Technische Kunststoffe für Käfige „nach Maß“
Polymerwerkstoffe ersetzen bei der Konstruktion von Wälzlagerkäfigen zunehmend die metallischen Werkstoffe. Bestimmend für diese Entwicklung sind die verbesserten mechanischen Eigenschaften der technischen Kunststoffe und die fertigungstechnischen Vorteile.
Das Spritzgießen von Käfigen läßt neue Möglichkeiten der Käfiggestaltung zu, durch die die Wälzkörperführung verbessert, das Laufgeräusch gedämpft und die Betriebstemperatur verringert wird.
Metallkäfige dominieren noch dort, wo hohe Temperaturen und aggressive Medien den Einsatz technischer Kunststoffe nicht zulassen. Bei der konstruktiven Gestaltung der Käfige müssen jedoch stets das Verhalten des Lagers und die Verfahren der Käfigherstellung berücksichtigt werden, was hin und wieder Kompromisse erfordert.
Stahlkäfige werden traditionell aus Tiefziehbandstahl gepreßt. Die Kontaktgeometrie zwischen Wälzkörpern und Käfig ist im Rahmen der Fertigungsmöglichkeiten optimiert. Die Käfigtaschen können scharfe Kanten aufweisen. Im umlaufenden Lager treten zwischen Wälzkörpern und Käfig hohe, ungedämpfte Stoßkräfte auf. Unter diesen Umständen kann der Schmierstoff nicht so im Lager verteilt sein, wie das für die Lagerfunktion optimal wäre. Schlimmstenfalls wirken die metallischen Käfigstege wie Abstreifer für den an der Wälzkörperoberfläche haftenden Schmierstoff.
Keine Einschränkungen
Die Herstellung eines Kunststoffkäfigs im Spritzgießverfahren erlaubt es dem Konstrukteur, sich ganz auf die Käfiggestaltung zu konzentrieren, ohne fertigungstechnisch bedingte Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen. Die Geometrie der Käfigtaschen kann so festgelegt werden, daß die Wälzkörper optimal geführt sind und sich zwischen ihnen und den Käfigstegen ein hydrodynamischer Druck aufbauen kann. Zusammen mit den guten Dämpfungseigenschaften und der Elastizität von Kunststoffen trägt das auch zur Verringerung des Laufgeräusches bei.
Richtige Schmierstoffverteilung wirkt sich direkt in einer niedrigeren Betriebstemperatur, geringerem Wälzkörper- und Laufbahnverschleiß, langsamerer Ermüdung und insgesamt längerer Lagergebrauchsdauer aus.
Im Vergleich zu Metallkäfigen bieten Kunststoffkäfige im Betrieb folgende Vorteile: geringeres Laufgeräusch, niedrigere Reibung, längere Wartungsintervalle und eine höhere Sicherheit gegen Blockieren aufgrund der optimierten Konstruktion.
Verfügbare Polymere
Weltweit produzieren mindestens 25 Chemiefirmen über 50 unterschiedliche Basispolymere. Daneben gibt es Firmen, die darauf spezialisiert sind, die Eigenschaften dieser Polymere durch Kombination mit verschiedenen Zusatzstoffen zu modifizieren.
Polymere Strukturen werden normalerweise entweder als amorph oder als teilkristallin gekennzeichnet, die weitere Unterteilung erfolgt nach dem jeweiligen Anwendungsbereich. In der Regel werden die Kunststoffe als Standard-, als technische oder als Hochleistungs-Kunststoffe klassifiziert.
Standardkunststoffe finden normalerweise Anwendung bei Raumtemperatur und geringen Belastungen. Diese Kunststoffklasse, zu der z.B. Polyvinylchlorid, Polyethylen und Polypropylen gehören, kommt für Wälzlagerkäfige nicht in Frage. Typischer Anwendungsbereich sind z.B Verpackungen, medizinische Einrichtungen, Behälter und Spielwaren.
Für höhere Temperaturen (bis 100 °C) und höhere Belastungen werden technische Kunststoffe eingesetzt. Geeignet hierfür sind Polyamide, Polycarbonate und Polybutylenterephthalate, die beispielsweise für Gehäuse, Büchsen und Fahrzeugkomponenten Verwendung finden.
Hochleistungskunststoffe sind Spezialkunststoffe mit höherer thermischer Beständigkeit bei Temperaturen über 100 °C und mit mechanischen Eigenschaften, die zumindest denen von technischen Kunststoffen entsprechen. Typische Anwendungen sind elektrische Stecker, Zahnräder, Schalter, Ventile, Gleitlager usw.
Welcher Kunststoff eingesetzt wird, ist nicht zuletzt auch eine Kostenfrage. Einfachere Kunststoffe kosten ca. 1,80 DM/kg, hochwertigere ca. 100 DM/kg.
