Technik mit Herz

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Erschöpft vom Zähneputzen? So sieht die Realität für Millionen von Patienten mit fortgeschrittenem chronischen Herzversagen aus, eine Krankheit, bei der das Herz langsam aufhört zu funktionieren. Jetzt dürfen diese Patienten wieder hoffen dank eines neuartigen mechanischen Kreislaufunterstützungssystems mit der Bezeichnung LionHeartTMMan traut sich nicht einzuschlafen vor lauter Angst, man würde nicht mehr aufwachen. Ein Mann in Deutschland, der an fortgeschrittenem chronischen Herzversagen litt, lebte mit dieser Angst, bis sein Leben durch ein medizinisches Wunder, genannt LionHeartTM – Left Ventricular Assist System (LVAS), eine völlig neue Qualität erhielt.
Das allgemein als Kunstherz bezeichnete LionHeart LVAS (LVAS=linksventrikuläres Assistenzsystem) ist jedoch eigentlich ein System, das zusammen mit dem natürlichen Herzen des Patienten arbeitet, indem es die Pumpfunktion des Herzens übernimmt. Es wurde im Rahmen einer siebenjährigen Zusammenarbeit zwischen der medizinischen Fakultät der Pennsylvania State University im Hershey Medical Center (Hershey, Pennsylvania) und Arrow International, weltweit führender Innovator und Hersteller von medizinischen Geräten mit Sitz in Reading (Pennsylvania), entwickelt.
Über 15 Millionen Menschen in der Welt leiden an chronischem Herzversagen, eine degenerative Erkrankung, bedingt durch die Unfähigkeit des Herzens, die peripheren Gewebe und die Lunge ausreichend mit Blut zu versorgen. Mit fortschreitender Krankheit fühlen sich die Patienten immer schwächer und sind schließlich kaum noch in der Lage, alltägliche Tätigkeiten auszuführen. In diesem Endstadium pendelt der Patient nur noch zwischen Bett und Stuhl und leidet unter Kurzatmigkeit und extremer Schwäche. Schon die einfache Handlung des Zähneputzens kann zu völliger Erschöpfung führen. Das einzige, was diese Patienten erwartet, sind Medikamente im Überfluss und zahllose Krankenhausaufenthalte ohne Hoffnung darauf, dass der Krankheitsverlauf je zum Stillstand kommen könnte.
Das „Löwenherz“ ist eine elektrisch betriebene Hilfspumpe, die in den Bauch des Patienten implantiert wird. Es bietet eine therapeutische Alternative für Patienten, die für eine Herztransplantation nicht in Frage kommen und auf Medikamente nicht mehr ansprechen. In dem neuen System transportiert eine motorgetriebene Pumpe Blut aus der geschwächten linken Herzkammer in die Aorta, die Hauptschlagader des Körpers.
Das erste klinisch eingesetzte voll implantierbare Kunstherzsystem LionHeart braucht zur Stromversorgung keine Kabel oder sonstige Verbindungen mehr, die durch die Bauchdecke des Patienten geführt werden müssen. Die Energiezufuhr erfolgt über eine Induktions- spule, die in einem chirur- gischen Eingriff unter die Haut eingepflanzt wird. Eine externe Senderspule, die der Patient bei sich trägt, ist an eine tragbare Stromversorgungsquelle angeschlossen. Dieses Verfahren eliminiert die Infektionsgefahr, die bei einem externen Kabelanschluss gegeben ist, und erhöht die Mobilität des Patienten.

