Ingenieurswissen

Neue Erkenntnisse zur Reduzierung von Schäden durch elektrische Entladungen in Motorlagern für Elektrofahrzeuge

Grundlagenstudie eröffnet Möglichkeiten zur Verringerung von Elektroerosion in Motorlagern für Elektrofahrzeuge.

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Angesichts der weltweiten Energiekrise und der wachsenden Sorge um die globale Erwärmung haben Elektrofahrzeuge aufgrund ihrer höheren Effizienz, Leistungsdichte und schnellen Beschleunigung im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor erheblich an Attraktivität gewonnen [1]. Allerdings stellt sich hier das Problem von Schäden durch elektrische Entladungen, allgemein bekannt als Elektroerosion, da parasitäre Ströme durch die Lager von Elektromotoren fließen [2–4]. Nicht zirkulierende und zirkulierende Lagerströme tragen zur Elektroerosion bei und haben schädliche Auswirkungen wie lokales Schmelzen der Lageroberflächen, Verschlechterung des NVH (Noise, Vibration, Harshness)-Verhaltens, Schmierstoffalterung und vorzeitige Lagerausfälle [4]. Morphologische Schäden an der Lageroberfläche, wie zum Beispiel Mattierung, Graufleckigkeit (Pitting) und Riffelbildung, beeinträchtigen die Motorleistung eines Elektrofahrzeugs erheblich [4–6]. Die aktuelle Forschung konzentriert sich in erster Linie auf die Analyse des ganzen Lagers, aber die grundlegenden Vorgänge bei elektrischen Entladungen sind sehr komplex, da es viele voneinander abhängige Parameter gibt, die sich auf das elektrische Entladungsverhalten auswirken [7,8]. Zum besseren Verständnis dieser Zusammenhänge hat man bei SKF elektrische Entladungsversuche an einem einzelnen Kugel/Scheibe-Kontakt bei elastohydrodynamischer Schmierung durchgeführt. Die Studie ergab, dass es von der Filmdicke abhängige Elektroerosionsphänomene gibt, die sich durch ein neues Einzelentladungsenergiemodell belegen lassen. Dieses neu entwickelte Modell dient als Grundlage für vorgeschlagene Maßnahmen zur Verhinderung oder Verringerung der Elektroerosion in Motorlagern für Elektrofahrzeuge.

Studie über einen einzelnen Kugel/Scheibe-Kontakt liefert neue Erkenntnisse über das elektrische Entladungsverhalten

Das Hauptziel dieser Untersuchung ist es, das elektrische Entladungsverhalten in Motorlagern für Elektrofahrzeuge zu analysieren und zu verstehen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Untersuchung eines einzelnen Kugel/Scheibe-Kontakts unter elastohydrodynamischen (EHD) Schmierbedingungen. Durch die Beschränkung auf einen einzigen Kontaktpunkt sollen die grundlegenden Faktoren isoliert und analysiert werden, die das elektrische Entladungsverhalten beeinflussen. So sollen wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der komplexen Dynamik gewonnen werden, die zur Elektroerosion in Motorlagern für Elektrofahrzeuge beitragen.

Im Vergleich zu einem vollständigen Lagertest bietet eine einzelne Kugel/Scheibe-Prüfvorrichtung eine bessere Kontrolle über die elektrischen und schmiertechnischen Bedingungen. Mit einem handelsüblichen kleinen Kugel/Scheibe-Tribometer (MTM) von PCS Instruments (Bild 1), das eigentlich zur Messung von Reibung bei geschmierten und nicht geschmierten Kontakten entwickelt wurde, lassen sich genaue Versuche durchführen. Zur Simulation der elektrischen Entladungen in Motorlagern für Elektrofahrzeuge wurde die MTM-Prüfvorrichtung mit einer selbst entwickelten Impulsantriebseinheit (PDU) ausgerüstet (Bild 1). Diese Impulsantriebseinheit erzeugt elektrische Impulse mit variabler Frequenz und einstellbarer Amplitude, die den realen Betriebsbedingungen von Elektrofahrzeugen sehr ähnlich sind. Die realen Einsatzbedingungen eines E-Motors mit hochfrequentem/r Wechselstrom/-spannung (AC) von über 10 kHz werden so mit einer von der Impulsantriebseinheit erzeugten Spannung von 12,5 kHz nachgebildet.

