Digitale Technologie

Mit einem Klick das richtige Lager

Wenn hoch entwickelte Lagerkalkulationstools in die Konstruktions- und Simulationssysteme integriert werden, können Ingenieure schneller und effizienter arbeiten.

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Werden virtuelle Welten das nächste große Ding? Einige einflussreiche Vertreter der Technologiebranche sind davon überzeugt. Das Technologieunternehmen Meta, Eigentümer von Facebook, Instagram und WhatsApp, investiert jährlich rund 15 Milliarden US-Dollar (14,2 Milliarden Euro) in die Entwicklung der Vision des Unternehmensgründers Mark Zuckerberg, „Metaverse“. Dabei handelt es sich um einen virtuellen Raum, in dem Menschen einander zum Arbeiten, Spielen oder Shoppen treffen.

Für Konstrukteure ist der Gedanke, dass wir alle mehr Zeit in virtuellen Umgebungen verbringen werden, allerdings nichts Neues. Sie bewegen sich schon seit Jahren in diese Richtung. Leistungsstarke Rechner und hoch entwickelte Simulationsprogramme ermöglichen, dass viele unserer heutigen Produkte komplett virtuell konstruiert, zusammengebaut und getestet werden, bevor auch nur ein einziges Bauteil gefertigt worden ist.

Virtual Engineering auf dem Vormarsch

Virtual Engineering hat zahlreiche Vorteile. So können Ingenieure schneller arbeiten, mehr Optionen prüfen und mehr Tests durchführen, ohne den Zeit- und Kostenaufwand für die Herstellung physischer Prototypen zu erhöhen. Für Lieferanten von Maschinenbaukomponenten stellt die Virtualisierung jedoch auch eine interessante Herausforderung dar.

Sie machen die Berechnungen schneller und einfacher. Die Tools ermöglichen den Kunden den Zugang zu komplexeren Verfahren als die herkömmlichen Katalogmethoden.

Hedzer Tillema, Produktleiter Engineering Software bei SKF.

Die Verfahren, mit denen Ingenieure in der Regel Lager auswählen, sind zum Beispiel eine Aufgabe, die in vielen mechanischen Konstruktionen anfällt. Hier sogleich die richtige Entscheidung zu treffen, kann den Unterschied zwischen einer zuverlässigen, leistungsstarken und einer kostspieligen, mangelhaften Konstruktion ausmachen. Die etablierten Prozesse zur Lagerwahl wurden jedoch in einer Zeit entwickelt, als Zeichenbrett und Telefon noch die üblichen Hilfsmittel waren.

„Es gibt zwei herkömmliche Methoden für die Wahl eines Lagers mit den richtigen Leistungsmerkmalen und der optimalen Nutzungsdauer für die jeweilige Anwendung“, erklärt Hedzer Tillema, Produktleiter Engineering Software bei SKF. „Man kann die Gleichungen aus den Katalogen von SKF und anderen Lageranbietern benutzen oder man kann sich an einen Anwendungsingenieur des Lieferanten wenden, der Zugriff auf proprietäre Daten und Berechnungstools hat.“

Beide Methoden funktionieren immer noch, aber in unserer heutigen vernetzten digitalisierten Welt gibt es auch andre Möglichkeiten. „Wir bieten seit vielen Jahren eine Reihe von On- und Offline-Software-Tools an, die unsere Kunden bei ihren Berechnungen zur Lagerwahl unterstützen“, sagt Tillema. „Sie machen die Berechnungen schneller und einfacher. Die Tools geben den Kunden Zugang zu Verfahren, die komplexerer sind als die herkömmlichen Katalogmethoden.“

Produktivitätsschub

Hedzer Tillema, Produktleiter Engineering Software bei SKF.

