Terry Garrison

Andrew Rosenbaum

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Aufprall der KulturenIm September 1993 verkündeten Volvo in Schweden und Renault in Frankreich ihre Fusionsabsichten. Die Verbindung wurde von Experten der Automobilindustrie in den höchsten Tönen gepriesen und als „Traumehe“ dargestellt. Diese beiden Automobilkonzerne würden zusammen zum weltweit größten Hersteller von Personen- und Lastkraftwagen werden, wodurch gewaltige Kosteneinsparungen erzielt werden könnten.
Dennoch wurde nichts aus dem Geschäft. Die ablehnende Haltung der Volvo-Aktionäre einerseits und der französischen Gewerkschaften andererseits brachte schließlich die Fusionspläne zu Fall.
Tatsächlich waren es kulturelle Faktoren, die einer Fusion im Wege standen. Dies behauptet jedenfalls Terry Garrison in seinem Buch International Business Culture (Elm Publications, Cambridge, zweite Auflage 1998). „Die Volvo-Aktionäre in Schweden sahen in der Fusion eine Auferlegung ausländischer Kontrolle“, meint Garrison, „während die Renault-Arbeiter, die französische Regierung und viele Aktionäre in Frankreich Renault für etwas besonderes hielten, ein in staatlichem Besitz befindliches Musterbeispiel für die Integration von Arbeitern und Management, das unbedingt erhalten bleiben sollte. Diese kulturellen Werte siegten schließlich über wirtschaftliche Überlegungen.“
Für Garrison ist die mißglückte Renault-Volvo-Fusion typisch für die Art und Weise, wie bei grenzüberschreitenden Geschäften kulturelle Faktoren ignoriert werden. Kultur ist Garrisons Geschäft. Genauer gesagt hat Terry Garrison einen großen Teil seiner beruflichen Laufbahn der Frage gewidmet, auf welche Weise kulturelle Faktoren internationale Geschäfte beeinflussen.
Garrison selbst ist allerdings ein eigentlich wenig überzeugender Vorkämpfer für multikulturelle Fragen. Mit seinem klassischen englischen Anzug sieht er eher wie ein typischer Oxford-Dozent aus, und seine Sprache zeichnet sich durch jene feinen Nuancen aus, wie sie für die Akademiker dieser altehrwürdigen Lehranstalt charakteristisch sind.
Dennoch hat Garrison wenig mit diesem Klischee gemeinsam. Nach seinem Oxford-Examen in Russisch und Deutsch studierte er Verwaltungswesen an der Universität von Brunel in Großbritannien sowie Internationales Marketing in Cambridge. Später reiste er dann als Exportmanager für Glaxo Laboratories und der International Publishing Corp. in der Welt herum und machte Geschäfte mit anderen Kulturen.
Garrison begann 1970, am Slough College of Higher Education Management zu unterrichten. 1990 wechselte er zum Henley Management College über, wo er heute die Fakultät für Internationales Management leitet. Zu seiner Aufgabe gehört die Analyse der Probleme von interkulturellen Geschäften aus strategischer Sicht. Er unterrichtet weltweit mit Hilfe von Henleys MBA-Fernstudiumprogramm.
Garrison arbeitet nach einem interdisziplinären Konzept. „Zu den Gebieten, mit denen ich mich befasse, gehören die Anthropologie, die Soziologie, die Psychologie, Wirtschaftswissenschaften und Politik“, erklärt er, „aber ein rein wissenschaftlicher Ansatz wäre zu begrenzt. Ich arbeite mit angewandten Lösungen, nicht nur mit Forschung.“

