Innovativer Schiffsantrieb
Kreuzfahrtschiffe gleichen schwimmenden Städten. So auch die Queen Mary 2. Für ihre Fortbewegung sorgt ein innovatives, integriertes elektrisches Antriebssystem..
Fakten
RMS QM2
Die RMS (Royal Mail Ship) Queen Mary 2 ist im Besitz von Carnival Plc und wird von Cunard betrieben.
Tonnage: 148.528 BRZ
Länge: 345 Meter; Breite: 41 Meter; Höhe (Kiel bis Schornsteinoberkante): 72 Meter (entspricht einem Hochhaus mit 23 Stockwerken); Fläche auf jeder Seite: 6.000 Quadratmeter.
Geschwindigkeit: 30 Knoten (56 km/h)
Gästekapazität: 3.090 in 1.310 Kabinen auf 14 Decks (plus 1.238 Crewmitglieder).
Kraftstoffverbrauch: drei Tonnen Diesel pro Stunde für vier Wärtsilä-Motoren (Wärtsilä 16V 46C-CR/16.800), sechs Tonnen Diesel pro Stunde für die GE-Gasturbinen (direkt unter dem Schornstein).
Installierte Gesamtleistung: 117,2 MW, entspricht 157.168 PS.
Rolls-Royce Marine
Die Rolls-Royce Group mit Sitz in London ist ein global tätiger Hersteller von Antriebssystemen. Der Konzern beschäftigt 50.500 Mitarbeiter in 46 Ländern und wies 2015 Umsatzerlöse in Höhe von 15,9 Milliarden Euro aus.
Das Schifffahrtsgeschäft von Rolls-Royce geht auf das Jahr 1831 zurück. Heute umfasst es eine Vielzahl von etablierten nordischen Markennamen wie KaMeWa (Wasserstrahlantrieb) und Aquamaster (Ruderpropeller).
Das Rolls-Royce-Werk im schwedischen Kristinehamn mit rund 400 Beschäftigten stellt Lösungen für Schiffsantriebe bereit.
An Bord von Linern wie der RMS Queen Mary 2, kurz QM2, hat jedes Besatzungsmitglied und jedes Schiffsteil eine große Bedeutung für das Gesamterlebnis der Gäste. Ohne das elektrische, ruderlose Antriebssystem, von dem die meisten Passagiere nichts mitbekommen, käme die Kreuzfahrt jedoch gar nicht erst zustande.
„Die Queen Mary 2 ist nicht das neueste oder größte Schiff auf dem Ozean, aber es ist in puncto Antrieb eines der innovativsten“, sagt Espen Tandberg, Leiter Vertrieb und technische Verkaufsunterstützung bei Rolls-Royce Marine Services im schwedischen Kristinehamn. Im Juni 2016 überwachte er die geplante 17-tägige Überholung der Strahlruder, Stabilisatoren und Mermaid™-Propellergondeln der Queen Mary 2.
Vier am Heck angebrachte Propellergondeln sind auch für Rolls-Royce Marine ein einzigartiges Konzept.
Espen Tandberg, manager of sales and technical sales support at Rolls-Royce Marine Services, Kristinehamn, Sweden
Mit 800 Millionen US-Dollar ist das 2004 für die Cunard Linie gebaute und von Königin Elisabeth persönlich getaufte Kreuzfahrtschiff das teuerste aller Zeiten. Die QM2 bietet all die üblichen Annehmlichkeiten: aufwändiges Interieur, kulinarischen Überfluss, jede Menge Unterhaltung und eine Besatzung, die die Gäste ständig umsorgt. Herzstück der Maschinenanlage sind vier 260 Tonnen schwere Propellergondeln mit Elektroantrieb, auch Pod-Antriebe genannt. Zwei sind starr und zwei drehbar. Die Elektromotoren entwickeln eine Leistung von je 21,5 MW, was bei ganzjähriger Höchstleistung zur Versorgung einer 300.000-Einwohner-Stadt reichen würde.
