Wiedergeburt des Zeppelins

Mehr als 50 Jahre waren vergangen, als ein neuer Zeppelin über Friedrichshafen flog. Ein großer Tag für die Zeppelin-Luftschifftechnik

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Zehntausende von Zuschauern warteten geduldig hinter Absperrungen auf dem Messegelände in Friedrichshafen, während die letzten Tests durchgeführt und Entscheidungen getroffen wurden. Dann war es schließlich so weit. Am Abend des 18. September 1997 hob ein neuer Zeppelin langsam ab und startete seine kurze Jungfernfahrt über Friedrichshafen in Richtung eines brandneuen Hangars. Die Menge jubelte und winkte, als der Pilot Scott Danneker das Luftschiff hoch über der Stadt präsentierte, bevor er es sicher in seinen neuen Hafen brachte. Nach über 50 Jahren der Entbehrung konnten nun die Einwohner von Friedrichshafen ihre Stadt wieder als die Heimat des Zeppelins bezeichnen.
Bis es zu dieser Jungfernfahrt kam, waren viele Jahre vergangen. Graf Ferdinand von Zeppelins erstes Starrluftschiff hob im Jahre 1900 in Friedrichshafen ab, und das Unternehmen wurde bald zum führenden Hersteller von Luftschiffen. Der Höhepunkt dieser frühen Luftschiffära kam 1928, als die Graf Zeppelin erstmalig Weltreisen sowie regelmäßige Flüge nach Rio de Janeiro unternahm. Neun Jahre später wurden die luxuriösen 245 Meter langen Schwesterschiffe Graf Zeppelin II und Hindenburg (benannt nach dem deutschen General und Präsidenten) in Dienst gestellt, die den Linienflugverkehr nach Lakehurst, einer Stadt in der Nähe von New York City, aufnahmen. Zu jener Zeit war die Reise in einem Luftschiff eher mit der Reise auf einem Ozeandampfer als mit einem Flug zu vergleichen. Wer das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen besucht, bekommt eine Vorstellung von der Geräumigkeit der Lounge und der Kabinen. Dort nämlich sind Teile der Hindenburg in einer Rekonstruktion zu sehen.
Dieses Zeitalter der luxuriösen Luftschiffreisen nahm jedoch ein jähes Ende, als die Hindenburg im Mai 1937 bei einem explosionsartigen Brand völlig zerstört wurde. Damals herrschte ein starker Sturm, als die Hindenburg in Lakehurst zur Landung ansetzte. Neuesten Forschungsergebnissen zufolge hatte sich offenbar zwischen der Farbbeschichtung der äußeren Baumwollbespannung und der inneren Metallkonstruktion statische Elektrizität aufgebaut, die das als Füllgas verwendete Wasserstoffgas entzündete. Obwohl die meisten Passagiere und Besatzungsmitglieder die Katastrophe, die ein Wochenschaukommentator und zahlreiche Photographen mit eigenen Augen mitansehen mußten, auf wunderbare Weise überlebten, wurde daraufhin die Luftschiffahrt für den Personenverkehr sofort eingestellt – ein für allemal, wie es schien. Der letzte Zeppelin wurde 1940 verschrottet.
1993 wurde die Zeppelin Luftschifftechnik gebildet, eine hundertprozentige Tochter der ursprünglichen Luftschiffbau Zeppelin und ZF Friedrichshafen, die von Graf Zeppelin 1915 gegründet wurde und Getriebe für die ersten Zeppeline herstellte. Hinter dem neuen Unternehmen stand die Absicht, ein Luftschiff mit der Bezeichnung Zeppelin NT (NT steht für Neue Technologie) zu bauen.
Der neue Zeppelin macht sich den Ruf seiner Vorgänger zunutze, achtet aber auch sorgfältig darauf, sich von den Problemen zu distanzieren, die zu der Hindenburg-Katastrophe geführt hatten. Das Ende der Hindenburg ist übrigens das einzige, was in den Köpfen vieler Leute in bezug auf Zeppeline haften geblieben ist. „Die Art, wie die Journalisten darüber schreiben, geht mir auf die Nerven“, meint Verkaufsförderer Dietmar Blasius. „Das könnte ganz einfach mit unserem heutigen Luftschiff nicht mehr passieren, weil das Wasserstoffgas durch Helium ersetzt wurde, mit dem man praktisch jedes Feuer erstickt.“

