Industrie

Virtuelle lösungen

Dank einer kombinierten Hardware- und Software-Lösung können Prüfingenieure bei der Scuderia Ferrari in Italien drahtlos und in Echtzeit die Vorgänge in den einzelnen Prüfkammern für Antriebseinheiten verfolgen.   

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Fakten

Ferrari facts

Gegründet: 1929 (Ursprung), 1947 (Automobilbau)

Management: Sergio MarchManagement: Sergio Marchionne, Aufsichtsrats­vorsitzender; Amedeo Felisa, CEO

Sitz: Maranello (Modena), Italien

Eigentümer: Fiat Chrysler Automobiles 90 Prozent, Piero Ferrari 10 Prozent

Produktlinien: Renn- und Sportwagen

Produktionsvolumen: >7.000 Einheiten

Umsatzerlös: 2,5 Milliarden Euro

www.ferrari.com

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Ferrari

Ansprechpartner Verkauf

Laura Baracco, Laura.Baracco@skf.com

Ein Spitzenpferd kann bei einem Rennen noch einen Sieg herausholen, wenn es nur um eine Nasenlänge voraus ist. Das springende Pferd der Scuderia Ferrari (Ferraris Rennstall) muss jedoch mehr leisten, insbesondere nach der drastischen Änderung des technischen Reglements für Formel-1-Rennen vor der Rennsaison 2014.

Damals beschloss Ferrari, seine Prüfkammern für Antriebseinheiten im italienischen Maranello zu modernisieren und durch eine neue Generation von Testanlagen zu ergänzen. Nicht alle Prüfkammern waren mit speziellen Systemen zur kontinuierlichen Überwachung des Vibrationsverhaltens von Antriebskomponenten ausgestattet.

„Man musste zu jeder einzelnen Prüfkammer hingehen, um zu sehen, was passiert“, erklärt Mario Kuluridis, Teamleiter für Prüfanlagen sowie für mechanische und hydraulische Entwicklung in Scuderia Ferraris Testabteilung für Antriebssysteme. „Ein Online-Check von hochfrequenten Daten in Echtzeit war nicht möglich. Die Fehlersuche war zu langsam, und Prognosen über die Lebensdauer von Komponenten auf der Basis von Trendwerten ließen sich nicht anfertigen.“

Diese Mängel und vor allem die fehlende Software-Integration veranlassten Kuluridis und sein Team 2011, nach alternativen Überwachungssystemen zu suchen. SKF war wegen der engen Beziehung zwischen den beiden Unternehmen im Gespräch. Die 1947 etablierte Partnerschaft zwischen SKF und der Scuderia Ferrari gehört zu den längsten in der Formel-1-Geschichte.

Die Scuderia Ferrari zog sowohl handelsübliche als auch werkseigene Lösungen in Betracht und entschied, dass die SKF IMx Plattform mit SKF @ptitude Observer Software ein sehr guter Ausgangspunkt sei. SKF IMx bietet Zustandsüberwachung, Anlagenschutz und vorbeugende Instandhaltungsplanung in Echtzeit, mit anderen Worten alles, was sich die Ingenieure in Maranello wünschten.

Allerdings musste das System auf die speziellen Bedürfnisse des Teams zugeschnitten werden. „Die Tatsache, dass SKF Partner und offizieller Sponsor war, war ein Garant für technische Unterstützung bei der Anpassung an unsere Anforderungen“, sagt Kuluridis.

Die Scuderia Ferrari hatte sich ein integriertes drahtloses System vorgestellt, das bei hochfrequenten Vibrationstests einzelne Elemente des Prüflings überwachen konnte. Die Einführung des SKF IMx-T war in vollem Gange, als 2014 ein neues technisches Reglement angekündigt wurde, was die Modernisierung der Prüfkammern umso dringender und komplexer machte.

Die Standardausführung der SKF IMx Plattform war für Branchen wie Windkraftanlagen gedacht und nicht für die Datenmengen, Anzahl von Kanälen, Berechnungsmengen und die von der Scuderia Ferrari gewünschten Rechengeschwindigkeiten ausgelegt. Es musste eine neue Lösung entwickelt werden, die Hardware und Software umfassen sollte. Diese „virtuelle“ Lösung sollte kein Stand-alone-System sein, sondern eine in die SKF @ptitude Observer Software voll integrierte Ergänzung zu IMx-T.