Allerdings wirken selbst Online-Kalkulationstools angesichts der zunehmenden Komplexität der Konstruktionssoftware etwas plump. „Wir haben gemerkt, dass viele unserer Kunden ihre eigenen bevorzugten Konstruktionstools und Arbeitsabläufe haben“, erklärt Tillema. „Die Konstrukteure arbeiten die meiste Zeit mit ihnen, sie fühlen sie sich am wohlsten dabei und sind am effizientesten. Warum sollte man sie dazu zwingen, für die Lagerwahl das Gewohnte zu verlassen und auf ein völlig anderes Tool umzusteigen?“

Um der Notwendigkeit einer rationelleren Arbeitsweise Rechnung zu tragen, bietet SKF jetzt integrierte Kalkulationsdienstleistungen zur Lagerwahl an, die nahtlos mit einer Reihe von unterschiedlichen Konstruktionssoftware-Plattformen funktionieren. Mit ihren eigenen, in diese Plattformen integrierten Produktdaten und Berechnungsmethoden können die Konstrukteure ein geeignetes Lager innerhalb ihrer gewohnten Produktentwicklungsumgebung auswählen und bewerten.

Nahtlose Simulation

Integrierte Kalkulationsdienstleistungen zur Lagerwahl vereinfachen und beschleunigen zwar den virtuellen Konstruktionsprozess; aber das virtuelle Testen ist eine noch komplexere Aufgabe. „Um die Zeit bis zur Markteinführung zu verkürzen, wollen unsere Kunden ihre Konstruktionen zunehmend mit größerer Genauigkeit und in einem früheren Stadium der Produktentwicklung simulieren“, so Tillema. „Im Maschinenbau nennen wir das den ‚Shift Left‘ (Linksverschiebung).”

Wenn die Lager in einer Konstruktion ein kritisches Bauteil ausmachen, wie es oft bei Motoren oder Getrieben der Fall ist, hängt eine erfolgreiche Simulation davon ab, wie präzise und detailliert das Lager dargestellt wird. „Die Modellierung von Lagern ist aber ein komplexer Prozess“, betont Tillema. „Lager sind von Natur aus nicht-linear und müssen sehr hohe Kontaktdrücke bewältigen. Das Verhalten eines Lagers kann auch von kleinsten Unterschieden in der Geometrie beeinflusst werden. Diese Mikrogeometrie ist geistiges Eigentum der Lagerhersteller, die darüber oft keine Informationen preisgeben möchten.“

Diese Besonderheiten machen die Lagersimulation zu einem frustrierenden Prozess. „Kunden, die Finite-Elemente-Tools verwenden, stehen in der Regel vor zwei Wahlmöglichkeiten“, fährt Tillema fort. „Entweder sie entscheiden sich für ein stark vereinfachtes Modell, bei dem ein Lager als einfacher starrer Ring dargestellt wird, oder sie versuchen es mit einem detaillierteren Modell, ohne alle Einzelheiten der Konstruktion zu kennen. Egal, welchen Weg man wählt, die Ergebnisse sind häufig unzuverlässig.“

Ein mit ANSYS simuliertes Getriebe.

Dafür gibt es eine App

Inzwischen gibt es eine andere Möglichkeit. Zur Lösung dieses Simulationsdilemmas sind neue integrierte Dienstleistungen entwickelt worden, die schneller bessere Ergebnisse liefern als die derzeitigen Methoden. Die Daten- und Kalkulationsdienste von SKF sind für eine ständig wachsende Anzahl von beliebten Simulationstools verfügbar, darunter seit Neuestem auch für das Finite-Elemente-Modellierungssystem ANSYS.

„Diese Integrationen arbeiten je nach Host-System alle ein wenig unterschiedlich“, erklärt Tillema. „Aber die grundlegenden Prinzipien sind die gleichen.“ Sie basieren auf einer nahtlosen, im Hintergrund ablaufenden Interaktion zwischen der Simulationsplattform und den Cloud-Servern von SKF.

