Was zwischen den Seiten steckt

Wie landet eine Shampoo-Probe oder eine CD in einer Zeitschrift? Ferag weiß es – und noch vieles mehr über DruckweiterverarbeitungDer Schweizer Ingenieur Walter Reist sah Ende der fünfziger Jahre seine Chance und nutzte sie. Wie man sich erzählt, ging er auf die Anfrage einer Druckerei nach einem verbesserten Fördersystem für die Druckindustrie ein, nachdem sein Arbeitgeber dies zuvor abgelehnt hatte. Es endete damit, daß er das erste Förderbandsystem für Druckerzeugnisse entwickelte, das ein Verschmieren des Druckguts verhinderte.

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Wie landet eine Shampoo-Probe oder eine CD in einer Zeitschrift? Ferag weiß es – und noch vieles mehr über DruckweiterverarbeitungDer Schweizer Ingenieur Walter Reist sah Ende der fünfziger Jahre seine Chance und nutzte sie. Wie man sich erzählt, ging er auf die Anfrage einer Druckerei nach einem verbesserten Fördersystem für die Druckindustrie ein, nachdem sein Arbeitgeber dies zuvor abgelehnt hatte. Es endete damit, daß er das erste Förderbandsystem für Druckerzeugnisse entwickelte, das ein Verschmieren des Druckguts verhinderte.

Das Timing für die Erfindung war perfekt, meint Jürg Marti, Mitarbeiter in der Unternehmenskommunikation von Ferag – dem Unternehmen, das Reist später gründete. „Der Trick bestand darin, daß jedes Blatt Papier an den Ecken festgehalten wurde, so daß die bedruckten Teile der Seite unberührt blieben. Das war zu jener Zeit, als die Druckerschwärze eine Ewigkeit brauchte, um zu trocknen, ein gewaltiger Vorteil.“
Vielleicht war es ein Glück für die Druckindustrie, daß Reists ursprünglicher Arbeitgeber den Auftrag nicht haben wollte. Heute hat die Ferag-Gruppe mit Sitz in Hinwil in der Nähe von Zürich neben verschiedenen Werken in der Schweiz auch Produktionsbetriebe in Deutschland und Holland. Seit 1957 hat sich Ferag auf die Entwicklung von innovativen Lösungen für die Druckweiterverarbeitung spezialisiert.

Der Erfolg des Unternehmens läßt sich auch daran ablesen, daß seine Anlagen überall in der Welt im Einsatz sind und daß über 3.000 Patente in Ferags Namen registriert wurden. Obwohl inzwischen Tochter Susanne Rau-Reist das Unternehmen führt, arbeitet Walter Reist immer noch im Hintergrund und liefert viele kreative Impulse für Lösungen, mit denen sich Ferag an die dramatischen Veränderungen in der Druckindustrie anpaßt.

Eine davon ist, daß Zeitschriften und Tageszeitungen in den letzten 20 Jahren immer umfangreicher geworden sind. Eine Zeitschrift mit 300 bis 400 Seiten ist heute keine Seltenheit mehr. Ein weiterer Grund für den größeren Umfang kann die Beilage einer CD-ROM, einer Shampoo-Probe oder von bunten Werbeprospekten sein.

Schnell und flexibel

Als Ferag neue Handlungsrichtlinien aufstellte, wurden die Begriffe „Schnelligkeit“ und „Flexibilität“ zur neuen Devise. Statt den Strom des gedruckten Materials als eine Einheit zu betrachten, wird jedes Druckexemplar separat behandelt. Bei Ferag werden die Zeitungen und Zeitschriften nicht auf Förderbändern den einzelnen Bearbeitungsstufen zugeführt, sondern jedes Exemplar hängt an einer hellgelben Klammer im Glied einer Kette, die in einem Kanal läuft. Mit dieser Einzelfaßtechnik wird das Druckerzeugnis sanft auf eine Einstecktrommel überführt, in der der jeweilige Bearbeitungsschritt vorgenommen wird. Anschließend wird das Produkt von einer anderen Klammer aufgenommen und zur nächsten Verarbeitungsstufe transportiert.

