Von Indien auf die Straßen der Welt

Ein komplett in Indien gebautes Auto hat die Herzen der Autofahrer von Mumbai bis Kalkutta im Sturm erobert. Der Indica bietet hohe Qualität zu einem erschwinglichen Preis. Nun steht der Export nach Europa bevorObwohl erst seit zwei Jahren auf dem Markt, hat der in Indien gebaute Tata Indica die Einstellung der Inder zum Autofahren verändert.

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Ein komplett in Indien gebautes Auto hat die Herzen der Autofahrer von Mumbai bis Kalkutta im Sturm erobert. Der Indica bietet hohe Qualität zu einem erschwinglichen Preis. Nun steht der Export nach Europa bevorObwohl erst seit zwei Jahren auf dem Markt, hat der in Indien gebaute Tata Indica die Einstellung der Inder zum Autofahren verändert.

„Wir gingen in das Indica-Projekt mit der Zielsetzung, ein Auto für den indischen Markt zu entwickeln, das sich in Bezug auf Eigenschaften, Design und Leistung mit jedem anderen hochwertigen Kraftfahrzeug in der Welt messen kann. Es sollte ein für Indien konstruiertes und nicht ein an den indischen Markt angepasstes Auto werden. Heute wird diese Vision zur Realität“, sagte Ratan Tata, Konzernchef der indischen Unternehmensgruppe Tata Enterprises, anlässlich der Präsentation des Indica am 30. Dezember 1998 in Mumbai.

Das fünftürige Kleinwagenmodell Tata Indica, von der Größe her etwa mit einem Peugeot 206 vergleichbar, hat sich bereits einen Anteil von 8,2 Prozent am gesamten indischen Pkw-Markt verschafft. Was die Kleinwagenklasse betrifft, liegt der Marktanteil sogar bei 19 Prozent. Der Indica (eine Abkürzung für „India‘s car“) erhielt sein Design in Zusammenarbeit mit der italienischen Designfirma IDEA. An der Entwicklung des Motors waren das französische Unternehmen Le Moteur Moderne und Tata beteiligt. Der Rest, von den Lagern bis zur Oberflächenbearbeitung, stammt aus Indien.

Ein Traum ging in Erfüllung

Durch aggressive Anzeigen- und Fernsehwerbung hat man ganz im Stil der westlichen Automobilwerbung eine emotionale Bindung zwischen dem Indica und den Konsumenten geschaffen.

Ein typischer Werbefilm sieht zum Beispiel so aus: Ein roter Indica wird von einer hilflosen jungen Dame angehalten. Der männliche Fahrer versinkt in einen Tagtraum, bei dem das Mädchen in sein Auto einsteigt. Aus der Begegnung wird eine Romanze, die am Traualtar endet. In der letzten Szene des Traums sieht man Kinder auf dem Rücksitz des Wagens, die mit ihrer Großmutter singen. Nun wacht der Fahrer aus seinem Tagtraum auf und sieht, dass das Mädchen immer noch auf eine Antwort wartet, nämlich ob er sie mitnehmen kann oder nicht. Am Ende fährt das Auto davon, ohne dass der Zuschauer erfährt, ob das Mädchen im Wagen sitzt. Diese Frage bleibt offen. Zum Schluss erscheint der Slogan „More dreams per car“.

Die auf die Männerwelt ausgerichtete Marketingstrategie hat sich ausgezahlt, denn in Indien werden Autos hauptsächlich von Männern gekauft. Die Motormagazine haben sich ebenfalls lobend über den pfiffigen Inder geäußert, der sich im eigenen Land bereits eine treue Anhängerschar verschafft hat.

Erwartungen übertroffen

Der Indica wird in einer nagelneuen, 500 Millionen US-Dollar (1,15 Milliarden Mark oder 600 Millionen Euro) teuren Fabrik in Pune aus Komponenten zusammengebaut, die zu 98 Prozent in Indien hergestellt werden. Das Vertriebsnetz umfasst nur 57 Vertretungen in verschiedenen Teilen des Landes. Die Kapazität der Fabrik wird bei 150.000 Fahrzeugen pro Jahr liegen. Mit dem Indica erfüllt sich die Tata Gruppe den Traum vom Bau eines indischen Weltklassefahrzeugs. „Die Reaktionen waren überwältigend“, berichtet S. Chakrobarty Sr, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Tata Engineering & Locomotive Co (Telco). Telco stellt schwere, mittlere und leichte Nutzfahrzeuge sowie Personenkraftwagen her.

„Nur wenige Tage nach der Einführung des Indica auf dem Markt lagen uns bereits über 100.000 Bestellungen aus allen Teilen Indiens vor. Wir waren gezwungen, die Auftragsbücher zu schließen“, sagt er. „Allein im ersten Jahr verkauften wir 56.000 Fahrzeuge, was bedeutet, dass dieses Land durchaus neue Akteure auf dem Markt vertragen kann. Wir wachsen nicht auf Kosten anderer. Daran erkennt man, mit welcher Art von Markt wir es zu tun haben.“

Einem Bericht zufolge, den der indische Branchenverband der Automobilhersteller 1999 veröffentlichte, könnte die Autoindustrie des Landes ihr Volumen vervierfachen und bis zum Jahr 2010 ihren Anteil an der indischen Industrieproduktion insgesamt auf bis zu zehn Prozent erhöhen.

Ausländische Automobilhersteller haben Indien schon seit langem im Visier. Angesichts einer Bevölkerung von einer Milliarde Menschen, einer rasch zunehmenden Mittelschicht und der Tatsache, dass es seit den fünfziger Jahren nur einen einzigen größeren Autohersteller (Hindustan Motors Ltd, Hersteller der Marke Ambassador) in Indien gegeben hat, dürfte der Markt für größere Engagements reif sein.

Harter Wettbewerb

Der Wettbewerb ist hart. Ford, Fiat, Hyundai, Peugeot, Honda, Daewoo, General Motors, Maruti (in gemeinschaftlichem Besitz des Staates und Suzuki) und andere haben in Indien neue Fabriken eröffnet, um die dortige Nachfrage nach modernen Kraftfahrzeugen zu decken. In Indien werden einige der billigsten Autos der Welt angeboten, und die Einführung des Indica hat einen wahren Preiskrieg unter den Herstellern entfacht.

Je nach Modell und Ausstattung kostet der flotte Indica mit einem 1.400-ccm-Motor zwischen 318.000 und 400.000 Rupien (16.500 bis 20.600 Mark oder 8.400 bis 10.500 Euro). Im Mai 2000 lief bei Telco der Indica 2000 vom Band, der die europäischen Emissionsbestimmungen nach der Euro-II-Norm erfüllt. Geplant ist, den Indica 2000 nach Portugal, Spanien, Italien und Großbritannien zu exportieren.

Alexander Farnsworth

Journalist in Stockholm

Foto D. Krishnan

 

 

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