Bei ANSYS zum Beispiel wählen die Nutzer zunächst mit einem bedienerfreundlichen Assistenten ihr gewünschtes SKF Lager aus. Dieses Lager wird in ihrem Modell als konfiguriertes Objekt dargestellt. Statt sich jedoch nur auf Mutmaßungen oder grobe Annäherungswerte zur Bestimmung der physischen Merkmale des Lagers zu verlassen, kommuniziert die App mit dem SKF Server, um eine präzise Darstellung der Steifigkeit des wirklichen Lagers zu erhalten.

Mit diesem auf realistischen Lagereigenschaften basierenden Modell können die Kunden nun ihre Simulationen durchführen, um die Leistung der kompletten Konstruktion zu bewerten. „Unsere Berechnungen betrachten detailliert die Berührungspunkte zwischen Wälzkörpern und Lagerlaufbahnen sowie alle Einzelheiten der Mikrogeometrie“, erläutert Tillema. „Wir entlasten das System des Nutzers, indem wir die Lagersimulation selbst übernehmen.“

Die SKF Bearing App für ANSYS kann rund 10.000 Standardlager des SKF Sortiments simulieren. Ihre Daten werden kontinuierlich aktualisiert, um den Nutzern stets Zugriff auf die neuesten präzisen Informationen zu ermöglichen. Die App ist für zwei Modellierungsarten ausgelegt, die eine ist für statische Analysen optimiert und die andere für dynamische Analysen, bei denen Oberschwingungen oder Vibrationen wichtige Aspekte sind.

Detail der SKF Bearing App für ANSYS.

Integration von KI

Dank integrierter Dienste und Apps können Konstrukteure mit ein paar Mausklicks Lager wählen und simulieren. Demnächst soll dieser Prozess noch einfacher werden. „Bisher lag unser Fokus auf der Rationalisierung bestehender Methoden“, sagt Tillema. „Wir arbeiten aber auch an völlig neuen Konzepten für das Problem der Lagerwahl. Dabei nutzen wir die Möglichkeiten von modernen rechnerischen Optimierungsverfahren.“

Bei diesem nächsten Schritt würden Workflows geschaffen, die die notwendigen Entscheidungsprozesse zur Wahl des optimalen Lagers für eine bestimmte Aufgabe automatisieren. SKF entwickelt zurzeit Tools, die Daten zu Lasten, Drehzahlen und anderen Betriebsparametern auswerten und entsprechend nutzen können, um aus Tausenden von Optionen im Sortiment von SKF die am besten geeigneten Produkte zu finden. Die erste Anwendung dieser Technologie kam kürzlich als neue Eigenschaft des SKF Online-Tools SKF Bearing Select auf den Markt, mit der sich die Lagerwahl für Elektromotoren automatisieren lässt.

Mit der Integration von immer komplexerem Fachwissen in die Tools, die Ingenieure tagtäglich verwenden, lässt sich schneller, einfacher und präziser arbeiten. Das dürfte zu besseren und zuverlässigeren Produkten für den Endnutzer führen. Den Ingenieuren bleibt dann vielleicht sogar ein wenig Zeit, die sie im Metaverse verbringen können.

Simulation in gewohnter Umgebung

Die Cloud-Dienste von SKF bieten präzise aktuelle Informationen zur Lagerleistung und -steifigkeit für eine breite Palette von Konstruktionstools. Kunden können mit diesen Diensten zentrale Leistungsparameter wie Lagernutzungsdauer, Reibung, Fettgebrauchsdauer und Nachschmierfristen sowie statische Sicherheit und Mindestbelastung berechnen. Neben der ANSYS-Integration sind auch integrierte Lagerleistungsberechnungen für die Simulationsplattformen KISSsoft, MASTA, Romax, Mesys und FVA Workbench verfügbar.

Die Fähigkeiten dieser Software-Integrationen werden kontinuierlich erweitert und ausgebaut, ebenso wie die Konzepte für neue Plattformen, darunter kundeneigene interne Produktentwicklungsumgebungen.

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