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Søren Hermansen – Inselheld

Für seinen herausragenden Einsatz, die dänische Insel Samsø zur größten CO2-neutralen Zone der Welt zu machen, wurde unter anderen Søren Hermansen 2009 mit dem Preis für Nachhaltige Entwicklung der schwedischen Stadt Göteborg ausgezeichnet

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Für seinen herausragenden Einsatz, die dänische Insel Samsø zur größten CO2-neutralen Zone der Welt zu machen, wurde unter anderen Søren Hermansen 2009 mit dem Preis für Nachhaltige Entwicklung der schwedischen Stadt Göteborg ausgezeichnet

Wirtschaft

Die Technik zur Erzeugung von erneuerbarer Energie schreitet ständig voran. Schwieriger ist es, die Einstellung der Menschen zu ändern. Mit unglaublicher Beharrlichkeit und Überzeugungskraft ist es Umweltschützer Søren Hermansen gelungen, die dänische Insel Samsø in eine CO2-neutrale Gemeinde zu verwandeln. Es ist die weltweit größte ihrer Art.

Der Weg zum klimaneutralen Leben auf der Insel hat gut ein Jahrzehnt gedauert. 1997 schrieb der damalige dänische Energieminister Svend Auken einen Wettbewerb unter den dänischen Inseln aus, bei dem es darum ging, den gesamten Strombedarf mit erneuerbaren Energien wie Sonnenenergie, Wind, Wasser und Biomasse zu decken. Samsø, eine kleine Inselgemeinde im Kattegat, die für ihre landwirtschaftlichen Produkte bekannt ist, schlug mit ihren ehrgeizigen Ökoplänen vier andere Gemeinden aus dem Rennen und ging als Sieger hervor. Der Plan der Inselbewohner sah den Bau von Onshore- und Offshore-Windkraftwerken sowie eines mit Stroh von örtlichen Landwirtschaftsbetrieben befeuerten Fernheizwerks vor. Küchenöfen sollten mit Hackschnitzelbrennern ausgestattet und die teuren, umweltverschmutzenden Ölbrenner durch geothermische Wärmepumpen ersetzt werden. Darüber hinaus wollte man die Solartechnik auf breiter Ebene einführen.

Das Projekt hat sich so positiv entwickelt, dass die Insel heute zehn Prozent mehr Strom produziert, als die 4.100 Inselbewohner verbrauchen. Der Überschuss wird in das dänische Stromnetz eingespeist und den Bewohnern von Samsø vergütet. Durch die Bemühungen von Hermansen und der örtlichen Energie-Akademie hat die Inselgemeinde den CO2-Ausstoß um 140 Prozent reduziert. „Ein Einwohner von Samsø produziert im Schnitt minus 3,7 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr“, erklärt Hermansen. Der nationale Durchschnitt liegt in Dänemark bei zehn Tonnen pro Kopf.

2009 erhielt Hermansen den Preis für Nachhaltige Entwicklung der Stadt Göteborg. Die Auszeichnung, manchmal auch „Nobelpreis für Umweltschutz“ bezeichnet, wird jedes Jahr von der Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit SKF und elf weiteren Großunternehmen verliehen. Die amerikanische Wochenzeitschrift Time bezeichnete Hermansen 2008 als „Held der Umwelt“.

„Ich bin sehr stolz“, sagt er. „Die Auszeichnung hat unserer Arbeit Beachtung und internationale Anerkennung verschafft.“

Hermansen, auf Samsø geboren und aufgewachsen, begann seine berufliche Laufbahn als Dozent für Umweltwissenschaft. Seit 2007 leitet er die Energie-Akademie auf Samsø, ein langes schmales Gebäude mit Glaswänden, dessen schwarzes Dach mit Sonnenkollektoren versehen ist. Das geräumige Haus verfügt über ein Selbstregulierungssystem für die Raumtemperatur. Ein Regenwasserauffangbecken liefert das Wasser für die Toilettenspülung. Die 2007 gebaute Akademie erinnert mit ihrer hellen rustikalen Inneneinrichtung an ein Langhaus aus der Wikingerzeit. Der Bau kostete 12 Millionen dänische Kronen (1,6 Millionen Euro) und ist von externer Energieversorgung völlig unabhängig. Die Gemeinde übernahm ein Drittel der Baukosten. Der Rest konnte mit den Einnahmen aus den Stromerzeugungsanlagen der Insel finanziert werden.

