Yoshiro Nakamatsu
Eine solche Leistungsbilanz würde Nakamatsu zum produktivsten Erfinder der Welt machen, weit vor Thomas A. Edison, der es auf „nur“ 1093 Erfindungen brachte. Nakamatsus unkonventioneller Geist hat ihn zu einer Berühmtheit unter Bastlern, Akademikern und Bürokraten gleichermaßen werden lassen. Dutzende von Preisen aus solchen Quellen tapezieren die Wände seines Büros in Akasaka, einem der teuersten Büroviertel von Tokio, das praktischerweise nur ein paar Schritte vom japanischen Patentamt entfernt liegt.
Ein Genie der Erfindung
Was seinen Anspruch auf Ruhm angeht, übt sich Yoshiro Nakamatsu nicht gerade in Bescheidenheit. Sein Lebenslauf weist ihn als einen der fünf bedeutendsten Wissenschaftler der Geschichte aus, an der Seite von Archimedes, Michael Faraday, Marie Curie und Nicola Tesla. Es genügt ihm jedoch, als Erfinder der Diskette, der CD, der Digitaluhr und einer Gesamtzahl von (nach jüngster Zählung) 3.218 Erfindungen apostrophiert zu werden.
Eine solche Leistungsbilanz würde Nakamatsu zum produktivsten Erfinder der Welt machen, weit vor Thomas A. Edison, der es auf „nur“ 1093 Erfindungen brachte. Nakamatsus unkonventioneller Geist hat ihn zu einer Berühmtheit unter Bastlern, Akademikern und Bürokraten gleichermaßen werden lassen. Dutzende von Preisen aus solchen Quellen tapezieren die Wände seines Büros in Akasaka, einem der teuersten Büroviertel von Tokio, das praktischerweise nur ein paar Schritte vom japanischen Patentamt entfernt liegt.
Am Anfang eines Besuchs in Nakamatsus „Labor“ steht eine kaleidoskopartige Videozusammenstellung seiner Errungenschaften, Ehrungsfeierlichkeiten und Fernsehauftritte, die auf einem riesigen Flachbildschirm abläuft, der inmitten eines Wirrwarrs von Erfindungen seinen Platz in einer Ecke gefunden hat. Eine Szene zeigt ihn, wie ihm US-Präsident George Bush die Hand reicht. Eingequetscht zwischen den Dokumenten, Diagrammen und Modellen, die sich auf seinem Schreibtisch türmen, liegt seine jüngste Auszeichnung, das „Certifikate of Special Congressional Recognition“, das ihm für herausragende Dienste an der Allgemeinheit zuerkannt wurde.
Die erfinderische Ader des rüstigen 73-Jährigen brach sich erstmals Bahn, als er fünf Jahre alt war. Da schuf er eine automatische Schwerkraftsteuerung für ein Modellflugzeug, die, wie er sagt, den Weg für das Autopilotsystem bereitete. Seine Eltern folgten dem Rat eines Freundes der Familie, die Vorrichtung zu patentieren. Heute ist das Patent abgelaufen, und er erhält keine Lizenzgebühren mehr aus Autopilotsystemen. Nachfolgende Patente indes haben Nakamatsu zu einem reichen Mann gemacht.
Eine Erfindung, an der er nach eigenen Angaben noch immer die Patentrechte hält, ist eine Petroleumpumpe aus Kunststoff, die sich heute in jedem Eisenwarenladen findet und die er ersann, als er 14 Jahre alt war. Eine weitere Erfindung, die er in jenem Jahr machte, war die einer wärmepumpe. Diese in Klimaanlagen eingesetzte Pumpe verdichtet Kohlendioxid oder Luft zur Erzeugung von Wärme.
Seinen größten Ruhm erntete Nakamatsu mit seinen Anstrengungen im Jahr 1948, das Schallplattenformat zu verkleinern und das Knistern beim Abspielen zu beseitigen. Der damals 20-jährige Nakamatsu verwendete dünnes Holz für ein „elastisches Medium und ein Laufwerk dafür“ („floppy media and drive“). Er vollendete das Projekt zwei Jahre später an der Technischen Abteilung der Kaiserlichen Universität Tokio. Das Medium ließ sich mit magnetischen und mit Lichtsensoren lesen. 1952 erhielt er in Japan ein Patent für die Erfindung dieser Platte, und damit, wie er betont, 20 Jahre, bevor sich IBM ein US-Patent sicherte, und 28 Jahre, bevor Sony und Philips Electronics 1980 dann die Compact Disk auf den Markt brachten. Nakamatsu betrachtet seine Vision eines Verfahrens zur Digitalisierung analoger Technologie als „den Beginn von Silicon Valley und der IT-Revolution“. Heute ist IBM Inhaber des Patents an der Diskette, jedoch traf das Unternehmen mit Nakamatsu in den Siebzigerjahren eine Anzahl von computerbezogenen Patentvereinbarungen. Nakamatsu reklamiert ebenso für sich, 1953 die Digitaluhr erfunden zu haben, ein gutes Stück bevor die Hamilton Watch Corporation 1970 das berühmte LED-Display Pulsar vorstellte.
