Zurück zum Wesentlichen
Zahlreiche Unternehmen verwenden unendlich viel Zeit und Geld darauf, komplizierte Formeln zu erarbeiten, um herauszufinden, was „Operational Excellence”, also unternehmerische Spitzenleistung, eigentlich ausmacht. Dabei wird oft das Wesentliche übersehen
Ferraris Konzept ist einfach. Der italienische Rennwagenhersteller begann 1950 mit dem Bau seiner Formel-1-Wagen. In den letzten Jahren schien Ferraris Team, vor allem dank Michael Schumacher, bei den Formel-1-Weltmeisterschaften unschlagbar zu sein. Die Ambition, der Beste zu sein, gilt nicht nur für die Fahrtechnik, sondern auch für die Sorgfalt, mit der jeder einzelne Formel-1-Wagen konstruiert und gebaut wird. Bei Ferrari ist unternehmerische Spitzenleistung ein Kredo, das Wort ‚schludern’ existiert nicht im Vokabular des Unternehmens.
Auch Rolls-Royce hat ein einfaches Konzept. Unter dem Namen der Partnerschaft zwischen Charles Rolls und Henry Royce , die in diesem Jahr das 100. Jubiläum feiert, verbergen sich nicht nur die legendären Luxuslimousinen, sondern auch die zivile und militärische Luftfahrt sowie die Seefahrt und die Energieerzeugung. Das Unternehmen wird deshalb seiner „Operational Excellence“-Philosophie nicht nur gerecht, sondern es fördert sie aktiv durch die jährliche Verleihung der Sir Henry Royce Technical Innovation Awards.
Für die Optimierung von Unternehmensstrukturen braucht man weder das schlagkräftige Produkt von Ferrari noch das Markenimage von Rolls-Royce. Wichtig dagegen ist, die komplizierten Unternehmensanalysen über Bord zu werfen und sich stattdessen wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das jedenfalls meint Constantine Kazakos, Leiter des Beratungsunternehmens Rational Initiatives Consulting in Stamford (Connecticut, USA). Bevor Kazakos sein eigenes Beratungsunternehmen gründete, war er 20 Jahre lang für Unternehmen wie Ernst & Young, Xerox und IBM tätig gewesen und hatte sich dort mit Operational Excellence befasst.
„Es geht darum, es von Anfang an richtig zu machen und zu wissen warum“, meint Kazakos. „Die Optimierung von Unternehmensstrukturen ist eine Frage von Effizienz und Produktivität in den einzelnen Geschäftsprozessen eines Unternehmens. Man braucht beides“, sagt Kazakos.
Die Formel für unternehmerische Spitzenleistung ist an sich ganz einfach: Geschäftsaktivitäten, die keinen Mehrwert schaffen, also Aktivitäten, für die der Kunde nicht bereit ist zu zahlen und auf die er verzichten kann, müssen laut Kazakos eliminiert oder reduziert werden.
„Es handelt sich um Dinge wie Personalbesprechungen, Berichtswesen, interne Revisionen, Lagerwesen, Konferenzen, innerbetriebliche Prüfungen und Rechnungswesen“, erklärt er. „Sie mögen notwendig sein, aber das Maß, in dem ein Unternehmen sie einschränken oder sogar abschaffen kann, ist entscheidend für die Optimierung der unternehmerischen Leistung.“
Dieser Rat klingt simpel, aber ihn in die Praxis umzusetzen, ist für manches Unternehmen ein schmerzlicher Prozess, vor allem in solchen Firmen, in denen jeder Geschäftsbereich seine Tätigkeit als separaten Teil des Unternehmens betrachtet. So etwas nennt man auch „Silo-Denken“.
Die United Technologies Corporation (UTC), ein amerikanischer Anbieter von Produkten und Dienstleistungen für die Luftfahrt mit Sitz in Hartford (Connecticut), wollte Mitte der neunziger Jahre durch Abschaffung der Silo-Mentalität ihren so genannten „Wertefluss“ verändern. Bis 1993 war UTC eine Holding-Gesellschaft mit selbstständigen Unternehmen, deren Eigentümer gleichzeitig die Erfinder und Vermarkter der jeweils angebotenen Technologie waren. Zur Schaffung einer einheitlicheren Struktur befasste sich UTC zwei Jahre damit, die grundlegenden Geschäftsabläufe ihrer Unternehmen zu analysieren und zu standardisieren.
