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Exzellente Leistung

In den Chefetagen von Unternehmen ist immer öfter die Rede von „Business Excellence“. Die Konzepte und Kriterien, die sich hinter diesem Begriff verbergen, werden weltweit als Richtschnur für die Unternehmensführung im 21. Jahrhundert gepriesen.

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Zur Erklärung des Business Excellence-Konzepts benutzt der amerikanische Managementberater Joe Muzikowski gerne das uralte indische Gleichnis von sechs blinden Männern und einem Elefanten. Darin untersucht jeder Mann einen anderen Körperteil , wie zum Beispiel den Rüssel oder einen Stoßzahn. Dann vergleichen sie ihre Erfahrungen untereinander und stellen fest, dass jede individuelle Erfahrung zu ihrer eigenen, vollständig unterschiedlichen Schlussfolgerungen führt. „Wenn man wie diese Blinden nur die einzelnen Teile einer Organisation betrachtet, trifft man Entscheidungen auf der Grundlage begrenzter Informationen“, sagt Muzikowski, leitender ISO 9000-Auditor, Six Sigma Master Black Belt und ehemaliger leitender Prüfer für den Malcolm Baldrige National Quality Award, der weltweit als eine der renommiertesten Auszeichnungen für herausragende Geschäftsführung gilt. „Für mich ist Business Excellence ein ganzheitliches Konzept, das Höchstleistungen in jedem Bereich einer Organisation anstrebt“, meint er. „Das klingt vielleicht simpel, aber es ist in der Tat eine schwierige Gratwanderung.“

In den letzten 25 Jahren haben sich Unternehmen in allen Teilen der Welt an diesem esoterischen Balanceakt versucht, den man Business
Excellence nennt. Anders als die Dutzenden von Standardisierungsmodellen wie ISO und Lean Production, die sich ausschließlich auf Produkte und Prozesse konzentrieren, ist Business Excellence sowohl ein Orientierungsrahmen als auch eine Denkweise und zielt darauf ab, durch bestmögliche Nutzung von modernen Managementgrundsätzen und Produktionsinstrumenten Unternehmen zur Optimierung ihrer Leistung zu verhelfen. „Ich glaube, Business Excellence lässt sich am besten als ganzheitliche Vision zur Verbesserung der Prozessqualität und des Markterfolgs beschreiben. Das Konzept weckt eine Leidenschaft für einen fortwährenden Lernprozess“, kommentiert Harry Hertz, Chemieforscher, Organisationsexperte und Leiter des in den USA und weltweit hoch angesehenen Baldrige-Programms als Standard für Business Excellence.

Ursprünglich richtete sich dieses Programm vor allem an kleinere Fertigungs- und Dienstleistungsbetriebe in den USA und zielte darauf ab, durch Umsetzung der Baldrige-Kriterien für exzellente Leistung (Performance Excellence) einen kundenorientierten Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Der Website www.nist.gov/baldrige zufolge geben die Kriterien den Unternehmen Richtlinien zur Selbstbewertung ihrer Leistung in sieben Kategorien an die Hand. Dazu gehören Führung, strategische Planung, Kundenfokus, Bewertung, Analyse und Wissensmanagement, Personalfokus, Betriebsfokus und Ergebnisorientierung. 

„Anfänglich lag unser Schwerpunkt auf der Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität, so wie es ISO, Lean und Six Sigma heute tun“, erklärt Hertz. „Aber wir haben uns im Laufe der Zeit weiterentwickelt.“ Abgesehen davon, dass das Baldrige-Modell neben Wirtschaftsunternehmen inzwischen auch Organisationen im Ausbildungs- und Gesundheitswesen sowie gemeinnützige staatliche und nicht-staatliche Einrichtungen umfasst, geht es heute um Business Excellence auf breiter Front durch „Lernprozesse und Austausch von erfolgreichen leistungsorientierten Methoden, Prinzipien und Strategien“, so Hertz.