Auswahl des Werkstoffs
Folgende Eigenschaften sind maßgebend dafür, ob sich ein Kunststoff als Käfigwerkstoff eignet:
- Obere Temperaturgrenze, THlim
Steifigkeit des Werkstoffs bei der höchsten Dauertemperatur
- Dehnung, eB
Größtmögliche Verformung von Käfig und Käfigstegen bei der Montage
- Schlagfestigkeit, acU
Stoßbelastungen während des Lagerbetriebs
- Dehnung nach Alterung, eBa
Chemische Beständigkeit gegenüber Schmierstoffen - Spannungsamplitude bei Wechselbiegung, ad
Anzeichen für WerkstoffermüdungAnders als bei Stählen hängen bei Kunststoffen die Eigenschaften stark von der tatsächlichen Betriebstemperatur, der Einwirkdauer, dem Spannungszustand und den umgebenden Medien ab. Beispielsweise fällt bei Temperaturen über 120 °C der Elastizitätsmodul von Polyamid 66 mit 25% Glasfaseranteil auf weniger als 50% des Wertes bei Raumtemperatur ab. Wegen ihrer mangelnden Steifigkeit bei höheren Temperaturen fanden deshalb Standardkunststoffe für Wälzlager keine Anwendung.Die Alterung von Kunststoffen aufgrund chemischer Einwirkungen von Schmierstoffen oder anderen Medien ist gekennzeichnet durch eine Änderung der maximalen Dehnung und/oder Spannung.
Als weiterer Parameter ist die Beständigkeit gegenüber umgebungsbedingter Spannungsrißbildung zu beachten. Da fast alle amorphen Kunststoffe dazu neigen, scheiden sie als Käfigwerkstoffe aus. Stattdessen rücken teilkristalline technische und Hochleistungs-Kunststoffe in den Mittelpunkt.
Festlegen von Standards
SKF hat Kunststoffe aus diesen beiden Gruppen auf ihre Eignung als Käfigwerkstoffe hin untersucht. Unter den teilkristallinen technischen Kunststoffen eignet sich demnach vor allem Polyamid in seinem mechanische Verhalten (statisch und dynamisch) und wegen seiner Beständigkeit gegenüber SKF Schmierstoffen am besten.
95% aller Kunststoffkäfige werden aus PA66-GF25 hergestellt. Verwandte Kunststoffe wie PA46 und ST-PA werden eingesetzt, wenn eine noch etwas bessere chemische Beständigkeit oder Schlagfestigkeit erforderlich ist, z.B. für Getriebe- oder Eisenbahnlager. Wenn Alterungsbeständigkeit bei höheren Temperaturen gefragt ist, wird normalerweise PEEK-GF15 vorgesehen.
In Versuchen wurden die oberen Temperaturgrenzen für den Einsatz der von SKF bevorzugten Kunststoffe ermittelt. Ausgehend von der chemischen Beständigkeit gegenüber verschiedenen Schmierölen und -fetten wurden zulässige Betriebstemperaturen im Dauerbetrieb als Richtwert für die Auswahl von Kunststoffen für Lagerkäfige festgelegt.
Die Alterung von Kunststoffen hängt aber stets von der tatsächlichen Betriebstemperatur und der Einwirkdauer ab.Beispielsweise kann für einen Käfig aus PA66-GF25 in Anwesenheit von „milden“ Schmierstoffen bei 240 °C Betriebstemperatur mit einer Lebensdauer von maximal zehn Stunden gerechnet werden, während bei einer Temperatur unter 100 °C die Lebensdauer mehr als tausendmal höher ist. Im Vergleich dazu geht die Lebensdauer bei Einwirkung „aggressiver“ Schmierstoffe wie etwa Getriebeölen im schlimmsten Fall auf ein Zehntel der genannten Werte zurück.
Herausforderungen der Zukunft
Die gegenwärtige Entwicklung stellt an das Betriebsverhalten von Lagerkäfigen hohe Anforderungen. In vielen Anwendungsfällen können Dauertemperaturen bis 150 °C erreicht werden. Unter diesen Bedingungen kommen Käfige aus PA66 bei Einwirkung aggressiver Schmierstoffe derzeit nicht in Betracht. Daher sind für Lagerungen in Automobil- oder Industriegetrieben, Lastkraftwagen und bestimmten Strömungsmaschinen Lager mit Metallkäfigen nach wie vor erste Wahl.
Obwohl Polyetheretherketon (PEEK) bei hohen Temperaturen in seinen Eigenschaften als Käfigwerkstoff mit metallischen Werkstoffen vergleichbar ist, schließt sein hoher Preis einen praktischen Einsatz aus. Zur Zeit läuft die Entwicklung von Kunststoffen, die in etwa mit PEEK vergleichbare Eigenschaften zum Preis von PA66 aufweisen. Sie könnten damit die Kluft zwischen Betriebsverhalten und Kosten überbrücken.Vedran Tadic,
SKF Engineering & Research Centre B.V. (ERC),
Nieuwegein, Niederlande