Nach Aussage von Heinz Büchi, dem Leiter des Bereichs Maschinenbau, ist die Verwendung einer Trommel für die einzelnen Bearbeitungsstufen ein Verfahren, das jedem anderen überlegen ist. „Auf einem Förderband muß das Druckerzeugnis bewegt und von einer Richtung in eine andere befördert werden, dabei wird der Schuppenstrom ständig gebremst und wieder beschleunigt, um die Betriebsgeschwindigkeit der jeweiligen Maschine zu erreichen“, erklärt er. „Beim Karussell-Verfahren wird das Druckerzeugnis mit einer sehr hohen Geschwindigkeit bewegt, wodurch enorme Fliehkräfte entstehen.“

Entscheidende Zentimeter

Die Einstecktrommel dagegen ist, wie Büchi sagt, eine schonendere Methode. Sie rotiert relativ langsam, wobei hohe Durchlaufgeschwindigkeiten erzielt werden, weil die Produkte ähnlich wie die Speichen eines Rades um die Trommelachse herum angeordnet sind. Jedes Exemplar wird in ein separates Fach gesteckt oder an einem Sattel gesichert. Dank dieser Anordnung ist der Abstand zwischen den Druckerzeugnissen eine Frage von Zentimetern, deshalb die niedrige Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Wenn die Druckerschwärze erst einmal auf dem Druckgut aufgebracht ist, stellt Ferag alles bereit, was eine Druckerei braucht – Fördersysteme, Zwischenlagerungssysteme, Schneidesysteme, Sammelheftsysteme und Verpackungssysteme, wobei alles auf maximale Geschwindigkeit und Flexibilität zugeschnitten ist.

Wie effizient all diese Systeme ineinandergreifen, wird deutlich, wenn man den Weg der verschiedenen Teile einer Zeitschrift verfolgt. Einige Teile werden vielleicht im Hause gedruckt, und hierfür verwendet Ferag ein Wickelsystem, bei dem die Falzbögen mit bis zu 96 Seiten Umfang schuppenförmig auf einen Kunststoffkern gewickelt werden. Andere Teile werden wiederum von anderen Unternehmen gedruckt. Beide gehören inzwischen in der Branche zum Standard, wenn es um Zwischenlagerungssysteme geht. Der Umschlag, der auf anderem Papier gedruckt ist, wird gebündelt. Schließlich sind da noch einige Antwortkarten von Inserenten, die eingeklebt werden müssen, und Werbebeilagen, die lose eingesteckt werden.
Alle Teile werden einzeln, an den gelben Klammern hängend, der Sammelhefttrommel zugeführt. Der für dieses Trommelsystem zuständige Techniker Peter Caflisch weist besonders auf die hohe Zuverlässigkeit der Trommel hin, die gleichzeitig ein hohes Maß an Flexibilität bietet. Die einzelnen Elemente fallen übereinander exakt an den richtigen Platz. Die Zeitschrift wird von innen nach außen zusammengefügt, indem sie die einzelnen Verarbeitungsstufen entlang der Trommel durchläuft.

„Wenn ein Element der Zeitschrift die Sammelhefttrommel erreicht, wird mittels einer Überwachungsfunktion kontrolliert, daß dies korrekt erfolgt“, sagt Caflisch. „Das gleiche gilt für das Zusammenfügen der Elemente. Auch hier wird kontrolliert, daß alles ordnungsgemäß abläuft. Falls an irgendeinem Punkt ein Fehler auftritt, wird zu dem fehlerhaften Exemplar beim Durchlaufen der Trommel nichts mehr hinzugefügt. Es wird am Ende einfach ausgeworfen. Die Fehlerquote liegt allerdings bei einigen wenigen Exemplaren pro Tausend.“

Von dort aus gelangt die Zeitschrift zur Schneidetrommel, in der die drei offenen Seiten beschnitten werden. Die letzte Station ist die Verpackungsanlage, wo die Zeitschriften gebündelt, verschnürt und für den Versand vorbereitet werden.

Tageszeitungen durchlaufen einen ähnlichen Prozeß mit einem wichtigen Unterschied: Die Verpackungsanlage für Tageszeitungen ist in der Lage, die Zeitungspakete nach Kundenwünschen für den Versand zusammenzustellen. Das System beruht darauf, daß der Fahrer des Lieferwagens mittels einer Chipkarte beim Portier eincheckt, und wenn er an der Laderampe ankommt, liegen dort bereits seine Pakete zum Abholen bereit.

Michael Lawton

Wirtschaftsjournalist in Köln

Fotos Ferag

 

 

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