Engineering Competence

Entwicklung von Großlagern für die Windenergie mithilfe modernster Prüfstandstechnik

Die regenerative Energieerzeugung durch Offshore-Windenergieanlagen gewinnt weiter an Bedeutung. Die Anlagen werden leistungsfähiger und die Anforderungen an die Antriebskomponenten steigen. Eine umfassende Prüfung von Rotorlagern ist daher wichtiger denn je um einen zuverlässigen Betrieb über die Anlagenlebensdauer zu gewährleisten.

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Im Juli 2019 hat SKF auf seinem Prüfstand für Hauptwellenlager mit der Beschleunigung des SKF Nautilus Lagers auf 30 U/min einen Meilenstein gesetzt. Derartig hohe Drehzahlen können sowohl die Dauer, als auch die Kosten von Lebensdauerprüfläufensenken.

Der Test fand im branchenführenden Sven Wingquist Test Center (SWTC) in Schweinfurt statt. Das mit einem Designpreis ausgezeichnete Prüfzentrum ist speziell für Tests von Großlagern konzipiert und stellt sicher, dass die Lager die industriellen Anforderungen erfüllen.

Leistungsstärkster Prüfstand

Das SWTC reproduziert innerhalb weniger Wochen alle denkbaren Belastungen, denen ein Lager im Laufe seiner Betriebsjahre ausgesetzt sein könnte. Dieses beschleunigte Prüfprogramm spart Zeit, Geld und Energie.

Das Sven Wingquist Test Center von SKF in Schweinfurt ist bei den „International Architecture Awards“ mit dem Designpreis in der Kategorie „Industrial“ ausgezeichnet worden.
Der Hauptwellenprüfstand (MSTR) ist eine der Testanlagen im SWTC und weltweit der leistungsstärkste Prüfstand für Großlager. Hier können einzelne Lager mit einem Außendurchmesser von bis zu sechs Metern sowie komplette Lagerbaugruppen mit den dazugehörigen Komponenten getestet werden. Stefan Engbers, Produktentwicklungsingenieur in der Produktentwicklung für Hauptwellenlagerungen von Windenergieanlagen, erklärt: „Der MSTR ermöglicht es uns reale Windbelastungen mit sehr hoher Dynamik aufzubringen. So können wir die Lagerung und die Komponenten unter normalen und extremen Betriebsbedingungen, wie zum Beispiel Sturm, Steuerungsausfall und mehr, testen.

Abwechslungsreiches Prüfprogramm

Früher waren die Prüfmöglichkeiten begrenzt, weil geeignete Prüfzentren für Großlager und so gewaltige Komponenten fehlten. Mit dem MSTR ist SKF nun in der Lage, eine Vielzahl von verschiedener Prüfungen durchzuführen. Diese Tests können Minuten, Wochen oder sogar Monate dauern. Modernste Technik erlaubt dabei die Messung von Temperatur an verschiedenen Stellen, Eingangslast, Drehzahl, Prüfstandslast, Reibungsmoment des Lagers, Schwingungen des Lagers und des Testaufbaus; Wälzkörper-Kinematik sowie Deformationen des Prüfaufbaus und verschiedener Komponenten.

Stefan Engbers, Produktentwicklungsingenieur bei SKF.
Intelligente, von SKF entwickelte Sensoren ermöglichen einen direkten Blick in das Lagerinnere. „Wir können die auf die Rollen einwirkende Belastung messen und so die belastete Zone des Lagers auswerten.“, erklärt Engbers. „Darüber hinaus können wir erfassen, wie schnell die Rollen rotieren, ob sie gleiten und vieles mehr. Die Messdaten werden mit den Simulationstools von SKF verglichen und zeigen eine sehr gute Übereinstimmung.“, fährt Engbers fort. „So kann SKF seine Prüf- und Simulationskompetenz weiterentwickeln.“