1996 implementierte UTC ein Betriebssystem mit der Bezeichnung ACE, eine Abkürzung für „Achieving Competitive Excellence“ (Optimierung der Wettbewerbsfähigkeit). Zur ACE-Philosophie gehörte die Devise, Fehler von Anfang an zu vermeiden. Dies führte zu einem Vorbereitungsprozess, bei dem die Qualität eines Produktentwurfs unter Festlegung eines genau definierten Kosten- und Zeitrahmens an das erforderliche Produktionsvolumen gekoppelt wurde.
Das ausschlaggebende Wort ‚Prozess’, meint Kazakos. „Es gibt bestimmte Dinge, die ein Unternehmen zur Optimierung seiner Leistung braucht. Das erste ist, in Prozessen zu denken und diese Prozesse so effizient wie möglich zu gestalten, um das Endziel, zufriedene Kunden, zu erreichen. Das zweite ist die Ernennung von Prozessverantwortlichen und das dritte die Einführung eines Systems zur Messung von Produktivität, von Effizienz. Das vierte ist der ständige Leistungsvergleich mit der Konkurrenz und das fünfte die Fähigkeit, bei Auftreten von irgendwelchen Mängeln sofort Handlungspläne aufzustellen. Wenn all diese Mechanismen vorhanden sind, lassen sich selbst erhebliche Produktivitätsmängel rasch und wirksam korrigieren.“
Carl-Peter Thorwid, Partner des internationalen Beratungsunternehmens Accenture, hat festgestellt, dass funktionsübergreifende Teams die größten Erfolgsaussichten bei der Optimierung der unternehmerischen Leistung haben. „Man kann die Frage der Qualität nicht allein den Technikern überlassen. Andere Bereiche müssen an dieser Diskussion beteiligt werden“, sagt er. „Wichtig ist auch, gleichzeitig in verschiedenen Dimensionen zu arbeiten. Man muss darüber nachdenken, wie das System um den Produktionsprozess herum organisiert und verwaltet werden soll, damit alle Funktionen diesen Prozess optimal unterstützen können.“
Spitzenleistungen wirken sich auf das Ergebnis aus. Thorwid hat Unternehmen gesehen, die ihre Wertschöpfungskosten, also sämtliche Kosten für die Herstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung, um 25 Prozent senken konnten. Da die Wertschöpfungskosten oft 25 bis 50 Prozent der Gesamtkosten eines Produktes ausmachen, bietet sich hier ein Potenzial für enorme Kosteneinsparungen.
Um dorthin zu gelangen, bedarf es eines einheitlichen Fokus. Das stellte auch UTC fest und begann, „die Denk-weise der Beschäftigten zu beeinflussen“, teilweise durch einfache, in allen Unternehmen einheitliche Konzepte für Prozessverbesserungen, die für jedermann greifbar waren. Es wurden auch Messmethoden zur Identifizierung von Problemen, Entwicklung von Lösungen und Beurteilung von Verbesserungen eingeführt. Aus Problemen und Fehlern zu lernen, war dabei ein wichtiger Faktor.
UTC legte ihre Fallstudie zum Thema Operational Excellence den Kollegen des Global Benchmarking Council vor, einer Gruppe von „Fortune 500“-Unternehmen, die sich regelmäßig trifft, um die besten Geschäftsmethoden auszutauschen. Theresa Espesto ist dort für Mitgliederbeziehungen und Veranstaltungsplanung zuständig. Sie habe festgestellt, sagt sie, dass Unternehmen, die ihre Strukturen optimiert haben, sehr darum bemüht seien, das Wissen von Mitarbeitern zu nutzen. Dies gelte nicht nur für Wissen, das von oben nach unten weitergegeben werde, sondern auch für das von der Basis nach oben vermittelte Wissen.
„An einer Schulungsstätte, die von UTC eigens für den Zweck des Wissensaustauschs unter den Beschäftigten eingerichtet worden war, wurden der Geschäftsführer und hohe Führungskräfte von Maschinenbedienern aus der Produktion unterrichtet“, erzählt sie.
„Eine einfache Lektion, aber eine, die viele Unternehmen noch nicht ganz verstanden haben“, so Kazakos. „Meines Erachtens haben die Unternehmen bei ihrer wilden Jagd auf Ergebnisberichte, die monatlich, manchmal sogar wöchentlich erstellt werden, die strategische Perspektive aus dem Auge verloren. Früher hatten Unternehmen eine Fünfjahresstrategie. So etwas findet man heute nicht mehr. Der zeitliche Rahmen wird immer enger und das Tempo immer höher. Unternehmen mit optimierten Strukturen halten ein gesundes Gleichgewicht zwischen ihrer Identität, ihrer Tätigkeit und der Qualität, wie sie diese Tätigkeit ausführen. So einfach ist das.“