Ningbo Rail Transit verlängert Wartungsintervalle mit drahtloser Zustandsüberwachung
Die Lagerfunktion in den Zügen von vielgenutzten Bahnsystemen über eine Million Kilometer sicherzustellen, ist nicht einfach. Mit der innovativen, drahtlosen Zustandsüberwachungstechnologie von SKF erreicht ein chinesischer Schnellbahnbetreiber eine einzigartige Zuverlässigkeit und Gebrauchsdauer der Lager.
Die Großstadt Ningbo liegt in der ostchinesischen Provinz Zhejiang. Ein funktionierendes System des innerstädtischen Nahverkehrs ist für die Metropole unabdingbar, denn allein im Stadtzentrum leben mehr als zwei Millionen Menschen. Hinzu kommen rund weitere sieben Millionen Einwohner in den Vororten und Satellitenstädten.
Um sie alle befördern zu können, arbeiten die städtischen Behörden intensiv am Bau eines mehr als 200 km umfassenden Schnellbahnsystems. Die Arbeiten am Ningbo Rail Transit Projekt begannen 2009, und der Personennahverkehr startete 2014. Fünf der geplanten acht Bahnstrecken sind bereits in Betrieb, die restlichen sollen bis 2026 fertiggestellt sein.
Verbesserungen vor Ablauf der Gebrauchsdauer
Obwohl Ningbo Rail Transit zu den neuesten Stadtbahnnetzen der Welt zählt, sind die 200 Züge der 46 Kilometer langen Linie 1 in Kürze schon zehn Jahre in Betrieb. Deshalb arbeiten die Wartungsteams der Ningbo Rail Transit Co. an einer Reihe von Projekten, die die langfristige Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Flotte verbessern sollen.
Ein zentraler Faktor für die Zuverlässigkeit ist die Gebrauchsdauer der Lager in den Drehgestellen, Fahrmotoren und Getrieben. Ein Ausfall der Lager während des laufenden Betriebs kann kostspielige Störungen verursachen. Deswegen werden die Lager in der Regel nach einem strikten Zeitplan ausgetauscht. Bei den Ningbo-Zügen war ursprünglich ein Lageraustausch nach 800.000 Kilometern vorgesehen.
Um einen kostengünstigeren Systembetrieb zu erreichen, erwog Ningbo Rail Transit die Intervalle für den Lageraustausch auf eine Million Kilometer auszudehnen. Wenn sich das ohne Anstieg der Lagerausfälle erreichen ließe, könnte die Änderung zu erheblichen Einsparungen bei den Wartungs- und Ersatzteilkosten führen und gleichzeitig die Zuverlässigkeit der Flotte verbessern.
Ningbo Rail Transit erkundigte sich bei verschiedenen Lageranbietern, ob sie Produkte für einen Betrieb über eine Million Kilometer und entsprechende Wartungsintervalle bereitstellen könnten. Nur SKF war in der Lage, passende Lösungen anzubieten und sie gemeinsam mit dem Kunden zu analysieren.
Bei dem Angebot von SKF handelte es sich um ein Gesamtkonzept für Lagerzuverlässigkeit. Dazu gehörten auch Spezifikationsänderungen wie etwa ein Umstieg auf Hybridlager mit Keramik-Wälzkörpern in den Zuggetrieben. Außerdem schlug SKF ein anderes Schmiermittel für die Lager vor und empfahl erstmalig in der Bahnindustrie den Einsatz einer völlig neu entwickelten Technologie: Insight Metro.
In unserem Ferndiagnosezentrum überprüfen wir die Daten jeder Insight Metro-Einheit. Dabei verwenden wir eine Kombination aus automatisierten Algorithmen und Analysen durch Zustandsüberwachungsexperten.
Hower Fan, Projektleiter Intelligente Technologien bei SKF
Drahtlose Vernetzung
Diese neue Technik ist ein komplett drahtloses, tragbares Zustandsüberwachungssystem für die gezielte Kontrolle von Lagern, die sich dem Ende ihrer geplanten Gebrauchsdauer nähern.
Zur Insight Metro-Lösung gehören Sensoren, die Drehzahl, Temperatur und Schwingungspegel des Lagers erfassen. Diese Daten werden im Bordcomputer des Systems aufbereitet und anschließend über ein 4-G-Mobilfunknetz an einen Server übertragen. Eine Kombination aus komplexen Algorithmen und fachkundiger menschlicher Analyse erkennt dann frühe Anzeichen für potenzielle Probleme.
