Maßgeschneiderte Windenergie
Die richtigen Partner
Wenn das deutsche Unternehmen DeWind eine Windenergieanlage konstruiert, sind DeWinds Zulieferer an diesem Prozeß intensiv beteiligt. Auf diese Weise kann die Wahl der Bauteile optimiert werdenWenn in Zukunft Windparks auf See errichtet werden, wird die Nutzung von Windenergie völlig andere Dimensionen erhalten. Bisher wurden in Europa Windparks nur an Land gebaut. Da sie das Landschaftsbild stark beeinträchtigen, handelt es sich zwangsläufig um relativ kleine Anlagen. Die Hersteller von Windenergieanlagen mußten ihre Windräder so diskret wie möglich gestalten, um Proteste von seiten der Anwohner zu vermeiden.
DeWind in Lübeck an der stürmischen Ostseeküste ist da keine Ausnahme. Das Unternehmen ist relativ neu in der Branche und wurde erst vor drei Jahren mit einer Belegschaft von fünf Mitarbeitern gegründet. Man begann mit einer 600-Kilowatt-Anlage, vor kurzem wurde eine 1-Megawatt-Anlage auf den Markt gebracht und eine 3-Megawatt-Anlage befindet sich derzeit in Entwicklung. Bei sämtlichen Einheiten handelt es sich um doppelgespeiste drehzahlvariable Generatoren mit Pitchregelung, die in Kombination mit dem Generator-Wechselrichter-System die Belastung der Rotoren erheblich verringern und schon bei geringen Windgeschwindigkeiten für eine gleichmäßige und zuverlässige Stromeinspeisung in das Netz sorgen. Jedes Modell kann in seiner Grundkonzeption an verschiedene Windverhältnisse angepaßt werden, indem Rotorgröße und Generatorprofil auf die jeweiligen Bedingungen zugeschnitten werden.
Hugo Schippmann, Geschäftsführer von DeWind, beschreibt die Arbeitsweise des Unternehmens als gemeinschaftliche Bemühungen, wobei sich DeWind die Kompetenz und Erfahrung seiner Partner zunutze macht. „Wir erkennen an, daß Lager- oder Getriebehersteller mehr Ahnung von ihrem jeweiligen Fachgebiet haben als wir“, meint Schippmann, weswegen es ihm sinnvoll erscheint, diese Kompetenz auszunutzen. Statt also ein Windrad zu konzipieren und anderen zu sagen, wie dieses gebaut werden soll, bittet DeWind beim Entwurf einer Windkraftanlage andere um Unterstützung. Und am Ende, so meint Schippmann, kommt ein besseres Produkt dabei heraus – mehr Leistung und einen höheren Gegenwert, als die Konkurrenz zu bieten hat.
So zum Beispiel bei der Entwicklung der 1-Megawatt-Windenergieanlage. DeWind weiß, welchen Belastungen die Rotornabe ausgesetzt ist, und gibt diese Werte an den Hersteller des Hauptrotorlagers weiter. Dieser entwickelt dann eine Lösung für diese Konstruktion, deren Werte DeWind wiederum auf die Propellerwelle überträgt. Auch der Getriebehersteller erhält die von DeWind ermittelten Belastungswerte und erarbeitet ein Konzept für ein entsprechendes Getriebe. Das gleiche Verfahren wird beim Generator angewandt. Die verschiedenen Vorschläge werden bei DeWind koordiniert, bis schließlich eine Lösung gefunden worden ist, die alle Einzelteile zu einer kompletten Anlage verknüpft.
Die richtigen Partner
Dieses Prinzip gilt auch für den Fertigungsprozeß. DeWind baut die Anlage nicht selbst, sondern läßt sie in der Lübecker Fabrik von Krupp Fördertechnik fertigen.
DeWind braucht allerdings für diese Art der Zusammenarbeit Partner, die mitspielen. Zwei davon sind der Getriebehersteller Jahnel-Kestermann aus Bochum und SKF.
