Tief im Süden
Methanolproduktion
Eine Reise zu Juan Hernandez, den Besitzer vom „Haus der Wälzlager“ in Punta Arenas, Chile. Er ist der südlichste SKF VertragshändlerCasa del Rodamiento ist nicht gerade der größte SKF Vertragshändler, aber vielleicht der ungewöhnlichste. Das Geschäft befindet sich an der Ecke einer verkehrsreichen Straße in Punta Arenas, einer stürmischen Stadt am Südzipfel Chiles, die näher an der Antarktis als an der Hauptstadt Santiago gelegen ist. Der Kundenkreis umfaßt die ganze Palette vom einfachen Krabbenfischer bis zum größten Methanolproduzenten der Welt.
Die Entfernung zu Santiago im Norden beträgt 3.140 Kilometer. Punta Arenas ist ein abgelegener Ort, wo eisige Winde Geschwindigkeiten von bis zu 120 Stundenkilometer erreichen. Die Wirtschaft stützt sich auf die Ölindustrie sowie auf Schafzucht und Fischfang. Trotz der spärlichen Einwohnerzahl von 120.000 erfreut sich „Casa del Rodamiento“ oder das „Haus der Wälzlager“, wie es auf Deutsch heißen würde, eines stetigen Zustroms an Kunden.
„Dieses Geschäft ist für mich mein ein und alles“, erzählt Juan Hernandez. Der 72jährige hat das Unternehmen vor zwei Jahrzehnten gegründet, nachdem er sich von seiner ersten Tätigkeit als Viehhändler hatte pensionieren lassen. Hernandez kam auf die Idee, als er ein Jahr lang in einer elektrischen Werkstatt arbeitete und dort Wälzlager aus einem Regal in der Ecke verkaufte. Da er unbedingt unabhängig werden wollte, nahm er 200.000 Pesos (rund 8.500 DM oder 4.300 Euro) von seiner Pension und kaufte einen Bestand an SKF Lagern, mit dem er sein Geschäft 1979 in einem winzigen Ladenlokal eröffnete.
„Das Geschäft war so klein wie eine Streichholzschachtel, und es kam nur ab und zu mal ein Kunde. Ich fing an, ziemlich nervös zu werden“, erinnert sich Hernandez. Bald aber sprach es sich herum, und der Absatz an Lagern und Dichtungen nahm zu. Dies veranlaßte Hernandez, in seinen Lagerbestand zu investieren. Im ersten Jahr erreichte er einen Umsatz von umgerechnet 850 DM. Heute beläuft sich sein Jahresumsatz auf 17 Millionen Pesos (rund 720.000 DM oder 367.000 Euro).
„Ich kann mich nicht beklagen“, meint der adrett und jugendlich aussehende Hernandez, der mit den Gewinnen der vergangenen Jahre das Gebäude, in dem „Casa del Rodamiento“ untergebracht ist, sowie drei weitere Häuser, zwei Autos und einen Traktor gekauft hat. Zu seinen vier Angestellten gehören eine Tochter und zwei Schwiegersöhne.
Neulich, an einem grauen, regnerischen Montag, bestand der Kundenkreis aus einem Krabbenfischer, einem Busfahrer, einem Angestellten von einer Fähre und einem Geschäftsführer eines Unternehmens. „Zuerst kamen wir hierher wegen der Preise, aber dann wurde es zur Gewohnheit“, erzählt der Fischer Heraldo Vera, der ein Wälzlager für eine Pumpe auf seinem Boot benötigt. Vera fängt mit seinem 11 Meter langen Kutter rund 50 Kilogramm Königskrabben, auch Centollas genannt, pro Tag.
„In Punta Arenas gibt es zwei Dinge, die man unbedingt tun sollte: sich an Krabben richtig satt essen und die Fußspitze des Indianers auf der Plaza küssen“, sagt der spanische Tourist Pedro Martin. Einer örtlichen Legende zufolge muß derjenige, der zurückkehren möchte, das Denkmal des portugiesischen Seefahrers Fernando Magellan auf dem zentralen Platz der Stadt besuchen und die Fußspitze der Bronzestatue Ona Indian küssen.
Methanolproduktion
Während viele die Lage der Stadt am Fuße der Anden am Ende der Welt als Nachteil empfinden würden, betrachtet Methanex, der weltweit größte Hersteller von Methanol, dies wegen der Nähe von zwei Ozeanen als Vorteil. Die beiden Methanex-Werke in Punta Arenas haben mit 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr die höchste Methanolproduktion der Welt. Ein drittes Werk soll 1999 in Betrieb genommen werden. Der größte Teil der bei Methanex verwendeten Produktionsanlagen besteht zwar aus hochentwickelten Maschinen, aber die im Fertigungsprozeß eingesetzten Pumpen werden immer noch mit Wälzlagern von Hernandez‘ Geschäft bestückt – aus reiner Bequemlichkeit angesichts der abgeschiedenen Lage.
Methanex bezieht sein Erdgas von National Petroleum Company (ENAP), ein weiterer wichtiger Kunde, der die schnelle Lieferung von SKF Wälzlagern und – Dichtungen zu schätzen weiß, wenn Hernandez sie einmal nicht vorrätig hat.
Zu Beginn war ENAP gezwungen, sämtliche Komponenten für die Bohrinseln aus dem Ausland zu importieren. Später bestellte das Unternehmen alles bei SKF in Santiago. Heute bezieht es 70 Prozent seines Bedarfs an Wälzlagern und Dichtungen von Casa del Rodamiento. „Hernandez hilft uns bei der Lösung zahlreicher Ersatzteilprobleme“, meint der Importleiter von ENAP Gregorio Saez.
Aufgrund der schlechten Straßen, eisigen Wetterverhältnisse und harten Arbeitsbedingungen besteht ein ständiger Bedarf an Ersatzteilen, Wälzlagern und Dichtungen. In der Holzindustrie müssen Bäume mitten im Winter gefällt werden, weil sonst der Boden durch die Schneeschmelze so aufgeweicht ist, daß Forstmaschinen und Baumstämme im Schlamm steckenbleiben. Der Straßenbau muß dagegen im Sommer erfolgen, weil sich bei Wintertemperaturen von durchschnittlich minus 9° Celsius der Beton nicht entsprechend festigen kann. Was diese Branchen dagegen gemeinsam haben, ist, daß beide von einer guten Ersatzteillieferung abhängig sind.
„Manchmal ist es das kleinste Lager, das die größten Probleme verursacht und alles zum Stillstand bringt“, sagt Pedro Vicente, Manager der Baufirma Ingenieria Civil Vicente.
Das Unternehmen hat 80 schwere Baumaschinen und Traktoren für den Straßenbau im Einsatz und bezieht von Hernandez etwa 1.000 Lager pro Jahr.
Es sind allerdings die nicht befestigten Straßen, die für die Autovermietung National Car Rental in Punta Arenas das größte Problem darstellen. Das Unternehmen besitzt rund 300 Fahrzeuge, die von Firmen und Privatpersonen der Gegend gemietet werden können. Luis Cabezas von National Car Rental ist bei Casa del Rodamiento Dauerkunde. Er kauft dort alle Ersatzteile für das Unternehmen.
„Die Straßen sind schlecht und machen ständig die Lager kaputt, vor allem weil die Fahrer nicht besonders vorsichtig mit den Wagen umgehen, da sie nicht ihr Eigentum sind“, meint Cabezas.
Elisabeth Love
Journalistin in Santiago
Fotos Helen Hughes