Wartungspioniere
Die Effizienz einer Ölraffinerie zu steigern, ist keine leichte Aufgabe. LUKoil Neftochim im bulgarischen Bourgas hat einen Weg gefunden, die standhaltungs- und Prüfkosten ohne riskante Produktionsausfälle, Sicherheitseinbußen und Umweltbelastungen zu senken
Die Effizienz einer Ölraffinerie zu steigern, ist keine leichte Aufgabe. LUKoil Neftochim im bulgarischen Bourgas hat einen Weg gefunden, die standhaltungs- und Prüfkosten ohne riskante Produktionsausfälle, Sicherheitseinbußen und Umweltbelastungen zu senken
Die LUKoil Neftochim Raffineriein Bourgas ist zweifellos erfolgreich. Das Tochterunternehmen des russischen Erdöl- und Erdgaskonzerns LUKoil verfügt über eine Kapazität zur Verarbeitung von sieben Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr – das sind über 140.000 Barrel pro Tag. LUKoil Neftochim Bourgas, so der korrekte Name des Unternehmens, ist die größte Raffinerie auf dem Balkan, aber sie will ihre Leistung noch weiter steigern.
Bulgarien ist ein Land im Umbruch. Die ehemals zentral gesteuerte Wirtschaft wird heute von Marktkräften bestimmt, und unzählige Veränderungsmaßnahmen – große wie kleine – sind im Gange, um Bulgarien auf den EU-Beitritt 2007 vorzubereiten.
Im Rahmen eines ehrgeizigen Zehnjahresplans hat LUKoil Neftochim Bourgas verschiedene Leistungssteigerungsprogramme eingeleitet. „Dazu gehören die Verbesserung unserer Produktqualität, die Ausgliederung von Geschäftsfeldern außerhalb unserer Kerntätigkeit zwecks Personalabbau, die Einführung integrierter Managementsoftware und die Optimierung der Anlagenverwaltung im Sinne einer Leistungsmaximierung – all dies bei möglichst geringen Produktionskosten und Gewährleistung eines hohen Umwelt- und Sicherheitsstandards“, sagt der leitende Ingenieur des Unternehmens, Stefan Petrov. „Entscheidend für die Optimierung der Anlagenverwaltung ist, den Zeit-, Kapital- und Personalaufwand für Reparatur und Instandhaltung zu verringern“, meint Dimitar Kukuzelov, Leiter der Abteilung für Gerätezuverlässigkeit. „Dabei dürfen jedoch Gerätezuverlässigkeit, Sicherheit und Umweltschutz nicht zu kurz kommen. Unser Ziel war, die Intervalle zwischen den so genannten „Turnarounds“ (Anlagenabstellungen) von zwei auf vier Jahre zu verlängern und die Betriebssicherheit der Raffinerie zu erhöhen bei gleichzeitiger Senkung der Instandhaltungs- und Reparaturkosten sowie der Sicherheits- und Gesundheitsrisiken.“ Die Erarbeitung einer Instandhaltungsstrategie mit scheinbar konträren Zielsetzungen erfordert eine besondere Sachkompetenz, über die
LUKoil Neftochim Bourgas selbst nicht verfügte. Deshalb wandte man sich an zwei auf diesem Gebiet erfahrene Unternehmen und bat jeweils um ein Angebot für die Planung und Einführung einer Instandhaltungsstrategie, die als zeitlich begrenzter Piloteinsatz zunächst nur für den Prozess der atmosphärischen Destillation in einer der vier AD-Anlagen gelten sollte.
SKF Bulgarien war eines der beiden Unternehmen. „SKF erhielt den Auftrag, weil deren Angebot flexibler war“, erzählt Kukuzelov, „und von uns weniger Ressourcen verlangte.“
Die Arbeit an demPilotprojekt begann im Juli 2004. Zu diesem Zweck wurde eine zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltungsstudie unter Zuhilfenahme der SRCM® Analyseprozesse (SRCM = Streamlined Reliability Centered Maintenance) in Kombination mit einer risikoorientierten Inspektionsstudie (RBI = Risk-Based Inspection) durchgeführt. Ziel der Instandhaltungsstudie war die Entwicklung einer optimierten Instandhaltungsstrategie mit Schwerpunkt auf Zuverlässigkeit, während bei der RBI-Studie die Risikobewertung mit Fokus auf mechanischer Integrität im Vordergrund stand.
Zunächst wurde eine kleine Gruppe von LUKoil-Mitarbeitern mit den SRCM- und RBI-Verfahren vertraut gemacht. Das Team stellte für die technische Ausrüstung der AD4-Anlage Zuverlässigkeitskriterien auf und bestimmte akzeptable Risikoniveaus, Prozessabläufe und Systemgrenzen. In der zweiten Stufe wurde die AD4-Ausrüstung genauer definiert und analysiert, wobei für jedes Gerät festgelegt wurde, ab welchem Niveau ein kritischer Zustand beziehungsweise ein Risiko eintritt.
