Sumantra Ghoshal
Der UnternehmenssammlerDer Managementstratege Sumantra Ghoshal rühmt sich zahlloser Anerkennungen. Das Beratungsunternehmen Accenture bezeichnet ihn als einen der einflussreichsten lebenden Wirtschaftsdenker unserer Zeit. The Economist beschreibt ihn als einen „Euro-Guru“ der Unternehmensstrategie. Ghoshal zeichnet jedoch ein wesentlich einfacheres Bild von sich selbst. „Ich sammle Unternehmen“, sagt er. „Andere sammeln Gemälde oder Möbel, und ich sammele Storys von Unternehmen.“
Der UnternehmenssammlerDer Managementstratege Sumantra Ghoshal rühmt sich zahlloser Anerkennungen. Das Beratungsunternehmen Accenture bezeichnet ihn als einen der einflussreichsten lebenden Wirtschaftsdenker unserer Zeit. The Economist beschreibt ihn als einen „Euro-Guru“ der Unternehmensstrategie. Ghoshal zeichnet jedoch ein wesentlich einfacheres Bild von sich selbst. „Ich sammle Unternehmen“, sagt er. „Andere sammeln Gemälde oder Möbel, und ich sammele Storys von Unternehmen.“
Ghoshal hat sich einen internationalen Namen für seine Thesen über große Unternehmen und deren Rolle in der modernen Gesellschaft gemacht. „Die wichtigste Triebfeder für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt sind Unternehmen. Sie schaffen und verteilen Wohlstand und erhöhen den Lebensstandard der Menschen“, meint er. „Die Leitung eines Unternehmens ist eine Berufung und ein Beruf, dessen Grundauftrag darin besteht, Gutes für die Gesellschaft und für die Menschen zu schaffen.“
Ghoshals Thesen basieren auf Gesprächen mit Leuten in den Unternehmen, die er untersucht. „Ich reise in der Welt herum und schaue mir Unternehmen an“, erzählt er. „Ich dokumentiere das Gesehene und schreibe Fallstudien.“
Er spricht auch mit den Unternehmensführern. „Es gibt so viele obere Führungskräfte, die ihre Rolle in der Gesellschaft wirklich ernst nehmen. Sie versuchen, ihr Bestes zum Wohle der Welt zu geben. Ihr Streben und ihre Bemühungen sind die Quelle für mein Interesse an diesen Fragen“, so Ghoshal.
Seiner Ansicht nach wird der Beitrag, den große Unternehmen zu unserer Welt geleistet haben, oft unterschätzt. „Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Unternehmen immer die Triebfeder für Fortschritt waren“, meint er. „Ich genieße eine wesentlich höhere Lebensqualität und lebe in einer besseren Welt als mein Vater, gar nicht erst zu reden von meinem Großvater. Ich glaube, das können die meisten Menschen auf der Erde von sich behaupten.“
„Das haben wir den Unternehmen zu verdanken – Menschen mit Führungseigenschaften, Unternehmensgeist und Geschäftssinn“, sagt Ghoshal und stellt fest: „Sie schufen den Wohlstand, die Innovationen, die neuen Technologien, die neuen Produkte und die Produktivitätssteigerungen, die die Grundlage für allen Fortschritt bilden.“
„Unternehmensleiter sollten erkennen, dass allein das Betreiben eines Geschäfts mit allem, was dazu gehört – Ressourcen auf produktive Weise einsetzen, neue Produkte hervorbringen, neue Technologien und Ideen entwickeln – einen enorm wichtigen Beitrag zur Gesellschaft darstellt. Sie sollten stolz auf diesen Beitrag sein und ihre Geschäftstätigkeit auf die fundamentale Rolle ihres Unternehmens in der Gesellschaft fokussieren.“
Eine solche Auffassung von Unternehmen hat Konsequenzen, die weit über geschäftliche und wirtschaftliche Aspekte hinausreichen. „Ich glaube, es war weder Ideologie noch die Idee einer Marktwirtschaft, die dem Kalten Krieg ein Ende setzte, sondern die Qualität des im Westen praktizierten Managements“, fügt Ghoshal hinzu.