Nakamatsu führt seinen Erfindungstrieb auf frühkindliche Erfahrungen zurück. Seine Mutter, die die Tokioter Universität für Frauen besuchte, begann ihm Physik, Mathematik und Chemie beizubringen, als er gerade einmal drei Jahre alt war.
Der Schlüssel zu erfolgreicher Innovation liegt nach Überzeugung von Nakamatsu in der „kreativen Freiheit“. Damit meint er Arbeit ohne Marionettenfäden. Nakamatsu versichert, er habe niemals die Finanzierung durch Personen, Unternehmen oder die Regierung gesucht und es stets bevorzugt, seine Erfindungen selbst zu entwickeln und zu produzieren. „Wer andere um Zuschüsse oder Kredite angeht, kann sich nicht gleichzeitig die kreative Freiheit bewahren“, lautet sein einfaches Credo.
Sein Unternehmen – das „Dr NakaMats Innovation Institute“ – hat ohne Fremdmittel Marken wie „Yummi Nutri Brain“-Kekse und -Tee zur Verbesserung der Erkenntnisfähigkeit entwickelt. Dann wäre da noch „Love-Jet“, ein Spray, von dem er versichert, dass es die sexuelle Attraktivität um das Dreifache steigere aufgrund eines Inhaltsstoffs, der den Körper dazu veranlasst, die Produktion des Nebennierenhormons Dehydroepiandrosteron (DHEA) zu steigern. Nakamatsu hat bislang Lizenzrechte nur an IBM übertragen, das zum Zeitpunkt, da die Vereinbarung getroffen wurde, 70 Prozent des Computermarkts beherrschte.
„Wenn ich die Lizenzrechte an einer Erfindung abtrete, macht das Unternehmen nicht selten etwas anderes als das, was mir eigentlich vorschwebt“, erklärt er. „Was ich dagegen selbst in die Hand nehme, kann ich genauso verwirklichen, wie ich es mir vorstelle.“
So wundersam Nakamatsus Erfindungsgabe auch erscheinen mag, passt sie doch vielleicht zu seiner persönlichen Lebensweise, die er ganz auf die Maximierung seiner Kreativität und ein möglichst langes Leben ausgerichtet hat. Der Erfinder versichert, seit dreißig Jahren nur eigene Produkte zu sich zu nehmen. Er schläft gerade einmal vier Stunden pro Nacht und ist überzeugt, mehr als sechs Stunden Schlaf seien ungesund. Dennoch sieht er für sein Alter noch immer recht jugendlich aus. Nakamatsu versichert, jeder könne 144 Jahre alt werden, wenn er seinem Beispiel folge.
„Ich stehe also gerade erst an der Schwelle zur zweiten Hälfte meines Lebens“, gibt er sich überzeugt. „Ich kann fast noch einmal so viele Erfindungen machen. Ich nannte die Zahl 3218, am Ende werden es also vielleicht 6000 sein.“
Nakamatsu geht mit den Menschen ins Gericht, die Erfindungen nur als Mittel ansehen, Geld zu verdienen – „geradeso wie Wettspiele oder der Aktienkauf“. Diese Einstellung führe selten zum Erfolg.
„Mein Erfindungsgeist ist völlig anders“, so Nakamatsu. „Er ist erfüllt von Liebe. Nehmen Sie als Beispiel die von mir erfundene Petroleumpumpe. Ich verehrte meine Mutter, also wollte ich ihr die Arbeit in der Küche erleichtern.“
Unter den zahlreichen Ideen von Nakamatsu findet sich auch eine Zigarette, die nach seinen Angaben schlauer machen soll, sowie ein Stuhl, der stets für einen kühlen Kopf und warme Füße und auf diese Weise für Klarheit der Gedanken sorgen soll. Aus der Feder von Nakamatsu stammt auch ein wassergetriebener Motor, den er Enerex getauft hat. Diese 1990 vorgestellte Maschine bildet die Grundlage des Anspruchs von Nakamatsu auf den Titel des Erfinders der Brennstoffzelle.
Energieerzeugung wird weiterhin das ergiebigste Feld für künftige Innovationen darstellen, so Nakamatsu. Unter den 500 Projekten, die er parallel verfolgt, befindet sich ein Haus der Zukunft, das vollgepackt ist mit neuer Technologie: von einer verbesserten Form von Zement in den Wänden über die „kleinste Toilette der Welt“ bis zu einem neuen Treppenkonzept. Das Haus wird nicht vom normalen Elektrizitätsnetz versorgt, sondern von etwas, das Nakamatsu „kosmische Energie“ nennt.
„Wir empfangen große Mengen an Energie aus kosmischen Quellen“, orakelt Nakamatsu. „Bislang haben wir sie nur noch nicht erschlossen.“
Nakamatsu sagt, er halte 50 Patente auf Technologie, die auf kosmische Energie bezogen sei; wenn man dann jedoch nachbohrt, weicht er achselzuckend aus: „Mehr kann ich Ihnen dazu noch nicht verraten.“ Uns bleiben ungefähr 71 Jahre um herauszufinden, was genau er damit meint.
Leeroy Betti
Selbständiger Redakteur bei der Japan Times in Tokio
Foto Bruce Osborn