Das Testlager wurde am MSTR bis auf 30 U/min beschleunigt – ein Meilenstein und derzeit die Obergrenze des Hauptwellenprüfstands. Schnellere Drehzahlen erhöhen unmittelbar die Zahl der Überrollungen im Lager. Auf diese Weise werden die Anforderungen einer Lebensdauerprüfung in wesentlich kürzerer Zeit erfüllt, was sich positiv auf Kosten und Dauer des Prüfprogramms auswirkt. Extrem hohe Drehzahlenwirken sich zudem kritischer auf die Lagerkomponenten, wie Käfigsegmente, aus. Wegen der schnelleren Rotation steigen die im Lager wirkenden Kräfte beträchtlich, etwa in Form von Trägheitsmomenten und Rollenbelastung auf Führungsbord und Käfige. Der mit circa der halben Lagerdrehzahl rotierende Rollensatz hat eine Masse von 1,6 Tonnen. Das entspricht einem Mittelklassewagen. Für die Beschleunigung von 0 auf 30 U/min stehen dem MSTR 880 kW zur Verfügung. Zum Vergleich: Die Drehzahl eines normalen Rotors einer großen Windturbine liegt ungefähr zwischen 5 und 20 U/min. Die Tatsache, dass der Prüfstand diese hohen Drehzahlen erreicht, verkürzt die Prüfdauer und ermöglicht Tests unter extremen Bedingungen.

Der Hauptwellenprüfstand (MSTR) im Sven Wingquist Test Center (SWTC) von SKF ist weltweit der leistungsstärkste Prüfstand für Großlager. Hier können einzelne Lager mit einem Außendurchmesser von bis zu sechs Metern oder ganze Lagereinheiten getestet werden.
„Die in den Testläufen gewonnenen Erkenntnisse bilden eine solide Basis für die zukünftige Produkt- und Anwendungsentwicklungen. Sie werden dafür sorgen, dass SKF eine Spitzenposition bei Großlagern und in der Windenergiebranche einnimmt.“, sagt Jürgen Reichert, Leiter der Entwicklungsabteilung und des Anwendungskompetenzzentrums für Hauptwellenlagerungen in Windenergieanlagen. Thomas Zika, Manager des Sven Wingquist Test Centers, ergänzt: „Unsere Hauptwellenprüfungen werden einen spürbaren Einfluss auf die Industrie haben. Der reicht von kürzeren Entwicklungszeiten, beziehungsweise einer schnellerer Serienreife, über robustere Großlager bis hin zu geringeren Betriebskosten und risiken.“

Der derzeitige Testlauf geht bis Ende 2020. Er beinhaltet auch einen Austausch des Prüflings gegen ein Lager mit anderer Innengeometrie. Zur optimalen Nutzung des MSTR sind die Testläufe für 2021 und danach bereits in Vorbereitung.

Weg in die Zukunft

Die seither durchgeführten Messungen haben den Vergleich von verschiedenen Betriebsbedingungen zwischen Prüflauf und Simulation ermöglicht.

„Bisher sind wir mit den gesammelten Daten sehr zufrieden.“, sagt Engbers. „An die kommenden Testläufe haben wir hohe Erwartungen. Prüfungen, die an solche Grenzen gehen, sind für die Entwicklung robuster Windturbinen von ganz entscheidender Bedeutung, zumal sich Windenergieanlagen in Zukunft in der 15-Megawatt-Klasse und darüber bewegen werden.“

Ein SKF Nautilus Lager während der Montage.
Das Nautilus-Lager wird noch mehrere Wochen durch Aufbringen von hohen dynamischen Kräften, realistischen Windlasten und Dauerbelastungen in einem kontinuierlichen Testzyklus geprüft werden.

Neben dem Nautilus-Lager sollen auf den vier Prüfständen des SWTC auch andere Lagertypen getestet werden, darunter große mehrreihige Zylinderrollenlager, einreihige Kegelrollenlager, Pendelrollenlager, CARB-Lager und weitere Lagertypen.

SKF Nautilus-Lager

Das SKF Nautilus Lager ist mit einem Außendurchmesser von bis zu vier Metern und einem Gewicht von rund 14 Tonnen ein Gigant unter den Lagern. Es wird als Rotorlager in Windturbinen mit einer Nennleistung von 8 MW eingesetzt und trägt die Last des Rotors und der Rotorblätter sowie die auf den Rotor einwirkenden Windlasten.

Die SKF Nautilus Lagerlösung ist ein zweireihiges Kegelrollenlager in O-Anordnung. Sie erfüllt die Aufgabe von zwei Einzellagern, so dass der gesamte Antriebsstrang kompakter ausgeführt werden kann. Hinzu kommt, dass das SKF Nautilus Lager für besondere Lageranordnungen in das Getriebe integriert werden kann, obwohl es immer noch als Hauptwellenlager fungiert.

Die SKF Nautilus Lager in Windenergieanlagen haben eine zu erwartende Lebensdauer von über 20 Jahren, eine gründliche Prüfung dieser Lager ist also extrem wichtig.

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