Industrie
Mit sicherer Hand zur neuen Generation

Mit sicherer Hand zur neuen Generation

Scania-Projektleiter Lars Bygdén konnte nicht „Nein“ sagen, als er das Angebot bekam, das größte Last­wagenprojekt in der Geschichte des Konzerns zu leiten. Im Laufe der siebenjährigen Entwicklungsphase fragte er sich jedoch so manches Mal, auf was er sich da eingelassen hatte.

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Fakten

LARS BYGDÉN
Geboren: 1972
Wohnort: Rönninge südlich von Stockholm (Schweden)
Arbeitgeber: Scania im schwedischen Södertälje
Familie: Ehefrau, ein 14-jähriger Sohn und eine 11-jährige Tochter
Bevorzugte Freizeitbeschäftigung: Orientierungslauf und andere Sportarten; hat an zahlreichen Skilanglaufwettbewerben in Europa teilgenommen, darunter am 90 Kilometer langen Wasalauf in Schweden und am 70 Kilometer langen Skilanglaufmarathon Marcialonga in Italien.
Ausbildung: Master in Maschinenbau, KTH (Kgl. Technische Hochschule) in Stockholm
Aktuelle Lektüre: The Past and Future of the American Economy von Robert D. Atkinson. Liest sehr gerne Kriminalromane und Bücher über die Funktionsweise von Unternehmen.

Im August 2016 präsentierte der Nutzfahrzeughersteller Scania stolz die nächste Generation seiner Lastwagenreihe. Die neuen Modelle bieten höhere Sicherheit sowie bessere Arbeitsbedingungen für den Fahrer dank eines größeren Sichtfeldes, höheren ergonomischem Komforts, eines Airbags als Überrollschutz, eines kürzeren Bremswegs und Directional Steering. Darüber hinaus verbrauchen die Lastwagen im Schnitt fünf Prozent weniger Kraftstoff als die bisherige Modellreihe.

Der mit Spannung erwarteten Premiere war eine fast zehnjährige Vorbereitungsphase im Scania-Werk in Södertälje, südlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm, vorausgegangen. Mit Entwicklungskosten von 20 Milliarden SEK (zwei Milliarden Euro) ist die prestigeträchtige Baureihe laut Scanias Präsident und CEO, Henrik Henriksson, eines der größten Industrieprojekte Schwedens und „die größte Investition in Scanias 125-jähriger Geschichte“. Die neuen Modelle legten über zehn Millionen Kilometer Testfahrten zurück, geschätzte acht Millionen Arbeitsstunden wurden in das Projekt investiert.

Man muss das Gesamtbild vor Augen haben, sich auf seine Ziele konzentrieren, planen und rasche Entscheidungen treffen.
Lars Bygdén

Lars Bygdén, Senior Project Manager bei Scania, trug die Verantwortung für den Erfolg des Projektes. „Ich war mir zunächst über den Umfang des Ganzen nicht im Klaren“, erinnert er sich, „und 2016 schien mir damals sehr weit weg.“ Bygdén sah das Projekt jedoch als einmalige Chance, die er nicht ungenutzt lassen konnte.

Um den Überblick zu bewahren, war gründliche Koordination und Planung notwendig. Das Projekt wurde in fünf Kategorien eingeteilt: Innenausstattung, Exterieur, Fahrgestell, Motor und Elektrik. Jede Kategorie umfasste bis zu 15 Unterprojekte mit jeweils einem Projektleiter. „Es dauerte eine Weile, bis wir für alles gute Routinen gefunden hatten und vorankamen“, erzählt Bygdén.

Natürlich tauchten im Laufe der Zeit immer wieder technische Probleme und unliebsame Überraschungen auf. So entstanden zum Beispiel nach Probefahrten auf unebenen Straßen in Südamerika an den Testfahrzeugen Risse. „Wir glaubten, einen guten Lastwagen zu haben. Nach dieser Belastungsprobe mussten wir jedoch unsere Testlaster neu berechnen, verstärken und umbauen“, so Bygdén. „Das brachte uns und unsere Zulieferer an unsere Grenzen, aber dafür haben wir heute ein robusteres Fahrzeug.“

Lars Bygdén mit Erik Ljungberg
Lars Bygdén (links) mit Erik Ljungberg, Senior Vice President und Leiter Corporate Relations Södertälje, Schweden.

