Solides Wachstum
Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage im eigenen Land richtet der brasilianische Konzern Votorantim Group seinen Blick in andere Teile der Welt und expandiert
Zement ist die Basis der Votorantim Group und das Produkt, das den Konzern zu Brasiliens größtem Industriekonglomerat gemacht hat. Es ist auch dieser Geschäftsbereich, der Votorantim dabei helfen soll, sich als globales Unternehmen zu etablieren.
Zunächst war Votorantim nur ein bescheidener Textilhersteller im ländlichen Brasilien, der 1936 beschloss, seine Tätigkeit durch Zementproduktion zu diversifizieren. Im Laufe der Jahre ermöglichten die Einkünfte aus dem Zementgeschäft weitere Investitionen, die schließlich zu einem Unternehmen mit einem Jahresumsatz von umgerechnet knapp drei Milliarden Euro und 28.000 Beschäftigten führten. Die Geschäftstätigkeit reicht von der Zellstoff- und Papier-, Aluminium-, Chemikalien- und Agrarproduktion über den Bergbau bis zu finanziellen Dienstleistungen und Risikokapitalanlagen, aber Votorantim Cimentos (VC) steht immer noch für 35 Prozent des Konzernumsatzes. „Es ist der Ursprung unseres Geschäfts“, sagt der Einkaufsleiter von VC, Antonio Carlos da Rosa Pereira, „und nach wie vor unser stärkstes Standbein.“
Obgleich VC dank seiner führenden Stellung auf dem einheimischen Markt von Südamerikas größter Volkswirtschaft bereits der achtgrößte Zementhersteller der Welt ist, entschied sich das Unternehmen 2001 für eine Reihe von Akquisitionen und Investitionen in den USA und Kanada. Trotz umfangreicher Exporte von Produkten wie Orangensaft hatte die Votorantim Group nie zuvor versucht, sich im Ausland eine industrielle Basis zu schaffen. „Die internationale Erfahrung von VC wird anderen Konzernbereichen bei der Etablierung im Ausland eine große Hilfe sein“, meint der Einkaufsberater, Emerson Luiz Miguel. „Es kommt nicht gerade häuvor, dass sich ein brasilianisches Unternehmen in einem anderen Land niederlässt.“
Marktsegmente
Auch bei der Umorganisation des gesamten Konzerns, die zu einer Weiterentwicklung des Familienunternehmens führen soll, nimmt VC eine Vorreiterrolle ein. Bis 1998 war VC in vier geografische Geschäftsregionen aufgeteilt. Jede Region wurde von einem unabhängigen Führungsteam geleitet. Diese kopflastige Organisationsstruktur wurde vereinfacht und die meisten Managementfunktionen in die neue Hauptverwaltung nach Curitiba im Süden Brasiliens verlegt. Dort ganz in der Nähe liegt auch die Fabrik, die VC als sein Flaggschiff bezeichnet. Die Werke sind nun nach Marktsegmenten und nicht mehr nach geografischen Aspekten strukturiert.
Mit 24 Zementfabriken in allen Teilen dieses gigantischen Landes ist VC Brasiliens unangefochtener Marktführer in der Zement- und Kalkproduktion. Bei der Zementherstellung liegt die Kapazität bei 28 Millionen Tonnen pro Jahr. 2002 erzeugte das Unternehmen 16 Millionen Tonnen und stand damit für 42 Prozent des brasilianischen Marktes. 1996 nahm VC Trockenmörtel in die Produktion auf und sicherte sich in dieser Sparte rasch einen Marktanteil von circa 30 Prozent.
Zusätzlicher Wert durch Übernahmen
2002 erwarb VC drei einheimische Zementhersteller. Die düsteren kurzfristigen Aussichten auf dem Inlandsmarkt jedoch waren unter anderem Grund für den Schritt ins Ausland. „Auf dem brasilianischen Markt können wir kaum noch wachsen“, erklärt Pereira. „Wir wollen mit neuem, internationalem Geschäft für unser Unternehmen einen zusätzlichen Wert schaffen.“
Die Initiative wurde 2001 mit der Akquisition von St Mary’s Cement, einer kanadischen Firma mit Werken in Kanada und den USA, eingeleitet. Anfang 2003 starteten die Brasilianer zusammen mit einem amerikanischen Partner ein Joint Venture-Unternehmen, Suwannee American Cement. Im September 2003 übernahm St Mary’s Badger Cement Products, eine Zementmühle in Wisconsin, USA. Die ausländischen Tochtergesellschaften von VC kontrollieren inzwischen zehn Prozent des kanadischen und zwei Prozent des amerikanischen Marktes.
Der Beste, nicht der Größte
Verglichen mit Konkurrenten wie Cemex in Mexiko und Lafarge in Frankreich hinkt VC bei der Globalisierung hinterher. „Da die anderen Unternehmen vor uns expandiert haben, gehen wir nicht davon aus, dass wir sie mengenmäßig schlagen können“, sagt Pereira. „Wir wollen nicht der Größte, sondern der Beste sein.“
Dieses Ziel ist richtungsweisend für die Wahl der Produktionsmethoden bei VC – sowohl in Brasilien als auch im Ausland. Mit der Einführung globaler Umweltstandards erhielt das Rio Branco-Werk in der Nähe von Curitiba als erste brasilianische Zementfabrik das Umweltzertifikat ISO 14001. Die Produktionsanlage ist erstaunlich rein und frei von jener Staubschicht, die normalerweise sämtliche Flächen einer Zementfabrik bedeckt. Das Rio Branco-Werk wurde auch für seine Arbeitsschutzmaßnahmen von der anerkannten südafrikanischen Arbeitsschutzorganisation NOSA mit einer guten Note ausgezeichnet.