Die erste Lösung, die Garrison in seinem Buch beschreibt, ist das „Eisberg“-Modell. Die Spitze des Eisbergs bilden die eher oberflächlichen Erscheinungsformen einer Kultur – wie die Menschen miteinander reden, welche Sprache sie sprechen, wie die Gesellschaft funktioniert: Gehen die Züge dort nach Fahrplan? Wie werden die Arbeitnehmer behandelt. Derartige Fragen geben Aufschluß darüber, wie das Leben in dieser Kultur abläuft.“
Unter dieser Spitze liegt jedoch das Fundament des Eisbergs – die historischen, gesellschaftlichen und religiösen Faktoren, die das steuern, was sich an der Oberfläche manifestiert. Dazu gehören die Besitzstrukturen der Unternehmen eines Landes sowie dessen religiöse, politische und wirtschaftliche Systeme, die Ressourcenverteilung dieses Landes und die entscheidenden geschichtlichen Ereignisse.
„Das Ergebnis gibt uns die Möglichkeit, eine andere Kultur aus einer globalen Sicht zu betrachten“, führt Garrison weiter aus. „Sind Ihre ausländischen Kollegen selbstbewußt oder ambivalent? Lautstark oder zurückhaltend? Stolz oder demütig? Aktiv oder passiv? Aggressiv oder defensiv? Leicht zu überreden oder nicht von ihrem Standpunkt abzubringen? Vieles hängt natürlich von der Psyche der jeweiligen Personen und der speziellen Kultur des Unternehmens, für das sie tätig sind, ab, aber vieles wird auch von dem kulturellen „Fundament“ des Landes beeinflußt.“ Wer beides versteht, wird leichter in der Lage sein, mit ihnen zusammenzuarbeiten, meint Garrison.
Um dieses Verständnis zu erlangen, hat Garrison den „Dreieckstest“ erfunden. Er wird in Situationen eingesetzt, in denen ein interkulturelles Team gemeinsam eine Aufgabe lösen soll, etwa wenn es um eine internationale Fusion oder um eine Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen geht. Die Leute, die sich mit einer solchen Situation auseinandersetzen, kommen aus verschiedenen Ländern und müssen lernen, zusammenzuarbeiten.
Garrison versieht jedes Mitglied des Teams mit drei Gruppen von Behauptungen, die Meinungsverschiedenheiten hervorrufen. Die jeweilige Gegenseite bewertet jede Behauptung auf einer Skala von eins bis fünf, die sich von „Ich stimme völlig zu“ bis „Ich bin gänzlich anderer Meinung“ erstreckt. Die Bewertungen zeigen, welche der Behauptungen in der betroffenen Situation von großer Bedeutung sind. Die Bewertungen werden auf einem Dreieck angeordnet (siehe Abbildung) und durch eine Linie miteinander verbunden. Daraus ergibt sich für jedes nationale Unternehmen in der jeweiligen Partnerschaft ein ganz spezielles Muster. Anhand des Vergleichs der Muster kann Garrison feststellen, wo Übereinstimmungen zu erkennen sind und – vor allem – wo mit großer Wahrscheinlichkeit potentielle Konflikte lauern. Es ist ein äußerst praktisches, empirisches Verfahren zur Lösung von Managementproblemen.
Auf diese Weise läßt sich auch die Reaktion auf Veränderungen testen. „Hätte Volvo den Dreieckstest bei den Arbeitern von Renault angewandt, bevor die Fusionspläne veröffentlicht wurden, hätte man verstanden, daß eine heftige Reaktion auf diese Pläne unvermeidlich war“, sagt Garrison.
Der große Vorteil des Dreieckstests besteht darin, daß er praktische und klare Richtlinien für die Bewältigung von kulturellen Unterschieden aufzeigt. „Er macht die Probleme leichter verständlich“, erklärt Garrison. „Es handelt sich nicht um strikte Sozialwissenschaft, aber er funktioniert.“
Garrison hat bereits als Berater für Motorola, Sony, BASF, The Bank of New York, British Gas und viele andere Unternehmen gearbeitet. „Da die Globalisierung immer weiter fortschreitet, nehme ich an, daß ich noch viel zu tun bekommen werde“, meint er. Als Gastprofessor an der Turin Business School und am Centre de Recherches des Cadres in Paris wird er dazu reichlich Gelegenheit erhalten.
„Die Welt ist voll von ,fundamentalen‘ kulturellen Unterschieden, die immer mehr besorgten Führungskräften erklärt werden müssen“, sagt Garrison und lacht. „Ihnen bleibt keine andere Wahl. Sie müssen das ,globale Dorf‘, in dem wir leben, besser verstehen lernen“.

Andrew Rosenbaum

Wirtschaftsjournalist in London

Fotos John Cole

 

 

 

 

 

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