Die Samsø Energie-Akademie fungiert als wissenschaftliches Zentrum für erneuerbare Energie. Hier werden Workshops und Seminare für Politiker, Journalisten und Studenten aus aller Welt abgehalten, die nach Samsø kommen, um mehr über die Energiewende auf der Insel zu erfahren.

Die Insulaner selbst wenden sich an die Akademie, wenn sie bei der Energieumstellung in ihrem Haus kostenlos beraten werden möchten. Dabei geht es zum Beispiel um Isolierung oder den Austausch eines alten Ölkessels.

Eine weitere Aufgabe der Energie-Akademie ist der Informationsaustausch mit anderen Kommunen, die ähnliche Projekte planen.

Hermansen betont jedoch, dass die Lösungen stets an die örtlichen Verhältnisse angepasst werden müssen. Was für Samsø richtig ist, muss nicht notwendigerweise woanders funktionieren.

„Jeder Ort ist anders“, sagt er. „Samsø ist eine Insel und bietet somit ausgezeichnete Bedingungen für Windenergie. Wir betreiben auch viel Landwirtschaft. Das heißt, unser Modell könnte sich für andere kleinere Gemeinden eignen, aber die örtlichen Gegebenheiten müssen immer berücksichtigt werden.“

Das Motto „lokal denken, lokal handeln“ ist eines der Geheimnisse hinter dem Erfolg des Projekts, behauptet Hermansen. Veränderungen müssen schrittweise herbeigeführt werden. Nur so könne man die Inselbewohner zum Umdenken bewegen. Wichtig sei, meint er, dass sich Bemühungen auch im Portemonnaie bemerkbar machen.

„Geld ist ein guter Anreiz, wenn man Menschen dazu bringen will, in neuen Bahnen zu denken. Mittlerweile ist es zu einer Art Wettbewerb unter den Insulanern geworden. Jeder will noch zehn Prozent mehr Energie als der Nachbar sparen, etwa durch bessere Isolierung oder Sonnenkollektoren auf dem Dach“, fährt Hermansen fort.

Die Bewohner von Samsø sind die Finanziers und Teilhaber aller Energieerzeugungsanlagen auf der Insel. Gegen eine geringe Anschlussgebühr erhalten sie billige Heizwärme von vier Fernheizwerken, die mit erneuerbarer Energie wie beispielsweise Biomasse, Holzpellets und Stroh betrieben werden. Auf diese Weise werden zurzeit 70 Prozent aller Haushalte auf der Insel beheizt. Was früher Abfall aus der Land- und Forstwirtschaft war, wird heute zu Biomasse verarbeitet.

„Drei Kilogramm Stroh entsprechen einem Liter Erdöl, das zehn Kilowatt Strom erzeugt“, erklärt Hermansen. „Ein durchschnittlicher Haushalt hat einen Verbrauch von rund 20.000 Kilowatt pro Jahr, der jetzt allerdings durch grüne Energie statt Erdöl gedeckt wird. Und das Allerwichtigste ist, dass diese Energie von Samsø kommt. Das Geld bleibt also auf der Insel.“

Elf auf der Insel verteilte Windräder decken den Stromverbrauch der Bewohner. Hinzu kommen noch zehn Offshore-Windkraftwerke vor dem Hafen von Kolby Kås.

Samsø exportiert inzwischen 80.000 Megawattstunden Strom, aber Hermansen denkt darüber nach, wie man den Energieüberschuss in der eigenen Gemeinde sinnvoller nutzen könnte. Er plant den Bau einer Biogasanlage zur Verarbeitung von Landwirtschaftsabfällen und Dung.

„Daraus könnte man sowohl Strom als auch Heizwärme gewinnen. Wir untersuchen jedoch auch die Möglichkeit, eine Gastankstelle zu eröffnen und einen Auto-Pool einzurichten“, meint Hermansen begeistert.

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