Eine wichtige Säule des Programms ist der Malcolm Baldrige National Quality Award. Die Auszeichnung wird jedes Jahr an Organisationen vergeben, die nachweislich über ein hervorragendes System für das Management von Produkten, Dienstleistungen, personellen Ressourcen und Kundenbeziehungen verfügen. 

Die Bewerbung um den Baldrige Award setzt einen rigorosen Bewertungs- und Feedback-Prozess voraus. Von den rund 1.500 Unternehmen und Organisationen, die seit der Einführung des Programms 1987 einen Antrag gestellt haben, wurden bisher nur 91 mit dem Preis ausgezeichnet. Was diese Preisträger vereint, ist den Programmorganisatoren zufolge „ein exemplarisches Managementsystem, das kontinuierliche Verbesserungen bei der Bereitstellung von Produkten und/oder Dienstleistungen gewährleistet, effiziente und effektive Betriebsabläufe ermöglicht und den Interessen und Wünschen von Kunden und sonstigen Stakeholdern gerecht wird.“

Eines der ersten Unternehmen war bezeichnenderweise Motorola, die Wiege von Six Sigma, einem Konzept zur Veränderung der Geschäftskultur, das Hertz als Mischung aus Standardisierungsinstrumenten und den Baldrige-Kriterien für Business Excellence beschreibt. „Six Sigma wurde von Jack Welch und General Electric aufgegriffen und begann dann seinen globalen Siegeszug, aber Baldrige war die Grundlage dafür“, meint er.

Fünf Unternehmen ist es sogar gelungen, den
Baldrige Award zweimal zu bekommen. Einer kürzlich durchgeführten Untersuchung zufolge haben sie in den Jahren zwischen den beiden Auszeichnungen zwanzig Mal mehr Arbeitsplätze geschaffen und um 93 Prozent höhere Ertragszuwächse erzielt als ihr jeweiliger Branchendurchschnitt.

Seit das Baldrige-Programm ins Leben gerufen wurde, sind in vielen westlichen Ländern ähnliche Institutionen entstanden. Die wichtigste ist die Brüsseler EFQM (European Foundation for Quality Management) mit über 500 Mitgliedern in 55 Ländern und 50 Branchen. Sie bezeichnet sich auf ihrer Website (www.efqm.org) als „Wächter des EFQM Excellence Model, eines Geschäftsmodels, das über 30.000 Organisationen weltweit auf ihrem Weg zu Sustainable Excellence unterstützt.”

Die EFQM wurde 1988 von den Konzernchefs in 14 multinationalen Industrieunternehmen gegründet, darunter AB Electrolux, Nestlé, Fiat, KLM, Philips, Renault und Volkswagen. EFQM formuliert (und verleiht Auszeichnungen) für Business Excellence nach acht Baldrige-inspirierten Grundkonzepten wie zum Beispiel Fokus auf Kundennutzen, kontinuierliches Lernen, Partnerschaftsentwicklung und gesellschaftliche Verantwortung.

„Die Business Excellence-Kriterien liefern einen guten Orientierungsrahmen für die Leistungsbewertung“, kommentiert Rose Almon-Martin, Vice President Performance Excellence, Marketing Services and Corporate Procurement bei MEDRAD, einer Tochter von Bayer Healthcare, Teil der deutschen Bayer AG. MEDRAD produziert und vertreibt medizinische Ausrüstung wie Injektionssysteme für das Fluid-Management in der Radiologie und Kardiologie sowie Ausrüstung für bildgebende Verfahren wie die Computer-und Magnetresonanztomografie. Das in den USA ansässige Unternehmen wurde zweimal – 2003 und 2010 – mit dem Baldrige Award ausgezeichnet.

