Teamwork im Wandel
Teamarbeit ist schon seit langem fester Bestandteil von Organisationsstrukturen. Inzwischen umfasst der Begriff jedoch mehr als nur die Teamarbeit innerhalb von Organisationen oder Unternehmen. Der neue Trend heißt Innovationsnetzwerke mit anderen Partnern als mit Lieferanten oder Kunden
Es gibt Hunderte von Athleten in der Welt, die in einer Sportart Großartiges leisten, aber nur relativ wenige, die einen olympischen Triathlon, das heißt 1.500 Meter Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer Laufen, in weniger als zwei Stunden schaffen. Auch in der Geschäftswelt des 21. Jahrhunderts hat sich gezeigt, dass diejenigen Unternehmen, die genau wie die „Allround“-Athleten ihre Talente auf mehreren Gebieten einsetzen, oft am erfolgreichsten sind – sowohl innerhalb ihrer eigenen Organisation als auch durch Zusammenarbeit mit anderen Firmen, wenn es darum geht, neue Märkte zu erobern. Ihren Erfolg verdanken sie in der Regel der Teamarbeit.
Teamarbeit in ihren unterschiedlichen Formen ist schon seit den 1960er Jahren fester Bestandteil von Organisationsstrukturen. Inzwischen umfasst der Begriff jedoch nicht nur Teamarbeit innerhalb einer Organisation, sondern auch Teamarbeit über deren Grenzen hinweg mit anderen Partnern, die ähnliche Interessen, Fähigkeiten und Ziele haben. In den letzten zehn Jahren hat sich die so genannte vertikale Zusammenarbeit, also die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette, überall durchgesetzt.
Bei der neuen Dimension von Teamarbeit, die nun zu beobachten ist, handelt es sich um eine organisationsübergreifende horizontale Zusammenarbeit. Diese Partnerschaft von Unternehmen, die weder Kunden oder Lieferanten sein müssen, ermöglicht den Ausbau der innovativen Fähigkeiten des jeweils anderen zum gegenseitigen Nutzen. Laut Forrester Research, einem führenden Marktforschungsunternehmen im Technologiesektor, sind diese „Innovationsnetzwerke“ die stärkste Kraft, um der globalen Forderung nach Innovation innerhalb des weltweiten Waren- und Dienstleistungsverkehrs nachzukommen. Der globale Wettbewerb übt einen intensiven Druck auf Unternehmen aus, ihr Innovationstempo zu beschleunigen und ständig neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu präsentieren. In einem solchen Klima kann es sich keine Firma leisten, für sich allein zu arbeiten.
„Im Rahmen von Innovationsnetzwerken können Firmen intern und extern verfügbare Erfindungs- und Innovationspotenziale flexibel nutzen, um so die Rentabilität ihrer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftskonzepte zu optimieren“, sagt das Marktforschungsinstitut voraus.
Das ist keineswegs Zukunftsmusik, meint Forrester Research. Cisco Systems beispielsweise besitzt die Erfindungen zu Produktkonstruktionen, wendet sich jedoch zur Umsetzung der Entwürfe in Endprodukte an Dritte. Ein anderes Beispiel für kollaborative Innovationsbemühungen ist das Konstruktions- und Ingenieurbüro IDEO, das bei der Entwicklung neuer Ideen mit den Kunden seiner Kunden zusammenarbeitet. Auch der Pharmagigant, Eli Lilly, tendiert in diese Richtung. Seine Forschungs- und Entwicklungsabteilung bestehend aus 6.000 Forschern arbeitet heute bei der Suche nach neuen Erkenntnissen, Tipps und Mängeln mit 25.000 freien Forschern aus 125 Ländern in einem Netzwerk zusammen. Früher konnte ein Unternehmen mit eigenen Erfindungen und eigenem Personal ein entsprechendes Vermögen aufbauen. Diese Zeiten sind vorbei, meint Raymond E Miles, Professor an der Haas School of Business der University of California in Berkeley. In seinem Buch Collaborative Entrepreneurship, das gerade bei Standford University Press erschienen ist, stellt er fest, das für Innovationen nutzbare Wissen sei eine mangelhaft ausgeschöpfte Ressource in unserer heutigen Wirtschaft. Die Unternehmen brauchen ein Mittel, um den Überfluss an Ideen, der ansonsten verloren ginge, aufzufangen. Sie müssten dafür eine Plattform schaffen. Er nennt das „Collaborative Communities“ (unternehmensübergreifende Gemeinschaften).
In diesen „Gemeinschaften“ baut man zusammen Wissen auf und tauscht Kenntnisse aus. Hier kann eine Idee, die für ein Unternehmen wirtschaftlich nicht nutzbar ist, einem anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, und beide profitieren von der Partnerschaft. So könnte sich etwa ein Hersteller von Robotern mit einem Mikrochipproduzenten zusammentun. In einer gemeinsamen, für alle Mitglieder zugänglichen Datenbank werden alle denkbaren Projektmöglichkeiten gespeichert. Wenn ein Unternehmen eine Idee entdeckt, die nützlich erscheint, wendet es sich an den Urheber der Idee und gründet mit diesem eine firmenübergreifende Projektgruppe, um das Konzept zum Vorteil beider Seiten weiterzuentwickeln.