Aktuelle internationale Ereignisse zeigen außerdem, wie „offenkundig falsch“, so Ghoshal, die weitläufige Meinung ist, der Globalisierung läge eine totale Gleichschaltung und Standardisierung zu Grunde.
„Globalisierung setzt voraus, dass es Unterschiede zwischen den Ländern gibt“, erklärt er, „Unterschiede im Geschmack der Kunden, in der Kultur, im Klima, in den politischen und sozialen Überzeugungen und in der Auffassung von Unternehmen und Führungsstil. Aktuelle Fälle unterstützen die Vorstellung, Standardisierung und die Ausnutzung von Effizienzvorteilen seien die Voraussetzung für eine Globalisierung großer Unternehmen. Tatsache ist jedoch, dass sich erfolgreiche globale Unternehmen stets über die sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und sonstigen Unterschiede in der Welt bewusst waren und diesen auf wirkungsvolle Weise begegnet sind.“
Ghoshal trägt Freizeitkleidung und wirkt ruhig und gelassen, aber er spricht mit einem Temperament, das seine Leidenschaft für dieses Thema verrät. Sowohl im Gespräch als auch bei öffentlichen Reden sprudeln seine Gedanken mit einer enormen Lebhaftigkeit hervor.
Der in Kalkutta (Indien) geborene Ghoshal hat sowohl am Massachusetts Institute of Technology (MIT) als auch an der Harvard University in den USA promoviert. Er ist Professor für Strategie und internationales Management an der London Business School und Dekan an der von ihm gegründeten Indian School of Business. Außerdem ist er Mitglied des „Committee of Overseers“ an der Havard Business School. Früher unterrichtete er an der INSEAD Business School in Frankreich sowie an der Sloan School of Management des MIT.
Ghoshal hat eine Reihe von viel beachteten Büchern geschrieben, die seine Thesen zu einem festen Bestandteil der modernen Denkweise über strategisches Management gemacht haben. Das Buch Managing Across Borders: the Transnational Solution, das er zusammen mit Christopher A. Bartlett schrieb, wurde von Financial Times als eines der 50 einflussreichsten Managementbücher bezeichnet. Es beschreibt die Hindernisse und Möglichkeiten bei Aufbau und Leitung eines multinationalen Unternehmens.
Weitere bedeutende Bücher, die Ghoshal allein oder zusammen mit anderen herausgegeben hat, sind: Managing Radical Change, The Individualized Corporation: A Fundamentally New Approach to Management, The Differentiated Network – Organising Multinational Corporations for Value Creation und The Strategy Process.
„Meine Arbeit bedeutet mir sehr viel“, sagt er. „Als Lehrer tragen wir dazu bei, diejenigen, die in diesen Beruf gehen wollen, zu guten Unternehmern und Managern zu machen, und bei der Managerausbildung unterstützen wir solche, die bereits in Führungspositionen tätig sind.“
Vor Kurzem stellte Ghoshal als Hauptredner auf einer Veranstaltung in Portugals Hauptstadt Lissabon sein jüngstes, bisher noch nicht veröffentlichtes Forschungsprojekt vor, bei dem es darum geht, wie Unternehmen und Unternehmensleiter identifizierte Geschäftsmöglichkeiten konsequent verfolgen können. „Egal, welche Nationalität, Erfahrung oder Rolle ein Unternehmensleiter hat, man wird bei einer eingehenderen Analyse immer jenes bedingungslose Streben nach hundertprozentiger Qualität finden – das Konzept ‚unsere Marke bedeutet Qualität, wir stehen für Qualität, wir machen keine Abstriche bei der Qualität‘“, erklärt Ghoshal.
Diese Erkenntnis unterstützt Ghoshals Meinung, dass Unternehmen und Unternehmensführer einen wesentlichen Beitrag zur Gesellschaft leisten: „Ich denke, jeder von uns will einen Sinn in seinem Leben sehen und eine Antwort auf Fragen wie ‚Warum tue ich das? Wozu ist das gut?‘ geben können. Ich halte Unternehmen für extrem wichtig und bin der Meinung, dass man Unternehmensführung als Berufung betrachten kann, genau wie die Medizin. Sie bereichert unsere Welt.“