Laut Almon-Martin verbessert das Business Excellence-Konzept nicht nur die Leistungsindikatoren des Unternehmens in praktisch jedem Bereich, sondern es sorgt auch für ungeahnte Produktions- und Ergebnissteigerungen. „Wenn alle am gleichen Strang ziehen und dieselbe Vision teilen, wirkt sich das enorm auf die Effizienz aus“, sagt sie. „Es stärkt den Teamgeist und das Selbstbewusstsein und zwingt einen, über die Gewinnmaximierung hinaus zu denken.“

The SKF Bridge of Business Excellence
Claes Rehmberg, Leiter SKF Group Business Excellence, ist seit drei Jahren Wegbereiter eines echten Kulturwandels, der die gesamte Organisation in allen Teilen der Welt ergriffen hat.

Rehmberg erinnert sich noch an das letzte Mal, als SKF eine so grundlegende Veränderung vollzog. Das war Ende der 1980er Jahre, und SKF suchte nach Rationalisierungsslösungen, was schließlich zur Einführung des Lean Production-Modells führte.

„Wir gingen von einem auf Serienfertigung basierenden Betrieb zum so genannten Channel-Konzept über“, erzählt Rehmberg, der 1975 in dem gigantischen SKF Komplex in Göteborg als Maschinenbauingenieur begann. „Das Unternehmen führte das Channel-Fertigungsprinzip weltweit in allen 90 Werken ein und verbesserte jeden ‚Produktionskanal’.“

Rehmberg stellt die Auswirkungen der jüngsten Veränderungen im Geschäftsbetrieb von SKF unter dem 2008 eingeführten und 2010 umgesetzten Banner von SKF Bridge of Business Excellence auf die gleiche Stufe.

Als eigene Version des internationalen Lean/Business Excellence-Modells basiert SKF Bridge of Business Excellence auf den vier SKF Werten – Übertragung von Verantwortung, Ethik, Offenheit und Teamwork – sowie auf den fünf Leitmotiven – Rentabilität, Qualität, Innovation, Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit. Diese Werte und Treiber sollen sicherstellen, dass SKF auch in den nächsten Jahren weltweit an vorderster Front der Fertigungs-industrie steht. 

„Das SKF Bridge of Business Excellence-Modell baut auf dem Erfolg des Channel-Konzepts auf und verleiht ihm eine völlig neue Dimension“, meint Rehmberg. „Es setzt sich mit der grundlegenden Definition des Begriffs Geschäft auseinander. Wir wollen unseren Kunden auf möglichst effektive und effiziente Weise einen Nutzen bieten.“

Der zentrale Punkt ist die Freisetzung des gewaltigen Wissenspotenzials der rund 45.000 SKF Mitarbeiter, von denen der größte Teil an Standorten außerhalb Schwedens beschäftigt ist. Das erreicht man, indem man sie dazu ermutigt, sich am Arbeitsplatz sowohl mit ihrer fachlichen als auch mit ihrer sozialen Kompetenz stärker einzubringen.

Zu diesem Zweck werden Führungskräfte aller Geschäftsbereiche und geografischen Regionen zu so genannten Business Excellence Boot Camps an ihrem Standort oder in Schweden eingeladen, um dort ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern. Ihre neu erworbenen Kenntnisse sollen sie dann an Mitarbeiter weitergeben. Auf diese Weise schafft man, wie Rehmberg es nennt, „eine kritische Masse“ von geschulten Managern im SKF Konzern.

Rehmberg zufolge zahlt sich das neue Programm für kontinuierliche Verbesserungen bereits aus und zeigt sowohl materielle als auch immaterielle Erfolge. „Bei der Abfall­reduktion sind wir schon deutlich effizienter geworden“, sagt er. „Es ist unseren Leuten inzwischen zur Gewohnheit geworden sich zu fragen ‚Bringt mein Handeln den Kunden einen Nutzen? Tue ich das Richtige?’. Das ist kein Projekt mit einem Anfang und einem Ende. Wir haben einen Weg angetreten, der uns in eine bessere Zukunft führt. Davon sind wir überzeugt“, schließt Rehmberg.

 

 

 

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