Ein wenig utopisch klingt das schon, gibt Miles zu. „Es erfordert ein Maß an gegenseitigem Vertrauen, das in der Geschäftswelt oft fehlt“, meint er. „Meiner Ansicht nach müsste es jedoch möglich sein, Vertrauen zwischen Unternehmen aufzubauen, und zwar auf dieselbe Weise, wie die Mitglieder einer Familie, einer Klasse oder eines Wissenschaftslabors lernen, beim Informationsaustausch einander zu vertrauen.“
Unternehmen, die anderen Unternehmen ständig misstrauen, selbst solchen mit komplementären Geschäftskonzepten oder Fähigkeiten, und die ihr eigenes internes Wissenspotenzial nicht voll ausschöpfen, werden es schwerer haben, dieser Vision gerecht zu werden.
Bevor ein Unternehmen eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit anderen Firmen einleiten kann, sollte es zunächst die Kunst der Teamarbeit auf eigenem Territorium üben. „Teamarbeit ergibt sich nicht von selbst. Man muss aktive Schritte unternehmen, um sie aufzubauen“, sagt Miles. „Die meisten der üblichen Verhaltensmuster in einem Unternehmen stehen der Teamarbeit im Wege. Das Interesse an Investitionen zur Förderung von Teamarbeit ist eher schwach. Personal, das zum Beispiel an ein „Silodenken“ gewöhnt ist,
befürchtet, durch den Austausch von Ideen mit anderen Abteilungen oder Geschäftseinheiten im Unternehmen benachteiligt zu werden. Diese Einstellung wird oft durch ein Vergütungssystem verstärkt, das nicht die Gruppenleistung sondern die Einzelleistung belohnt.“
Die Technologie unterstützt heutzutage die Teamarbeit, ob unternehmensübergreifend oder innerhalb von Organisationen. Eine neue Generation von webbasierten Kooperationstechnologien ermöglicht es Firmen, mit ihren Partnern ungeachtet geografischer Entfernungen zusammenzuarbeiten und neue Produkte in Rekordzeit auf den Markt zu bringen, ohne sich finanziell zu ruinieren. Dank dem Internet können Mitarbeiter von Unternehmen, deren Rechnersysteme inkompatibel sind, über Websites kommunizieren, die eine gemeinsame Sprache sprechen. Daten werden nicht einfach von einem PC auf den anderen übertragen, sondern man spricht miteinander via Computer, schaut sich gleichzeitig dieselben Dokumente an, tauscht E-Mails aus oder benutzt virtuelle Whiteboards.
Miles betont jedoch, dass Technologie allein noch keine unternehmensübergreifenden Gemeinschaften aufbaut. „Der mangelnde Ideen- und Informationsaustausch liegt nicht daran, dass kein Computer, keine gemeinsame Datenbank oder kein Intranet vorhanden ist“, erklärt er. „Die technischen Möglichkeiten gibt es schon seit Jahren. Es ist oft so, dass die technischen Fortschritte den sozialen vorangehen. Nichts kann die notwendige Interaktion zwischen Menschen ersetzen.“
Was Partnerschaft bedeutet, müssen die Mitarbeiter erst einmal im eigenen Unternehmen erfahren, bevor sie sich als Teil einer unternehmensübergreifenden Gemeinschaft fühlen können. Laut Forrester Research sollten sich alle Beschäftigten als Erfinder betrachten. Abteilungsübergreifende Führungsteams, die das gesamte unternehmensweite Potenzial ausschöpfen können, um Ideen rasch in leicht zu vermarktende Innovationen umzuwandeln, ebnen den Weg für mehr Teamarbeit innerhalb und außerhalb der Organisation. Der Slogan „Der Kunde ist König“ kann auch hier zum Leitsatz werden: Die Berücksichtigung der Bedürfnisse führender Kunden kann einen Durchbruch vorantreiben.
In der Geschäftswelt braucht man keine olympischen Triathleten, um sich den Herausforderungen des Netzwerkzeitalters zu stellen, aber einige Lehren können die Unternehmen dennoch aus der Welt des Sports ziehen. Eine Mannschaft besteht nicht aus Einzelkämpfern, die alle auf dem gleichen Posten spielen und die gleichen Qualifikationen besitzen. Warum sollten für unternehmensinterne oder unternehmensübergreifende Teams andere Regeln gelten. Jedes Teammitglied verfügt über eigene, ganz spezielle Fähigkeiten, Kenntnisse und Kompetenzen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dieses gesamte Potenzial freizusetzen und eine geeignete Plattform dafür zu schaffen.