Bild 1: Schematische Darstellung der Kugel/Scheibe-Prüfvorrichtung

Wichtigste Ergebnisse

1) Typisches Entladungssignal
Bild 2 zeigt ein bei einem MTM-Test erzeugtes elektrisches Signal. Die rote Linie stellt die von der PDU kommende Eingangsspannung und die schwarze Linie die Ansprechspannung des Kugel/Scheibe-Kontakts dar. Die elektrische Leistung des Kugel/Scheibe-Kontakts ist variabel, obwohl im Test glatte Oberflächen verwendet werden. An den Punkten a und c entspricht die Kugel/Scheibe-Spannung der Eingangsspannung, d. h. der Kontakt wirkt wie ein Kondensator. An Punkt b hingegen entspricht die Ausgangsspannung zunächst der Eingangsspannung, fällt dann aber auf null ab, bevor der Eingangsimpuls endet, was auf ein typisches elektrisches Entladungsverhalten von Motorlagern für Elektrofahrzeuge hinweist.

Bild 2: Typische elektrische Signale bei einem MTM-Test
2) Kraterverteilung

Bild 3 zeigt Schäden durch elektrische Entladungen auf der Kugeloberfläche, die bei einem MTM-Test unter dem Licht- und Rasterelektronenmikroskop (REM) festgestellt wurden. Zwei symmetrische Streifen mit Schäden im Kontaktbereich (Bild 3(a) und 3(b)) deuten darauf hin, dass Entladungen hauptsächlich dort auftreten. Die Kontaktfläche unterteilt sich in drei Bereiche (Bild 3(b)), wobei in den Bereichen 1 und 3 erhebliche Oberflächenschäden (zahlreiche sich überlagernde Krater durch elektrische Entladungen) zu erkennen sind, die den Oberflächenschäden von aus dem praktischen Einsatz zurückkommenden Lagern ähneln. Im Gegensatz dazu weist der Bereich 2 nur minimale Schäden mit nur wenigen isolierten Kratern auf. Auf den Scheibenoberflächen ist die Verteilung der Krater ähnlich wie bei den Kugeln.

Beim Vergleich der beschädigten Oberflächen mit der berechneten Filmdickenverteilung zeigt sich, dass die beiden Streifen mit Schäden genau mit dem Bereich der Mindestfilmdicke übereinstimmen (siehe Bild 3(b) und 3(c)). Das liegt daran, dass die elektrische Feldstärke als entscheidende Einflussgröße für die Initiierung der elektrischen Entladung ermittelt wurde. Der Bereich mit der Mindestfilmdicke hat die höchste elektrische Feldstärke und folglich zeigen sich die stärksten Entladungen auch stets in den Bereichen mit der Mindestfilmdicke hmin.

Bild 3: Schäden durch Elektroerosion auf der Kugeloberfläche und Zusammenhang mit der Filmdickenverteilung
3) Modell der elektrischen Entladungsenergie

Ausgehend von der Kraterverteilung wurde ein Modell der elektrischen Entladungsenergie (Gleichung (1)) entwickelt:


a1, a2 und a3 sind Konstanten, die von der Kapazität der Prüfvorrichtung, den elektrischen Parametern des Schmierstoffs und den Betriebsbedingungen (Last, Drehzahl etc.) abhängig sind. Weitere Informationen zu diesem Modell sind unter [9] zu finden. Dieses Modell stellt eindeutig einen direkten Zusammenhang zwischen der Entladungsenergie und der Filmdicke her. Aus Gleichung (1) ist ersichtlich, dass eine Abnahme von hmin Entladungsschäden an den Scheiben- und Kugeloberflächen reduzieren kann.

