Hightech macht Erzbergwerk konkurrenzfähig

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Während die Konkurrenten ihr Eisenerz im Tagebau gewinnen, muss LKAB in Schweden in große Tiefen vordringen, um Erz abzubauen. Wettbewerbsfähigkeit lässt sich hier nur durch Spitzentechnologie sicherstellenIn Kiruna, fast am nördlichsten Zipfel Schwedens, 250 km nördlich des Polarkreises, befindet sich eines der modernsten Erzbergwerke der Welt. Betreiber ist LKAB, derzeit der einzige bedeutende Produzent von Eisenerz in der Europäischen Union. Von der gesamten Produktion gehen 80 Prozent in den Export, aber auf dem Weltmarkt herrscht ein scharfer Wettbewerb. Die südamerikanischen, australischen und kanadischen Produzenten haben zudem oft bessere Voraussetzungen für den Erzabbau als LKAB.
Während die Konkurrenten gewaltige Erzvolumen problemlos im Tagebau gebwinnen, muss LKAB das Erz aus großen Tiefen an die Oberfläche befördern. Diese Mehrarbeit ist natürlich mit Mehrkosten verbunden, und da Arbeitskraft in Schweden relativ teuer ist, geht dies zu Lasten der Produktionskosten und Konkurrenzfähigkeit. Hinzu kommen die langen und kostspieligen Transporte, denn nördlich des Polarkreises sind die Entfernungen groß.
All dies hat LKAB zu der Erkenntnis gebracht, dass die Zukunft des Unternehmens davon abhängt, auch weiterhin in die richtigen Produkte, in Spitzentechnologie und in effektive Produktion zu investieren.
Die richtigen Produkte – das bedeutet für LKAB, sich voll und ganz auf Veredelung zu konzentrieren. Das Ziel ist, 80 Prozent der Eisenerzgewinnung zu Pellets von unterschiedlicher Qualität zu veredeln. Im Vergleich dazu machten 1980 Pellets nur 40 Prozent der Produktion aus.
LKAB hat in Technologie und Produktivität sowohl überirdisch als auch unterirdisch investiert. Was den Untertagebau betrifft, können zum Beispiel Bohrvorgänge und Transporte inzwischen ferngesteuert werden. Selbst das Beladen erfolgt heute über Fernsteuerung. Überirdisch hat das Unternehmen in eine neue Aufbereitungs- und Pelletsanlage investiert. Außerdem übernimmt LKAB über das Tochterunternehmen MTBA – Malm Trafic AB nun auch die Erztransporte zu den Häfen in Narvik und Luleå.

Fokus auf Veredelung
LKAB sieht sich heute eher als hochtechnologisches Veredelungsunternehmen und nicht mehr „nur“ als Bergwerk, was LKAB noch abhängiger von personeller Kompetenz macht als es bisher schon der Fall war. Wenn die Produktion nach dem „Just-in-Time“-Prinzip betrieben wird, kann man sich Ausfälle nicht leisten. Die gesamte Kette, von der Erzgewinnung bis zur Auslieferung, und alle daran Beteiligten müssen einwandfrei funktionieren, damit gesteckte Ziele erreicht werden. Roger Johansson, Wartungstechniker in der Aufbereitungsanlage in Kiruna, ist ein typisches Beispiel für jene menschliche Kompetenz, ohne die die Spitzentechnologie nicht auskommt.
„Wartungstechniker, die herumgehen und Maschinenfehler nach Gehör diagnostizieren, indem sie ihr Ohr gegen einen Schraubenzieher halten, gibt es nicht mehr“, stellt Johansson fest. „Heute arbeiten wir nur noch an Computern und analysieren den Zustand der Maschinen.“
Johanssons Aufgabe ist es, Betriebsausfälle in der Aufbereitungsanlage zu vermeiden, denn so etwas könnte Konsequenzen für die gesamte Produktion in Kiruna haben. Sämtliche Wartungsarbeiten sollen möglichst während der beiden geplanten einwöchigen Betriebsunterbrechungen vorgenommen werden und nicht nach eingetroffenen Störfällen.
„Mein Job ist es, für LKAB Geld zu sparen“, meint Johansson. Die Kosten für einen Betriebsausfall werden mit 120.000 Schwedenkronen pro Stunde (13.000 Euro) angegeben. Die Höhe der möglichen Folgekosten durch Goodwillverlust gegenüber den Kunden und Schadensersatzzahlungen bei ausgebliebener Lieferung ist schwerer zu berechnen, aber eins steht fest: ein Betriebsausfall käme LKAB sehr teuer zu stehen. Mit schmutzigem Arbeitsanzug, Gummistiefeln und Helm auf dem Schreibtisch, Öl an den Händen und im Gesicht, entspricht Roger Johansson nicht richtig dem Bild des üblichen Computeranwenders.
„Ja, das hier lässt sich nicht gerade als klinisch reines Arbeitsmilieu bezeichnen mit Frauen und Männern in weißen Kitteln an Computern, wie man es manchmal im Fernsehen sieht“, lacht Johansson.
In der Aufbereitungsanlage ist alles mit einer dünnen Schicht von schwarzem Erzstaub überzogen. Johansson hat gerade die Tastatur seines Rechners austauschen müssen, weil der Staub die alte unbrauchbar gemacht hatte. Die Rechner an sich haben jedoch so gut wie keine Probleme mit diesen Verhältnissen, auch wenn sie etwas mitgenommen aussehen.

