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So gut wie neu

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Von konsequentem Kreislaufdenken – also Wiederverwendung, Refabrikation und Recycling – könnte nicht nur die Wirtschaft profitieren, sondern auch unser Planet.

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Die Kreislaufwirtschaft gilt als bedeutender industrieller Trend. Dieses nahezu abfallfreie Wirtschaftskonzept, bei dem Produkte, Teile und Rohstoffe so lange wie möglich genutzt werden, gewinnt bei Regierungen, Unternehmen und Verbrauchern an Popularität. Es wäre eine Alternative zum derzeitigen, überwiegend nicht nachhaltigem „linearen System“, bei dem Ressourcen gewonnen, verarbeitet und schließlich als Abfall entsorgt werden.

Befürworter sehen in dem Konzept die Antwort auf die größten Herausforderungen unseres Planeten: Bevölkerungswachstum, schrumpfende natürliche Ressourcen und Klimawandel. Allerdings funktioniert das System nur, wenn alle mitmachen.

„Wir müssen umdenken, denn die Ressourcen werden immer knapper und wir haben die Erde bereits massiv geschädigt“, erklärt Julia Stegemann, Professorin für Umwelttechnik am University College London und eine der Initiatoren des UCL Circular Economy Laboratory. „Wir nähern uns einem Punkt, von dem es kein Zurück mehr gibt. Wenn wir nachhaltig leben wollen, müssen wir radikale Veränderungen durchführen.“

Wir nähern uns einem Punkt, von dem es kein Zurück mehr gibt. Wenn wir nachhaltig leben wollen, müssen wir radikale Veränderungen durchführen.
Julia Stegemann, Professorin für Umwelttechnik am University College London und eine der Initiatoren des UCL Circular Economy Laboratory.

Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ist genau so alt wie simpel: Dinge, die nicht mehr funktionieren oder ausgedient haben, werden nicht weggeworfen, sondern verwertet, umgearbeitet oder recycelt. Mancherorts geschieht das schon heute.

Die schwedische Modekette H&M hat zum Beispiel eine globale Altkleidersammlung eingerichtet. Ausgediente Kleidung wird wiederverwertet und zu neuen Kleidungsstücken oder Putztüchern verarbeitet. Seit 2013 hat H&M über 28.000 Tonnen Textilien eingesammelt, was einer Menge von mehr als 120 Millionen T-Shirts entspricht. Diese Kleidungsstücke wären sonst auf der Müllkippe oder in einer Verbrennungsanlage gelandet.

Der französische Automobilhersteller Renault hat ebenfalls das Kreislaufprinzip in sein Geschäftsmodell integriert. Er betreibt ein Refabrikationswerk, in dem von Wasserpumpen bis Motoren alles aufgearbeitet und wieder verkauft wird. Der Preis der Produkte liegt um 50 bis 70 Prozent unter dem üblichen Verkaufspreis. Das Werk setzt jährlich über 250 Millionen Euro um und macht Gewinn.

Auch der britische Telekom-Riese Vodafone bietet einen Rücknahme-Service an. Kunden können ihre alten Handys und Tablets in Zahlung geben. Sie bekommen dann entweder Rabatt beim Kauf eines neuen Geräts oder erhalten einen Gutschein. Die zurückgegebenen Geräte werden aufgearbeitet und erneut verkauft oder ausgeschlachtet und recycelt.

Illustration Jack Hudson
Illustration Jack Hudson

Es heißt, dass die gemeinnützige Ellen MacArthur-Stiftung in Großbritannien, die 2010 von der britischen Seglerin gleichen Namens gegründet wurde, den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ populär gemacht hat. Die Idee als solche ist jedoch uralt. Im Gegensatz zu früher besteht heute allerdings die dringende Notwendigkeit, sie auf globaler Ebene in die Praxis umzusetzen.