4) Modulation der Schäden durch elektrische Entladungen über die Filmdicke

Basierend auf dem Modell der elektrischen Entladungsenergie kann das Ausmaß der Schäden durch elektrische Entladungen in EHD-Einzelkontakten mittels der Filmdicke moduliert werden. Es wurde daher eine Reihe Experimente durchgeführt, wobei sich gezeigt hat, dass eine Abnahme der Mindestfilmdicke eine wirksame Maßnahme zur Reduzierung von Schäden durch elektrische Entladungen darstellt.

Bild 4 zeigt die Ergebnisse einer Oberflächenanalyse, die eine allmähliche Verringerung der Schäden durch elektrische Entladungen bei abnehmender Mindestfilmdicke hmin erkennen lässt. Diese Beobachtungen entsprechen dem vom Modell prognostizierten Trend. Bei Tests, bei denen alle Bedingungen bis auf die Schmierstoffviskosität identisch sind, werden die einzelnen Entladungsenergien ausschließlich durch die jeweiligen hmin-Werte beeinflusst. Der Test 23, bei dem die hmin-Werte am höchsten sind, weist die größte Entladungsenergie auf, was zu erheblichen Schäden an der Scheibenoberfläche führt (siehe Bild 4(a)). Im Gegensatz dazu zeigen die Tests 24 und 25 mit viel niedrigeren hmin-Werten keine deutlich sichtbaren Krater auf den Prüfoberflächen (siehe Bild 4(e–f)). Beim Test 27 mit höheren hmin-Werten als beim Test 24 zeigen sich sichtbare Krater, die auf eine relativ höhere Entladungsenergie zurückzuführen sind (Bild 4(d)). Allerdings weist der Test 27 niedrigere hmin-Werte auf als die Tests 26 und 32, was zu größeren, sich stärker überlagernden Kratern auf den Kontaktflächen bei diesen beiden Tests führt (siehe Bild 4(b) und 4(c).

Bild 4: Vergrößerte Ansichten (REM-Aufnahmen) der durch elektrische Entladungen geschädigten Bereiche
Bild 4: Vergrößerte Ansichten (REM-Aufnahmen) der durch elektrische Entladungen geschädigten Bereiche
Bild 4: Vergrößerte Ansichten (REM-Aufnahmen) der durch elektrische Entladungen geschädigten Bereiche

Optimale Filmdicke ist entscheidend für die Minimierung von elektrischen und mechanischen Lagerschäden

Die experimentellen Ergebnisse zeigen, dass das Entladungsverhalten in EHD-Kontakten von der Filmdicke abhängig ist. Dies deckt sich mit früheren Untersuchungen [8], die darauf hinweisen, dass ein dickerer Schmierfilm eine höhere Durchschlagspannung zur Folge hat. In der Vergangenheit wurde die Durchschlagspannung zum Vergleich der elektrischen Durchschlagfestigkeit von Lagern herangezogen, aber die vorliegende Studie zeigt, dass der elektrische Durchschlag von der Filmdicke und der Durchschlagfestigkeit des Schmierstoffs beeinflusst wird. Um das elektrische Entladungsverhalten in Lagern von Elektromotoren prognostizieren zu können, müssen die Filmdicke, die Durchschlagfestigkeit und die Durchschlagspannung zusammen betrachtet werden. Das aktuelle Modell und die Testergebnisse zeigen, dass durch eine Verringerung der Mindestfilmdicke die elektrischen Schäden in Lagern aufgrund einer Abnahme der individuellen Entladungsenergie reduziert werden können.

Es ist jedoch zu beachten, dass eine übermäßige Verringerung der Filmdicke zu mechanischen Schäden, wie beispielsweise Verschleiß, führen kann, was ein erhebliches Problem für die optimale Lagerleistung darstellt. Dies zeigt, wie wichtig weitere Forschungsarbeiten sind, um den idealen Filmdickenbereich genau bestimmen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Verringerung elektrischer Schäden und der Vermeidung mechanischer Schäden herstellen zu können. Darüber hinaus ist die Wahl eines geeigneten Schmierstoffs von entscheidender Bedeutung, um dieses empfindliche Gleichgewicht zu halten. Dabei ist eine gründliche Prüfung der Eigenschaften des Schmierstoffs und seiner Kompatibilität mit den jeweiligen Betriebsbedingungen unerlässlich. Diese Forschungsarbeiten können zu Lösungsansätzen führen, die nicht nur elektrische Schäden minimieren, sondern auch wirksam vor mechanischen Schäden an den Lageroberflächen schützen. Umfassende Untersuchungen in diesem Bereich sind daher für ein differenziertes Verständnis des Zusammenspiels zwischen Filmdicke, Schmierstoffauswahl und Gesamtlagerleistung unbedingt erforderlich.