Gefühl für Vibrationen
Um den Wartungstechniker Roger Johansson kreist buchstäblich alles in dieser Aufbereitungsanlage von LKAB, denn hier haben Lager eine entscheidende Funktion. Mit Hilfe des rechnergestützten Wartungssystems überwacht er die Vibrationsniveaus der Lager in den fünf großen Mahlwerken der Aufbereitungsanlage. „Die Lager sind das Herz oder das Nervensystem der Maschinen. Vom Zustand der Lager können wir auf den Gesamtzustand der Maschine schließen“, erklärt er.
Nur am Computer zu sitzen, ein paar Daten einzugeben und dann die Füße hochzulegen und den Rest der Spitzentechnologie zu überlassen, reicht allerdings nicht. Wenn das System anzeigt, dass möglicherweise ein Lager defekt ist, fängt Johanssons Arbeit an. Dann gilt es, die Kurven und Ziffern auf dem Bildschirm zu analysieren und richtig zu deuten. Worin besteht der Fehler? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden?
Das Wartungssystem ermöglicht eine äußerst detaillierte Analyse des Maschinenzustands.
Roger Johansson setzt sich den Helm auf den Kopf und nimmt uns mit auf einen Rundgang durch die Aufbereitungsanlage, für die er zuständig ist. Hier sehen wir die Wirklichkeit hinter dem, was das Rechnersystem anzeigt: fünf gigantische Mahlwerke, die das Eisenerz in feinen pulverförmigen Sand verwandeln. Hier und da erkennt man die Sensoren, die Vibrations- und Drehzahlangaben von verschiedenen Komponenten an Johanssons Rechner schicken.
Die Produktion, die gerade in der Aufbereitungsanlage im Gange ist, soll auf einen Frachter geladen werden, der auf dem Weg nach Narvik ist. Die Anforderungen der Kunden steuern den gesamten Ablauf. Wenn der Frachter in Narvik anlegt, rollt auch schon der mit Erz beladene Güterzug dort ein. Größere Spielräume gibt es nicht. Alles muss funktionieren.
Das gleiche gilt für LKAB. In seiner sechsjährigen Tätigkeit als Wartungstechniker in der Aufbereitungsanlage ist es Johansson gelungen, mit Hilfe des rechnergestützten Wartungssystems Betriebsausfälle gänzlich zu vermeiden. Man hat so gute Erfahrungen gemacht, dass nun beschlossen wurde, das System auch auf die Ölpumpen der Aufbereitungsanlage auszuweiten. Außerdem ist im Gespräch, die Zahl der geplanten einwöchigen Betriebsunterbrechungen für Wartungszwecke von zwei auf eine pro Jahr zu reduzieren.

Leif Åström
Freier Journalist in Lund, Schweden
Foto Erik Holmstedt und LKAB

 

 

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