Eine andere Herausforderung bestand darin, die neue Modellreihe in der Entwicklungsphase vor den neugierigen Blicken von Journalisten, Fotografen, anderen Scania-Mitarbeitern und der Öffentlichkeit zu schützen. Es war nicht leicht, sie so viele Jahre lang buchstäblich zu verhüllen, insbesondere, als der Zeitpunkt für Testfahrten auf öffentlichen Straßen gekommen war. Einige Medien gingen sogar soweit, mit Kameras bestückte Drohnen einzusetzen.

„Wir mussten die Testfahrzeuge auf unterschiedliche Weise unkenntlich machen“, sagt Bygdén. „An einigen brachten wir außen Kunststoffteile an, um sie älter aussehen zu lassen. Und jedes Mal, wenn die Fahrzeuge aus irgendeinem Grund anhalten mussten, zogen wir die Vorhänge vor, um die Innenausstattung des Fahrerhauses zu verbergen.“

Auch die Konkurrenz musste auf Abstand gehalten werden. Designrechte konnten daher erst in letzter Minute eingetragen werden, um proprietäre Informationen nicht zu früh zu veröffentlichen und Nachahmungen vorzubeugen. Die Geheimhaltung war so wichtig, dass Scania zur kontinuierlichen Sicherstellung der vertraulichen Handhabung von Projektdetails Vollzeitkräfte beschäftigte.

Als Volkswagen und Scania 2014 fusionierten, stellte die neue Führungsspitze mit ihrer anderen Kultur und Arbeitsweise Bygdén vor eine weitere Herausforderung. „Das war für mich anfangs nicht leicht, aber nachdem wir uns besser kennengelernt und aneinander angepasst hatten, lief alles gut“, sagt er. Gleichzeitig betont Bygdén, dass Transparenz in Geschäftsleitung und Organisation ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur bei Scania sei. So könne man Probleme durch offene Gespräche lösen.

Die Projektleitung erforderte vielfältige Fähigkeiten. „Eine meiner Stärken ist es, den Teamgeist der Mitarbeiter im Interesse eines gemeinsamen Ziels zu fördern“, erklärt Bygdén. „Bei einem so großen Projekt ist Kommunikation extrem wichtig. Die Leute brauchen einen Gesamtüberblick, um sich einbezogen zu fühlen. Meine Aufgabe ist es, sie zu inspirieren und zu motivieren, aber auch konkrete Anforderungen zu stellen und Fristen zu setzen. Es ist besser, sich auf die Etappenziele zu konzentrieren als sich in alle Details einzumischen. Man muss der Kompetenz und den Fertigkeiten der Projektmitarbeiter vertrauen.“

Dass er ein Sportsmann mit „ein wenig Wettbewerbsgeist“ ist, habe ebenfalls nicht geschadet, fährt Bygdén fort. Der Schwede ist leidenschaftlicher Orientierungsläufer und sieht eindeutig Parallelen zwischen diesem Sport und seiner Tätigkeit. „Beim Orientierungslauf braucht man Navigation. Man muss das Gesamtbild vor Augen haben, sich auf seine Ziele konzentrieren, planen und rasche Entscheidungen treffen. Genau diese Fertigkeiten benötige ich jeden Tag bei meiner Arbeit.“

SKF Technologie ist überall in Scanias neuer Lastwagengeneration zu finden, so zum Beispiel in den Getriebe-, Gelenkwellen- und Motorlagern oder bei den Dichtungen. SKF stellt auch Lineartechnik für den Windabweiser sowie eine aktualisierte Version ihrer Radlagereinheiten (Hub Bearing Units) für die Lkw-Vorder- und Hinterräder bereit.

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