Diagnose auf hoher See

 

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Die Offshore-Industrie verlässt sich für die Ausführung ihrer Tätigkeit zunehmend auf Telekommunikation. Für BP in Norwegen ist eine von Land aus ferngesteuerte Bohrplattform schon in greifbare Nähe gerücktWie ein Raumschiff im All muss auch eine Offshore-Bohrplattform Informationen senden und empfangen, um funktionieren zu können. Diese Informationen wie etwa Arbeitszeitnachweise, Wartungs- und Produktionsberichte, Arbeitsaufträge und sogar Verpflegungslisten werden mit einer Organisation an Land ausgetauscht, die wie ein Kontrollturm alles verarbeitet und somit auf ihre Weise dafür sorgt, dass die Ölproduktion nicht ins Stocken gerät.
BP in Norwegen, eine Geschäftseinheit des weltweit tätigen BP Konzerns, setzt bei der Ausübung der Unterstützungsfunktionen zunehmend modernste Technologie ein. Videokonferenzen, Online-Zustandsüberwachung von wichtigen Anlagen und andere rechnergestützte Instrumente werden in der Hauptverwaltung in Stavanger immer häufiger verwendet, um die Arbeit auf den Bohrplattformen zu rationalisieren.
„Die Kommunikation ist das A und O“, sagt Reidar Waldeland, ein Wartungstechniker von BP, der für die Ölfelder im südlichen Teil des norwegischen Festlandsockels in der Nordsee zuständig ist. „Offshore-Wartungsarbeiten erfordern eine sorgfältige Planung und somit einen hohen Bedarf an Kommunikation.“ Mit Erlaubnis der Regierung, vier Ölfelder in norwegischen Gewässern zu erschließen, betreibt BP Norwegen insgesamt neun Bohrinseln, die zusammen 150.000 Barrels pro Tag produzieren.
Für Außenstehende ist eine Bohrinsel nur ein Wirrwarr von Rohren, Ventilen, Kompressoren, Tanks, Abscheidern, Pumpen und Turbinen. Hier herrschen außerdem die härtesten aller denkbaren Einsatzbedingungen für den Betrieb solcher Maschinen und Anlagen.

Videokonferenz
Mit Hilfe von Videokonferenzen ist es möglich, dass Techniker an Land und auf der Bohrplattform gemeinsam und in Echtzeit Wartungsfragen diskutieren und einschlägige Unterlagen studieren. Das gleiche gilt für das umfangreiche Rechnernetzwerk von BP, in dem gleichzeitig an mehreren Stellen dieselben Diagramme online analysiert werden können, während die Techniker miteinander telefonieren. Außerdem überwachen ferndiagnostische Instrumente die Funktionsweise der Anlagen und schicken die Informationen an die Küsteneinrichtungen. Eine umfangreiche Datenbank, in der sämtliche Wartungsroutinen und die Geschichte einer jeden Anlage auf der Bohrplattform erfasst sind, steht den Technikern sowohl an Land als auch auf der Plattform zur Verfügung.
Hitec, ein für BP, Shell, Statoil und andere Ölgesellschaften tätiges Unternehmen in Stavanger, betreibt zurzeit ein Pilotprojekt, bei dem eine kleine Kamera auf einen Helm montiert wird. Auf diese Weise lassen sich Ansichten von Komponenten und Anlagen aus der Perspektive des Plattformtechnikers an die Küsteneinrichtung übermitteln. Auch eine Tonübertragung ist möglich.
„Eine Ansicht aus der Perspektive des Technikers zu bekommen und gleichzeitig Ratschläge geben zu können, wäre eine enorme Hilfe bei der Fehlersuche“, meint Waldeland. „Die Ausrüstung ist bereits getestet und wird bald auf dem Markt eingeführt werden.“
Während die Kommunikation von der Bohrinsel zur Küste in der Regel über Satellitenverbindungen erfolgt, haben Plattformen am norwegischen Festlandsockel den ungewöhnlichen Vorteil, genau oberhalb eines 950 Kilometer langen Glasfaserkabels angesiedelt zu sein, das sich zwischen Großbritannien und Norwegen erstreckt. Faseroptische Verbindungen sind der Satellitenkommunikation überlegen, erfordern jedoch Signalverstärkung über weite Entfernungen.
Seit Mai 1999 fungiert die Valhall-Plattform von BP als Booster-Station für das Kabel mit einer Leistung von 30 Gigabyte. Für diese Dienstleistung erhält BP 310 Megabyte kostenlos, eine Kapazität, die mehr als ausreicht, um den Datenübertragungsbedarf zu decken.
„Damit haben wir ein gutes Geschäft gemacht“, kommentiert der Techniker Ole Jørgen Narvestad, der bei BP für rotierende Anlagen zuständig ist. Eine weitere interessante Entwicklung, die BP derzeit untersucht, ist die Möglichkeit, die Plattformen von Land aus mit Strom zu versorgen. Bisher erzeugen gewaltige Turbinen auf den Bohrinseln den gesamten Strom.
Die gasgetriebenen Turbinen geben Kohlendioxid ab und erfordern wie alles andere auf einer Bohrplattform einen hohen Wartungsaufwand. Die Nutzung der in Norwegen reichlich vorhandenen Wasserkraft ist eine Alternative.

Fernsteuerung
Die erstaunlichste Entwicklung ist jedoch nach Ansicht von BP-Technikern die Tatsache, dass es heute bereits technisch möglich ist, eine Bohrplattform von Land aus fernzusteuern. Für eine Ölgesellschaft wie BP bestünde der Vorteil dieser Technik darin, dass Personal von den Plattformen abgezogen und an Land eingesetzt werden könnte. Auf diese Weise ließen sich Kosten für Transporte, Verpflegung, Offshore-Zulagen und so weiter einsparen. BP könnte dadurch auch das Sicherheitsniveau seiner gesamten Tätigkeit in Norwegen erhöhen, weil weniger Zeit in Hubschraubern und auf exponierten Offshore-Anlagen verbracht werden müsste.
Schon heute wird eine kleine unbemannte Plattform von der Valhall-Plattform aus betrieben. Für das neue Tambar-Ölfeld, wo voraussichtlich im Sommer 2001 die Ölproduktion beginnen wird, ist eine weitere unbemannte Satellitenplattform geplant, die an die nahe gelegene Ula-Plattform über Rohrleitungen und Datenübertragungskabel gekoppelt werden soll.
„Zunächst aber sind noch jede Menge regulative Fragen zu klären, bevor diese Technik auf breiter Basis eingesetzt werden kann“, meint der Wartungstechniker Reidar Waldeland. „Aber die Fernsteuerung von Bohrplattformen ist eindeutig die Richtung, in die sich BP bewegen wird.

Alexander Farnsworth
Journalist in Stockholm
Fotos BP/Kjetil Alsvik

 

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