Stathis Ioannides – Im Kampf gegen Reibung

Der Begriff „Tribologie“ stammt von den griechischen Wörtern „tribos“ (reiben) und „logos“ (Prinzip) ab. Da passt es ganz gut, dass einer der weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet ausgerechnet ein Grieche ist

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Der Begriff „Tribologie“ stammt von den griechischen Wörtern „tribos“ (reiben) und „logos“ (Prinzip) ab. Da passt es ganz gut, dass einer der weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet ausgerechnet ein Grieche ist

Stathis Ioannides wurde in Athen geboren, zog aber in den 1960er Jahren nach London, um dort am Imperial College of Science, Technology and Medicine zu studieren. „Die Liebe zur Technik ist eine Familientradition“, erklärt Ioannides. „Mein Vater hatte ein Ingenieurbüro in Athen, und ich verbrachte als Kind viel Zeit damit, mechanische Spielzeuge auseinanderzunehmen, um zu sehen, wie sie funktionieren. Das Ingenieursstudium war für mich eine naheliegende Wahl.“

Nach seinem Studium wurde Ioannides ein international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Tribologie, also der Wissenschaft von Reibung, Schmierung und Verschleiß. Im Dezember 2008 erhielt er in Anerkennung seiner Verdienste um die Tribologie und insbesondere seiner Arbeit im Bereich der Wälzlagertechnik die höchste Auszeichnung dieser Disziplin in der Industrie, die Goldmedaille des Tribology Trust, die von der United Kingdom Institution of Mechanical Engineers vergeben wird. Ioannides nahm den Preis im Juni 2009 im Rahmen einer Feierstunde im Londoner Buckingham Palace aus den Händen Seiner Königlichen Hoheit, Prinz Philip, Duke of Edinburgh, entgegen.

„Lager faszinieren mich, weil man auf den ersten Blick glauben könnte, es handele sich um sehr einfache Bauteile“, stellt Ioannides fest. „Sie sind über mehr als 100 Jahre für ihren Verwendungszweck optimiert worden. Für die weitere Entwicklung und Verbesserung sind Sachkenntnisse in einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen und technischen Disziplinen wie zum Beispiel Werkstoffkunde, Schmierungstechnik und Strömungsmechanik erforderlich. Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem wir die Antworten, nach denen wir suchen, nur finden können, wenn mehrere Wissenschaftsdisziplinen zusammenarbeiten, und das ist eine große technologische Herausforderung.“

Ioannides bewies schon früh, dass er dieser Herausforderung gewachsen war. Er stellte eine Theorie der Wälzlagerermüdung auf, die bei ihrer Veröffentlichung 1984 sofort internationalen Beifall fand. Er zeigte, dass die Berechnungen zur Lebensdauer von Lagern nicht mit der Wälzlagerentwicklung Schritt gehalten hatten und bot eine neue Berechnungsmethode an, die präzisere Ergebnisse versprach. Aufgrund der rechnerischen Ungenauigkeit seien die meisten Lager überdimensioniert, erklärte er. Kleinere Lager würden oft denselben Zweck erfüllen. Daraus ergäben sich beträchtliche Kosteneinsparungen in allen Bereichen. „Diese Methode wurde später der ISO-Standard für die Berechnung der Lagerlebensdauer“, erinnert er sich: „Es war eine wichtige Errungenschaft.“

Ioannides kam 1981 als leitender Ingenieur zu SKF in den Niederlanden und wurde 1995 Leiter der Produktentwicklung. Außerdem wurde er 1986 zum Gastprofessor am Imperial College ernannt. „Die beiden Tätigkeiten haben es mir ermöglicht, in der tribologischen Forschung stets an vorderster Front mitzuwirken: eine faszinierende Arbeit, von der ich enorm profitiert habe“, sagt Ioannides. „Ich kann mich wirklich glücklich schätzen.“

2005 erhielt Ioannides den Auftrag, die Koordination des „Green Bearings“-Projekts von SKF zu übernehmen. Das Vorhaben wird von der Europäischen Kommission in Brüssel finanziert und ist Teil des LIFE-Programms, das Umwelt- und Naturschutz unterstützt. Im Rahmen des „Green Bearings“-Projekts sollten energieeffizientere Wälzlager entwickelt werden.

Umweltschutz und höhere Energieeffizienz sind die beiden wichtigsten Triebfedern für die Lagerforschung. Weitere Kriterien sind Kostensenkungen, Leistungssteigerungen und breitere Einsatzmöglichkeiten, die selbst besonders schwierige, nach Sonderlösungen verlangende Anwendungsfälle umfassen. „Auch die Mikro- und Nanotechnologie zeigt verstärktes Interesse an tribologischen Erkenntnissen“, so Ioannides, „weil auf dieser Skala die relative Bedeutung von Reibung verglichen mit Massenkräften zunimmt. Die Effekte können ganz anders ausfallen, wenn es um so kleine Maßstäbe geht.“

Ein weiteres Schlüsselfeld der Wälzlagerforschung ist die Mechatronik, also die Kombination von elektronischen und mechanischen Komponenten, vor allem in Verbindung mit künstlicher Intelligenz. „Wenn man ein Lager so instrumentieren kann, dass es die Temperatur und die Belastung angibt, unter der es betrieben worden ist, braucht man erst nachzuschmieren, sobald es erforderlich ist, und nicht mehr automatisch. So lassen sich die Wartungsintervalle genau planen und Stillstandszeiten verringern. Das Ergebnis ist eine wesentlich effizientere Maschinenausnutzung“, erklärt
Ioannides.

An der Schwelle zu seinem Ruhestand freut sich Ioannides, dass die Welt nun beginnt, die Bedeutung der Tribologie und deren Theorien für ein so breites Spektrum von Anwendungsbereichen zu erkennen. „Kürzlich besuchte eine chinesische Hochschuldelegation Großbritannien und präsentierte einen ‚Bericht zur gegenwärtigen Lage tribologischer Anwendungen und der Forschung an Entwicklungsstrategien der Tribologie in China (Januar 2006 – Oktober 2007)’“, führt Ioannides aus: „Diese Studie besagt, dass durch konsequente Anwendung der Tribologie in der Industrie potenzielle Einsparungen von 1,55 Prozent des Bruttosozialproduktes in China erzielt werden könnten. Das ist enorm viel Geld, schon wenn nur die Hälfte davon realisiert würde.“

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