Zustandsüberwachung ist in der Bahnindustrie weltweit eine häufig verwendete und erprobte Methode. Im Gleis montierte Sensoren messen Geräuschpegel und Temperatur vorbeifahrender Züge und identifizieren so Probleme. Einige moderne Züge sind zur kontinuierlichen Überwachung kritischer Bauteile mit permanent installierten Sensoren und Datenerfassungssystemen ausgerüstet.
Jedes dieser Verfahren hat jedoch auch seine Nachteile. Zum Beispiel sind im Gleis installierte Systeme zwar preiswert und können Züge in unbegrenzter Zahl überwachen. Aber sie sind nicht empfindlich genug, um Probleme frühzeitig zu erkennen oder zu diagnostizieren. Verdrahtete bordeigene Zustandsüberwachungssysteme können zwar große Datenvolumen erfassen, sie erfordern jedoch sehr viel Ausrüstung in jedem einzelnen Zug und benötigen außerdem umfassende analytische Ressourcen, um die Daten auszuwerten und Schlüsse zu ziehen.
Die komplett in China entwickelte Insight Metro-Technologie stellt einen Mittelweg zwischen diesen beiden Verfahren dar. Sie bietet die Empfindlichkeit und enorme Datenerfassungskapazität eines modernen bordeigenen Zustandsüberwachungssystems. Aber sie ist dennoch kompakt, leicht und einfach zu installieren. Mit dieser Lösung können Betreiber kostengünstig einzelne Lager überwachen.
Mit Strom aus der integrierten Batterie kann das System etwa sechs Monate betrieben werden. Zusammen mit den anderen Daten wird auch der Batteriestatus gemeldet, sodass die Batterie rechtzeitig aufgeladen werden kann. Die drahtlose Ladefunktion ermöglicht das Aufladen vor Ort, beispielsweise während der Zug über Nacht im Depot steht.
Eine Million Kilometer unterwegs
Seit August 2022 hat Ningbo Rail Transit 96 Insight Metro-Einheiten in den Bahnen der Linie 1 eingesetzt. Sie überwachen Lager mit fortgeschrittener Nutzungsdauer und ermöglichen SKF und dem Kunden, Leistungsdaten dieser Lager zu erfassen und Probleme frühzeitig zu erkennen.
„Das System ist so programmiert, dass es acht Mal pro Tag Daten zur Analyse sammelt“, erklärt Hower Fan, Digital project manager bei SKF. „Insight Metro bestimmt anhand von Drehzahl- und Schwingungsdaten den richtigen Zeitpunkt für die Messungen, wenn der Zug mit konstanter Geschwindigkeit fährt.“
Für Routineanalysen sammelt das System ein Datenvolumen von rund 100 Megabytes und übermittelt die Daten drahtlos über eine 4-G-Netzwerkverbindung an den Server. Das Insight Metro-System kann auch Warnmeldungen abgeben, wenn die Temperatur oder der Schwingungspegel plötzlich bestimmte Schwellenwerte überschreiten.
„In unserem Ferndiagnosezentrum überprüfen wir die Daten jeder Insight Metro-Einheit. Dabei verwenden wir eine Kombination aus automatisierten Algorithmen und Analysen durch Zustandsüberwachungsexperten“, sagt Fan. „Meistens erhält der Kunde von uns routinemäßig einen Monatsbericht zum Zustand der Lager. Sollten wir jedoch einen Hinweis auf ein ernsthaftes Problem entdecken, schicken wir eine Warnmitteilung und schlagen vor, das Lager möglichst bald zur Inspektion auszubauen.“ Die Wartungsteams von Ningbo Transit haben über ein Online-Portal auch direkten Zugriff auf die Daten zur Lagerleistung.
In den ersten sechs Betriebsmonaten erkannte das neue System korrekt Probleme an zwei Lagern. Das Wartungspersonal von Ningbo Transit konnte daraufhin beide rechtzeitig mit nur minimaler Abweichung vom Fahrplan austauschen. „Der groß angelegte Einsatz von Insight Metro im laufenden Betrieb eines öffentlichen Verkehrsnetzes hilft uns auch bei der Optimierung des Zustandsüberwachungsprozesses“, erklärt Fan. „So waren wir beispielsweise in der Lage, die Ladeintervalle der Batterie zu verlängern. Zurzeit testen wir gemeinsam mit dem Kunden neue Protokolle mit weniger Datenerfassungsintervallen pro Tag. Das würde die Betriebsdauer der Überwachungseinheiten zwischen den Ladevorgängen verlängern.“