Der Piloteinsatzerstreckte sich über drei Monate. Dann stand die Wartungsstrategie fest und wurde nach eingehender Prüfung durch Petrov und die Unternehmensleitung in die Praxis umgesetzt. „LUKoil Neftochim Bourgas war mit unserer Arbeit offenbar sehr zufrieden“, sagt der Geschäftsführer von SKF Bulgarien, Valeriy Konev. „Wir wurden nämlich direkt anschließend gebeten, ein ähnliches Projekt für drei weitere Anlagen durchzuführen, und zwar für die Wasserstoffentschwefelungsanlage 2, die katalytische Krackanlage 200 und die Reformieranlage 1.“
Rückblickend stelltKukuzelov fest: „Es ist noch zu früh, die Vorzüge zu quantifizieren. Wir erhalten immer noch Feedback zu den Projekten, aber ich persönlich bin hundertprozentig zufrieden.“
Hat er irgendetwas Negatives zu berichten? „Einige unserer Wartungstechniker führen seit 30 Jahren die gleichen Aufgaben durch“, meint er. „Sie waren verständlicherweise Veränderungen gegenüber nicht besonders aufgeschlossen. Andere behaupteten, die Strategie sei unmöglich durchzuführen. Inzwischen ist jedoch das neue System im Einsatz und funktioniert gut. Wir haben viel gelernt, vor allem die Techniker und Leiter der mittleren Führungsebene. Es war eine große Investition, die sich erst im Laufe der Zeit auszahlen wird, aber dass sie sich auszahlen wird, davon sind wir überzeugt. Deshalb haben wir beschlossen, die SRCM- und RBI-Verfahren für drei weitere Anlagen zu verwenden.“
„Ich war von Anfang an in das Projekt involviert und wurde bei regelmäßigen Besprechungen über den Fortgang der Arbeit informiert“, fügt Petrov hinzu. „Unser Geschäftsführer gab der Sache seine volle Unterstützung, und das war ganz entscheidend. Nun schauen andere Bereiche im LUKoil-Konzern auf uns und betrachten uns als Pioniere auf diesem Gebiet. Wir haben den Stein ins Rollen gebracht.“
Bewertung der Zuverlässigkeit und Risiken
SRCM® (Streamlined Reliability Centered Maintenance) und RBI (Risk-Based Inspection) sind zwei einander ergänzende Verfahren zur Erkennung des kritischen Zustands einer Maschine oder Anlage und sie setzen Prioritäten für Prüf- und Instandhaltungsmaßnahmen, um Risiken zu minimieren und die Erreichung der Geschäftsziele sicherzustellen.
Der SRCM-Prozess:
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konzentriert Ressourcen für vorbeugende Instandhaltung auf die Bereiche, in denen sie den größten positiven Effekt erzielen;
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eliminiert nach zeitlichen und/oder zustandsabhängigen Kriterien durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen, die nicht kostengünstig oder durch den kritischen Zustand der Anlage gerechtfertigt sind;
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gibt an, wie Geräte auf einfachste Weise gewartet oder auf Leistungsabfall geprüft werden können. Der Schwerpunkt liegt dabei auf zustandsabhängige Maßnahmen oder Zustandsüberwachung;
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dokumentiert die Grundlage für eine Wartungsstrategie.
SRCM ermittelt eine zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltungsstrategie auf der Basis einer Analyse von Störfällen und deren Auswirkungen, einer Maßnahmenauswahl und Interviews mit dem Werkspersonal. Die Instandhaltungsstrategie umfasst zustandsabhängige Überwachung sowie zeitlich begrenzte korrektive Maßnahmen und Fehlersuchaufgaben. RBI hilft bei der Erarbeitung einer risikoorientierten Prüf- und Instandhaltungsstrategie für statische Anlagen und Rohrleitungen. Der Prozess basiert auf dem so genannten OCA-Verfahren (OCA = Operational Criticality Assessment) und stellt Richtlinien für den Vorrang von Inspektionen und die Auswahl geeigneter Prüfmethoden für die wahrscheinlichsten Störfälle auf. Das Tischuk OCA System
(T-OCA) ist als Datenbank erhältlich. Beim Piloteinsatz in der AD4-Anlage wurde die
T-OCA-Software verwendet, um die Auswirkung und die Wahrscheinlichkeit einer Störung in der Prozessausrüstung und den Rohrleitungen zu beurteilen. Die in Bulgarien geltenden gesetzlichen Vorschriften zu technischen Inspektionen wurden in die Software integriert