Drei Jahrzehnte Forschung
Ein wesentlicher Teil der Forschung auf dem Gebiet der mechanischen Kreislaufunterstützung, die die Grundlage für Definition und Entwicklung des LionHeart bildete, ist in den letzten 30 Jahren bei Penn State betrieben worden. Gus Rosenberg, Ph.D., der bei Penn State für die Abteilung für künstliche Organe verantwortlich ist, und die Universitätsprofessorin für Chirurgie Jane E. Fetter leiteten das Team, das den fortschrittlichen Prototyp des späteren LionHeart-Systems entwickelte. Die Arbeit der am Projekt beteiligten stand unter dem Einfluss der beiden führenden Kunstherzforscher Dr. William Pierce und Dr. Walter Pae von Penn State.
„Unsere Hauptsorge galt stets der Zuverlässigkeit“ meint Rosenberg. „Das menschliche Herz schlägt 50 Millionen Mal pro Jahr. Das implantierte Gerät muss bei der Unterstützung des Blutstroms für jeden einzelnen dieser Herzschläge mit absoluter Präzision arbeiten.“
Arrow International kam Anfang der neunziger Jahre ins Bild. Als Hersteller von medizinischen Geräten mit breiter konstruktions- und produktionstechnischer Erfahrung im mechanischen Bereich unterstützte Arrow das Team bei der Verbesserung der Funktionalität des LionHeart-Systems sowie beim Aufbau von Produktionspotenzial und gezielter Vermarktung.
Wie Jim Thompson, Leiter der strategischen Planung und Kunstherzentwicklung bei Arrow, erklärt, war es der umfassenden Zusammenarbeit mit Penn State zu verdanken, dass LionHeart ein gänzlich aus Modulen zusammengesetztes System geworden ist. „Ursprünglich waren alle Teilsysteme fest miteinander verdrahtet“, sagt er. „Wir unterstützten das Penn State-Team bei der Entwicklung eines Systems mit modularem Aufbau, um den Austausch oder die Aufrüstung einzelner Teilsysteme zu erleichtern, falls nach der Implantation ein derartiger Bedarf anfällt.“
Arrow befasste sich auch mit der Entwicklung anderer Aspekte des Kunstherzsystems. Dazu gehörten unter anderem die für die Implantation erforderlichen chirurgischen Mittel. Das Ergebnis war ein Implantationssatz, der die LionHeart-Komponenten, spezielle chirurgische Instrumente sowie sämtliche vom Arzt und Patienten benötigte Teile umfasst.

Chance für ein besseres Leben
Die erste Implantation eines LionHeart erfolgte am 26. Oktober 1999 im Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oenhausen. Bei dem Patienten handelte es sich um einen 65-jährigen Ingenieur im Ruhestand. Seine Frau war Krankenschwester, ein Umstand, der ihn abgesehen von seinen medizinischen Voraussetzungen für die Implantation des Kunstherzsystems zu einem idealen Kandidaten machte. Der Patient lebt inzwischen seit über eineinhalb Jahren mit dem „Löwenherz“, das er liebevoll als „seinen besten Freund“ bezeichnet.

Versuchsreihe
Bis Ende 2000 hatten im Zuge des von Arrow und Penn State gesponserten klinischen Forschungsprojekts, das ganz Europa umfasst, zehn Patienten ein LionHeart eingepflanzt bekommen. Neben Bad Oenhausen nehmen die klinischen Einrichtungen Hôpital de la Pitié-Salpêtrière in Paris, die medizinische Fakultät der Universität Wien und das Berliner Herzzentrum an der Versuchsreihe teil. Im Februar 2001 genehmigte auch die amerikanische Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde FDA klinische Versuche mit dem LionHeart-System an Menschen. Im gesamten Jahr 2001 werden Patienten für die Versuchsreihe eingeschrieben. Obgleich die klinischen Versuche in vollem Gange sind, arbeiten Arrow und Penn State an weiteren Verbesserungen des Kunstherzsystems.
Angestrebt werden unter anderem eine kleinere Batterie mit längerer Lebensdauer, die Miniaturisierung von Komponenten sowie eine noch höhere Betriebssicherheit. „Wir möchten gerne die zu erwartende Lebensdauer des Systems auf mindestens zehn Jahre ausdehnen“, kommentiert Rosenberg. „Derzeit glauben wir, mit Ausnahme der Batterien eine Betriebssicherheit von bis zu vier Jahren sicherstellen zu können, bevor Komponenten ausgetauscht werden müssen.“
Die lebensverändernde Auswirkung des LionHeart-Systems lässt niemanden im Entwicklungsteam von Penn State und Arrow unberührt. „Es ist erstaunlich, wie schnell sich das Befinden der Patienten bessert“, meint Rosenberg. „Patienten mit chronischem Herzversagen sind so schwach. Ihre Haut ist grau und ihr Körper funktioniert einfach nicht mehr. Schon wenige Tage nach der Implantation des LionHeart sieht man einen drastischen Unterschied.“

Joyce Williams
Wirtschaftsjournalistin aus Kimberton, Pennsylvania, USA
Fotos Arrow International
Illustration Peter Forslund

 

 

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