Jahnel-Kestermann (JaKe) liefert sämtliche Getriebe für DeWinds 600-Kilowatt-Anlage und ist einer von zwei Lieferanten der Getriebe für die 1-Megawatt-Wind-energieanlage. Das Unternehmen ist für seine innovativen Lösungen bei Getriebekonstruktionen bekannt. Ein Beispiel sind die gewaltigen Getriebe, die JaKe für die größten Schwimmbagger der Welt baut. Windenergieanlagen sind bei JaKe zu einem Sektor geworden, der immer mehr an Bedeutung zunimmt. 1997 waren 15 Prozent des Umsatzes diesem Bereich zuzuschreiben, 1998 waren es bereits über 30 Prozent, und für 1999 werden sogar noch höhere Zuwachsraten erwartet, da JaKe einen Vertrag mit dem dänischen Hersteller von Windenergieanlagen NEG Micon unterzeichnet hat.
Spezialist für Getriebe
Wie Jens Demtröder, der bei JaKe als Produktmanager für den Bereich Windenergieanlagen tätig ist, sagt, hat sich das Unternehmen genau auf die Arbeitsweise spezialisiert, wie DeWind sie verlangt. „Wir brauchen von den Unternehmen keine Zeichnungen „, meint er, „sondern die jeweiligen Parameter. Dann bauen wir das entsprechende Getriebe. Wir haben schließlich 15 Jahre Forschungs- und Entwicklungserfahrung hinter uns.“ JaKe entwarf das Getriebe für die 600-Kilowatt-Anlage. „Es war ein ausgesprochenes Vergnügen, für einen Kunden wie DeWind zu arbeiten“, betont Demtröder. „Normalerweise wollen die Unternehmen, daß sich ein neues Produkt an ihren bisherigen Produkten orientiert. Da DeWind aber ein neues Unternehmen war, konnten wir von Null anfangen und neue Ideen verwirklichen.“ Das Ergebnis war ein Windrad mit einem eleganten Design, das 1997 auf der Hannover Messe den Industrie Forum Designpreis gewann.
Bei der 1-Megawatt-Windenergieanlage hatte JaKe nicht so freie Hände, fährt Demtröder fort, weil das Getriebekonzept in ein Gehäuse eingepaßt werden mußte, das von einem anderen Unternehmen entworfen worden war. Aber, so meint er, sie konnten trotzdem einige ihrer eigenen Ideen umsetzen.
JaKe hat dieselbe Einstellung gegenüber seinem Lagerlieferanten wie DeWind gegenüber seinem Getriebebauer. „Wir schicken unsere Lagervorschläge zum Hersteller, und sie kommen in der Regel völlig verändert zurück“, so Demtröder. „Keine Frage, die wissen mehr über Lager als wir.“ So war es auch, als SKF an der Getriebekonstruktion für die 1-Megawatt-Anlage beteiligt wurde. Werner Göbel, der bei SKF in Schweinfurt auf Windenergieanlagen spezialisiert ist, und sein Kollege Stephan Buch, der sich mit Getriebeapplikationen befaßt, sehen darin die Arbeitsweise der Zukunft. „Bei anderen Kunden kommt es immer noch häufig vor, daß wir einfach einen Auftrag für Lager bekommen, und wir wissen nicht einmal genau, in welcher Gesamtkonzeption diese Lager eingesetzt werden sollen“, sagt Göbel.
SKF liefert 90 Prozent aller Lager für die 1-Megawatt-Anlage, und zwar als Direktlieferant von DeWind, was das Hauptrotorlager und die Lager für die Pitchregelung der Rotorblätter betrifft, sowie als Lieferant von JaKe in bezug auf die Getriebelager. Göbel und Buch waren somit in der Lage, die gesamte Energieerzeugungskette vom Wind bis zum Generator in einem Zusammenhang zu sehen. „Wir können auf diese Weise garantieren, daß die Eigenschaften der einzelnen Komponenten in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Eigenschaften der Anlage insgesamt stehen“, erklärt Göbel.
Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, daß hier Kompetenz und Erfahrung in ein Konzept für die Herstellung eines Produktes eingebunden werden, was zu einem besseren Ergebnis führt, als wenn jeder Partner unabhängig vom anderen arbeiten würde. Der Nachteil ist, daß es unter Umständen zu isolierten Lösungen von separaten Problemen kommt. Genau das muß DeWind durch Koordination und Synergie vermeiden, indem das Unternehmen dafür sorgt, daß die Partner nicht nur ihre eigenen Fragen beantworten, sondern einen Beitrag zu der vorrangigen Aufgabe leisten, die beste Lösung für die Bedürfnisse des Kunden zu erarbeiten.
Michael Lawton
Journalist in Köln
Fotos Thomas Müller und DeWind