Laut einem Bericht des globalen Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY wird die Mittelschicht bis 2030 weltweit um circa drei Milliarden Verbraucher wachsen. Für Umwelt und Naturschätze, die ohnehin schon unter starkem Druck stehen, bedeutet dies eine Belastung von beispiellosem Ausmaß.

Viele Metallvorkommen, darunter Gold, Silber und Wolfram, könnten schon in den nächsten 50 Jahren erschöpft sein. Bei anderen Rohstoffen wie etwa Erdöl wird die Gewinnung immer schwieriger und kostspieliger. Zunehmende Preisschwankungen sind die Folge. Die Umweltzerstörung beeinträchtigt zudem die Produktion von Nahrungsmitteln.

Der Umstieg auf eine Kreislaufwirtschaft werde die größte Umstrukturierung von Produktion und Konsum sein, die die Welt in den letzten 250 Jahren erlebt habe, meint Peter Lacy, Leiter von Nachhaltigkeitsdienstleistungen bei dem weltweit agierenden Beratungsunternehmen Accenture Strategy.

Wichtige Veränderungen wären, Produkte so zu konstruieren, dass sie länger halten und später, wenn sie ausgedient haben, in ihre Bestandteile und Rohstoffe zerlegt werden können. Dabei soll nur erneuerbare Energie verwendet werden, um die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren. Auch müssen Lücken in Lieferketten geschlossen werden, damit überflüssige Rohstoffe und Abfälle nicht entsorgt, sondern wiederverwertet oder recycelt werden. In Zukunft soll demnach nicht der Kauf und Verkauf von Produkten, sondern der von Dienstleistungen im Mittelpunkt stehen. Ein Beispiel wäre die Nutzung von Mitfahrdiensten oder Autovermietungen statt des Kaufs eines eigenen Autos, das 90 Prozent der Zeit still steht.

Experten zufolge wird der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zunächst teuer sein, aber die langfristigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Vorteile wären enorm.

Laut einer Berechnung des Weltwirtschaftsforums WEF ließe sich allein bei Werkstoffen über eine Billion US-Dollar pro Jahr sparen. In der Refabrikations- und Recycling-Industrie entstünden zudem Hunderttausende von Arbeitsplätzen.

Bis 2030 könne eine Kreislaufwirtschaft in Europa zu einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von elf Prozent und bis 2050 von 27 Prozent führen, schätzt die Ellen-MacArthur-Stiftung, die den Übergang zu diesem Wirtschaftskonzept beschleunigen will. Bei Fortführung des heutigen Systems lägen die entsprechenden Zahlen bei vier beziehungsweise 15 Prozent.

So würden zum Beispiel im Kreislaufsystem Handys durch Wiederverwertung oder Recycling billiger. Auch könnten sich mehr Verbraucher hochwertige Waschmaschinen leisten, wenn sie diese leasen können und nicht kaufen müssen.

Technologie spielt bei diesem Umwandlungsprozess eine zentrale Rolle. Die gemeinnützige niederländische Organisation Circle Economy hat digitale Werkzeuge und Software für Firmen und Regierungen entwickelt, die die Umsetzung von kreislaufbasierten Initiativen und den Austausch diesbezüglicher Erfahrungen ermöglichen. Dabei war es, so Geschäftsführer Andy Ridley, entscheidend, ein „Crowd-Learning-Umfeld“ (Lernen durch Befragen von Anderen) und ein massentaugliches Konzept zu haben.

„Es ist wichtig, aus Kreislaufwirtschaft kein verwirrendes Konzept mit komplizierter Fachsprache zu machen, das die Möglichkeiten begrenzt“, meint Ridley. „Circle Economy will praktische und anpassbare Lösungen für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft finden.“

Doch der Übergang wird seine Zeit brauchen. „Es wird eine Generation dauern“, meint Julia ­Stegemann vom University College London. „So viel Zeit haben wir vermutlich noch, aber nicht viel mehr.“

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