Dank der Mermaid-Pod-Antriebe von Rolls-Royce lässt sich die QM2 mit ihren 148.528 Bruttoregistertonnen sowohl im Hafen als auch bei einer Geschwindigkeit von 30 Knoten (56 km/h) auf See präzise manövrieren. Vier Dieselmotoren und zwei Gasturbinen sorgen durch Umwandlung ihrer Leistung in elektrische Energie für die Stromversorgung des gesamten Schiffes.
Die Propellergondeln, die Propeller, Motor und Ruder beherbergen, sind an der Unterseite des Schiffsrumpfes angebracht. Dadurch wird der Raum, in dem normalerweise Wellen und sonstige Kraftübertragungssysteme untergebracht sind, frei und kann für weitere Ausstattungsmerkmale genutzt werden.
Das Pod-Antriebssystem der QM2 ist immer noch so bahnbrechend, dass es auf Jahre hinaus als Lehrstück für Schiffskonstrukteure dienen wird. „Mermaid-Propellergondeln sind in den letzten zehn Jahren kontinuierlich verbessert worden“, erklärt Tandberg. Die langjährige Partnerschaft mit SKF, so betont er, habe nach einigen, von den Medien hinreichend beschriebenen Anfangsschwierigkeiten zu ständigen Qualitäts- und Konstruktionsverbesserungen geführt. „Vier am Heck angebrachte Propellergondeln sind auch für Rolls-Royce Marine ein einzigartiges Konzept“, fügt er hinzu.
Die beiden um 360 Grad drehbaren Propellergondeln ermöglichen dem Schiff eine einzigartige Manövrierbarkeit in seitliche Richtung. Die beiden starren Gondeln liefern den Schub. Alle vier sind mit Festpropellern von sechs Metern Durchmesser und hoher Steigung ausgestattet, wobei die Gondeln durch ihre Position außerhalb des eigentlichen Schiffsrumpfs für einen vergleichsweise geringen Geräusch- und Vibrationspegel sorgen. In den Gondeln befinden sich eine Welle, ein Stator, ähnlich wie bei einem Spielzeug-Elektromotor, und natürlich Lager (siehe Info-Kasten).
Seit ihrem Stapellauf in der Werft von Les Chantiers de l’Atlantique im französischen Saint-Nazaire im Januar 2004 ist die QM2 mehrmals gewartet worden. Dabei wurde von Teppichböden über Möbel bis zu Maschinenanlagen vieles an Bord repariert, ausgetauscht oder überholt. Geplante Wartungsaktionen zur Vorbeugung von Schäden werden in der Regel alle drei bis vier Jahre durchgeführt und von langer Hand vorbereitet. „Sie sind wie Formel-1-Boxenstopps“, sagt Tandberg. „Da dürfen keine Fehler passieren. Das Schiff muss seinen Zeitplan einhalten.“
Teamarbeit
Rolls-Royce Marine Services und SKF haben in den letzten Jahren gemeinsam die Lageranordnung in den Propellergondeln der Queen Mary 2 umstrukturiert. „Es handelt sich um kontinuierliche Verbesserungen“, sagt Torbjörn Holmqvist, Anwendungsingenieur bei SKF. Eine Verbesserung war laut Holmqvist die Neukonzeption der Lageranordnung an der Nichtantriebsseite (zwei gegenüber angeordnete Axial-Kegelrollenlager). Eine „gemeinsame Wellenscheibe“ wurde eingeführt, die im Prinzip aus den beiden separaten Lagern eines machte. Eine weitere Verbesserung war die Verwendung von hochwertigen Stahllegierungen anstelle der üblichen Standardlegierungen für die beiden Lager. Sie verlängert die Nutzungsdauer der Lager beträchtlich.
Im Juni 2016 wurde die QM2 in der Werft von Blohm & Voss in Hamburg für geplante Wartungsmaßnahmen auf Dock gelegt. Unter anderem sollten in allen vier Gondeln die CARB-Lager an der Antriebsseite und die Axial-Kegelrollenlager an der Nichtantriebsseite ausgetauscht werden. Ein Team von vier SKF Wartungstechnikern nahm unter der Leitung von David Berndtsson, Leiter Lageranalyse und Instandhaltung, gemeinsam mit dem Personal von Rolls-Royce den Austausch der Lager vor. Die Arbeit verlief reibungslos innerhalb des festgelegten Zeitrahmens.