Fazit

In dieser Studie wird die komplexe Dynamik des elektrischen Entladungsverhaltens von Motorlagern für Elektrofahrzeuge unter Verwendung einer selbstentwickelten kleinen MTM-Prüfvorrichtung untersucht. Die Untersuchung von Schäden, die durch elektrische Entladungen entstehen, führte zur Formulierung und Validierung eines Modells für die elektrische Entladungsenergie. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Forschungsarbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Die modifizierte MTM-Prüfvorrichtung bildet das Phänomen der elektrischen Entladungen, das bei einzelnen Kugel/Scheibe-Kontakten unter elastohydrodynamischen (EHD) Schmierbedingungen beobachtet wird, wirksam ab.
  2. Die Initiierung elektrischer Entladungen hängt in erster Linie von der elektrischen Feldstärke ab und ereignet sich stets im Bereich der Mindestfilmdicke.
  3. Es wurde ein Modell für die elektrische Entladungsenergie entwickelt (siehe Gleichung (1)), um den Einfluss der Schmierbedingungen auf das Entladungsverhalten zu verdeutlichen.
  4. Das Ausmaß der Schädigung durch elektrische Entladungen in EHD-Einzelkontakten kann durch eine Veränderung der Filmdicke reguliert werden. Eine Verringerung der Mindestfilmdicke reduziert die Schäden, die durch elektrische Entladungen entstehen.

Diese Ergebnisse tragen wesentlich zum Verständnis des elektrischen Entladungsverhaltens in Motorlagern für Elektrofahrzeuge bei und weisen auf Möglichkeiten hin, Schäden durch elektrische Entladungen zu reduzieren, indem die Filmdicke verändert wird. Die Bedeutung dieser Ergebnisse geht über den akademischen Bereich hinaus und bietet praktische Hilfestellungen für Ingenieure und Wissenschaftler, die die Zuverlässigkeit und Langlebigkeit von Elektrofahrzeugen verbessern wollen.

Link zum Originalartikel

References

  1. Darabi Z, Ferdowsi M. Aggregated impact of plug-in hybrid electric vehicles on electricity demand profile. IEEE Trans Sustain Energy 2011;2:501–508.
  2. Kalaiselvi J, Srinivas S. Bearing currents and shaft voltage reduction in dual-inverter-fed open-end winding induction motor with reduced CMV PWM methods. IEEE Trans Ind Electron 2015;62:144–152.
  3. Robles E, Fernandez M, Ibarra E, Andreu J, Kortabarria I. Mitigation of common mode voltage issues in electric vehicle drive systems by means of an alternative AC-decoupling power converter topology. Energies 2019;12:3349.
  4. He F, Xie G, Luo J. Electrical bearing failures in electric vehicles. Friction 2020, 8:4-28.
  5. Boyanton HE, Hodges G. Bearing fluting `{`motors`}`. IEEE Ind Appl Mag 2002;8:53–57.
  6. Ost W, De Baets P. Failure analysis of the deep groove ball bearings of an electric motor. Engineering Failure Analysis 2005;12:772–783.
  7. Muetze A. Bearing currents in inverter-fed AC-motors. PhD thesis, TU Darmstadt, 2003.
  8. Graf S, Werner M, Koch O, Götz S, Sauer B. Breakdown voltages in thrust bearings-behavior and measurement. Tribology Transactions 2023:1–11.
  9. Guo L, Mol H, Nijdam T, Vries L, Bongaerts J. Study on the electric discharge behavior of a single contact in EV motor bearings. Tribology International, 2023; 187:108743.

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