung um weitere 17 cm nach außen biege.

„Als ich dieses Anforderungsprofil zum ersten Mal sah, war ich wirklich ziemlich erstaunt“, gesteht Sebastian Pfister, Anwendungsingenieur im Bereich „OEM & Distribution“ bei SKF in Schweinfurt. Denn normalerweise arbeite jeder Maschinenbauer darauf hin, Unwuchten so weit wie irgend möglich zu vermeiden. „In diesem Fall aber gehört die Unwucht zum künstlerischen Konzept. Insofern stellt das ,Drehmoment‘ auch aus nüchterner Ingenieurssicht eine äußerst außergewöhnliche Maschine dar!“

Hydraulikbagger im Schleudergang
Selbst ohne vorherige Erfahrung mit kinetischen Skulpturen fand Pfister schnell einen passenden Lösungsansatz: Zur Lagerung der Antriebswelle kamen eigentlich nur Pendelrollenlager der SKF Explorer-Klasse infrage: „Diese extrem robusten, winkelbeweglichen Lager eignen sich beispielsweise für die meterlangen Presswalzen von großen Papiermaschinen oder Brechern, wo sie Schiefstellungen sowie hohe radiale und axiale Belastungen aufnehmen“, erklärt der Anwendungsspezialist.

Unten beim massiven Fundament des Kunstwerks war der Platz im Lagergehäuse indes knapp: Dort blieben lediglich 120 Zentimeter Abstand zwischen den beiden Lagern. Außerdem musste Pfister während der konkreten Auslegung der Wellenlagerung berücksichtigen, dass bei der Rotation des „windschiefen“ Kunstwerks bis zu 200 Kilonewton in entgegengesetzten Richtungen auf die Pendelrollenlager einwirken. „Das entspricht in etwa dem Gewicht eines durchschnittlichen Hydraulikbaggers“, veranschaulicht Pfister die bei diesem „Schleudergang“ auftretenden Kräfte, „und daraus resultierten durchaus anspruchsvolle Anforderungen – unter anderem an die Lagersitze.“

Blick nach vorn
Inzwischen spielen die SKF Lager, die per SEAL JET-Verfahren mit maßgeschneiderten Economos-Dichtungen aus S-Ecopur ausgestattet wurden, ihre enorme Tragfähigkeit voll aus: Während der Öffnungszeiten des Hauses sorgen sie fünfmal täglich in 45-minütigen Betriebsphasen dafür, dass die Besucher des Futuriums am Spreebogen Denkanstöße für die Welt von morgen erhalten. „Bis dahin tragen übrigens auch automatische Schmierstoffgeber der LAGD-Reihe zur reibungslosen Funktion des Objekts bei“, ergänzt Gerald Egginger von der betreuenden Ludwig Meister-Niederlassung aus Regensburg: „Insgesamt vier dieser genial einfachen, gasgetriebenen Einheiten werden die Lager und die Antriebskette etwa sechs Monate lang vollkommen selbsttätig schmieren.“

Was auch immer die Zukunft sonst noch bringen mag: „Bei guter Pflege sorgt die SKF Lösung in diesem Kunstwerk sicher viele Jahre lang für eine beständige Rotation“, ist Sebastian Pfister überzeugt.

Wer das „Drehmoment“ in Aktion sehen will, sollte das Futurium mal besuchen (Alexanderufer 2, 10117 Berlin; https://futurium.de/) oder sich dieses Video anschauen: https://vimeo.com/realitiesunited/drehmoment-doku.

Jan Edler von der Berliner Künstlergruppe „realities:united“ über das „Drehmoment“:
„Das Dynamische ist mehr als ein moderner Ersatz für die alte Statik. Es macht aus dem, was bisher eine tote Gegebenheit, vielleicht das Ergebnis eines zurückliegenden Schaffungsprozesses war, etwas, was immer wieder neu geschaffen wird, wohinter eine gegenwärtige immaterielle Macht, ein Programm, ein Wille oder möglicherweise ein ,Geist‘ steht, die ebenso wichtig sind wie die geltenden Naturgesetze.“

Die Skulptur "Drehmoment" von Tim Edler und Jan Edler von realities:united fotografiert am (28.11.18) vor dem Futurium in Berlin Foto: Axel Schmidt www.axelschmidt.net

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