Andere Konstruktion

Vor 40 Jahren sah niemand eine Notwendigkeit für ein Starrluftschiff („starr“ bezieht sich auf die starre Metallkonstruktion des Luftschiffes). Einige Pralluftschiffe waren zu Werbezwecken gebaut worden, aber sie waren schwer zu manövrieren. Da sie im wesentlichen wie ein Ballon ohne festes Gerippe konstruiert sind, befindet sich der Antriebsmotor in der Passagierkabine, was heftige Vibrationen und viel Lärm verursacht. Die Zeppelin NT hat allerdings wie ihre Vorgänger ein Metallgerippe, an dem die Motoren und Propeller befestigt sind. Dies garantiert eine ruhige, geräuscharme Fahrt.
Wie Blasius sagt, ging die Idee eines neuen Luftschiffes ursprünglich auf die Annahme zurück, daß die Touristikbranche Gefallen an einer ruhigeren und bequemeren Variante des Pralluftschiffes finden könnte. Wie sich dann aber herausstellte, gab es auch außerhalb der Touristik zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten für ein Luftschiff. Immer dann, wenn hohe Manövrierfähigkeit gefordert war, oder wenn ein Luftfahrzeug über lange Zeiträume in der Luft bleiben sollte, oder wenn ein Luftfahrzeug unter keinen Umständen den Luftraum zu sehr stören durfte, oder wenn ein Lufttransport ruhig vonstatten gehen sollte, würde sich der Zeppelin als unschlagbar erweisen. So könnte etwa das neue Luftschiff als schwebende Kameraplattform bei Sportveranstaltungen, als fliegende Einsatzzentrale bei Naturkatastrophen oder für den Fischereischutz, als Plattform für wissenschaftliche Messungen in der Atmosphäre oder bei Erderkundungen eingesetzt werden. Obwohl man immer noch damit beschäftigt ist, mit dem Prototyp die erforderlichen Flugstunden für die Zulassung durch das Luftfahrtbundesamt zusammenzubekommen, liegen bereits fünf Bestellungen für die ersten Serienmodelle vor.
Die Tragstruktur des neuen Zeppelins besteht aus einer länglichen dreieckigen Konstruktion, die aus Aluminium und Karbonfaser-Verbundwerkstoffen gefertigt wurde. Sie erzielt eine gute Stabilität, ist aber rationeller und kostengünstiger in der Herstellung als die alte Konstruktion. Blasius erklärt, daß die alte Hindenburg mit 5,5 Millionen Nieten versehen war. Der Preis für einen Niet liegt heute bei etwa vier DM, das heißt allein die Niete würden 22 Millionen D-Mark kosten. Wenn man das Helium aus einem Zeppelin NT abläßt, fällt er zwar zusammen, wird aber immer noch von dem dreieckigen Tragwerk gehalten. Aus diesem Grund wird das neuartige Konstruktionsverfahren auch als „halbstarr“ bezeichnet.

Verbessertes Antriebssystem

Eine weitere Verbesserung ist das Antriebssystem. Drei „Textron Lycoming“-Kolbenmotoren mit jeweils 200 PS treiben die umkehrbaren Verstellpropeller an. Das Getriebe wird von der ZF Luftfahrttechnik, einem Tochterunternehmen der ZF Friedrichshafen, gebaut.
Eine bedeutende technische Neuerung besteht darin, daß die Propeller in eine vertikale Stellung abgewinkelt werden können und dadurch Senkrechtstarts und –landungen ermöglichen. Der Heckantrieb wirkt zudem auf einen etwas seltsam aussehenden seitlich angeordneten Propeller, der die Steuerbarkeit des Luftschiffes verbessert. Da sich der Zeppelin bei der Landung weitgehend selbst steuern kann, reicht eine nur dreiköpfige Bodenmannschaft aus, um das Luftschiff am Landemast anzudocken. Für die alten Zeppeline (und dies gilt auch für die modernen Pralluftschiffe) benötigte man ein großes Team, um sie „einzufangen“ und in Andockstellung zu bringen.
In der aus Karbonfaser hergestellten Kabine können die zwölf Passagiere den Piloten über die Schulter schauen, wenn sie das „fly-by-wire“-System bedienen. Danneker, ein amerikanischer Testpilot, der bereits seit 13 Jahren Luftschiffe fliegt und seit drei Jahren für Zeppelin tätig ist, mag vor allem das gemächliche Tempo. „Man fliegt langsam, bei offenem Fenster und in geringer Höhe und bekommt einen nahen Kontakt zur Umgebung.“ Man muß allerdings für das Fliegen von Luftschiffen geschaffen sein. „Einige Piloten halten das nicht aus; sie brauchen die Geschwindigkeit“, meint Danneker. Er sei allerdings dem Luftschiff „verfallen“. Danneker zieht den Zeppelin eindeutig den Pralluftschiffen vor, die er früher flog, und zwar aufgrund der innovativen Technologie, wie er sagt. „Der Zeppelin macht Dinge möglich, die mit keinem anderen Luftfahrzeug zu machen sind.“

Michael Lawton

Wirtschaftsjournalist in Köln

Fotos Zeppelin Luftschifftechnik

 

 

 

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