Heute verarbeitet die installierte Plattform bis zu 100.000 Beobachtungen pro Sekunde. Sie kann komplexe Analysen vornehmen und die Ergebnisse an das Telemetrie-System schicken, so dass die Entwicklungsingenieure in der Lage sind, den Status des Prüflings online zu überprüfen. Wegen der enormen Datenmengen ist auch die Berechnungs- und Übertragungsgeschwindigkeit von großer Bedeutung. Die SKF @ptitude Observer Software fasst die Beobachtungen zehn bis zwanzig Mal pro Sekunde zu hantierbaren Ergebnissen zusammen. Das hilft dem Team, sich auf „Ergebnisse statt Daten“ zu konzentrieren, betont Kuluridis.

Die Plattform ist seit 2013 in Scuderia Ferraris Prüfkammern für Antriebseinheiten im Einsatz. Den Prüfingenieuren zufolge liegen die Vorteile auf der Hand. Integration heißt, die Vorgänge in den einzelnen Prüfkammern lassen sich drahtlos in Echtzeit beobachten. Speziell für die Plattform entwickelte Analyseverfahren und Diagnosen ermöglichen die Identifizierung und Behebung potenzieller Probleme, bevor daraus kostspielige Stillstände werden. Die Zahl der Ausfälle ist zurückgegangen.

Da Schäden zu Verlusten einzelner Antriebskomponenten oder im schlimmsten Fall des gesamten Prüflings führen könnten, erhöht die frühzeitige Erkennung von Problemen die Effizienz. „Wir können eingreifen, bevor Schäden auftreten“, meint Kuluridis. „Das problematische Teil wird einfach ausgetauscht. Danach können wir sofort weitermachen. Dadurch verringern sich die Ausfallzeiten und die Schäden. Unsere Effizienz hat sich nachweislich verbessert.“

@ptitude ist ein eingetragenes Markenzeichen der SKF Gruppe


Neues Reglement

Laut Andrew Benson, Sportjournalist bei BBC,  stellt das Jahr 2014 „die umfassendste Regel­änderung in der Geschichte der Formel 1 dar“. Sie betrifft das Rennen als solches sowie Änderungen im Konstruktions- und Technikbereich. Zu den technischen Neuerungen gehört, dass der bisherige 2,4-Liter-V8-Saugmotor (seit 2006 im Einsatz) durch einen 1,6-Liter-V6-Turbomotor ersetzt wird. „Motorleistung wird wieder zum Unterscheidungsmerkmal“, schreibt Benson.

Der Motor heißt jetzt Antriebseinheit. Jedes Team darf pro Saison und Wagen höchstens fünf Antriebseinheiten verwenden, die jeweils über 4.000 km halten müssen. Die Fahrer dürfen pro Rennen nur noch 100 kg Kraftstoff verbrauchen, und der Kraftstoffdurchfluss ist auf 100 Liter pro Stunde bei über 12.000 U/min begrenzt. Vor 2014, als es weder Verbrauchs- noch Durchflussbeschränkungen gab, lag der Kraftstoffverbrauch bei rund 150 kg pro Rennen.

Die Einschränkungen werden durch ERS (Energy Recovery System) mehr als ausgeglichen. ERS ist nicht neu. Seit Jahren gibt es schon Systeme zur Rückgewinnung der beim Bremsen an der Hinterachse erzeugten kinetischen Energie (KERS). Die in einem Akku gespeicherte Energie kann beim Beschleunigen wiederverwendet werden und alle 30 Sekunden 120 kW pro Runde beisteuern. Das ist mehr als das Doppelte der bis 2014 bis zu 6,7 Sekunden pro Runde möglichen 60kW.

Neu dagegen ist die Ergänzung des Turbomotors  durch einen zweiten Elektromotor, der jene Energie nutzt, die ansonsten als Wärme entweichen würde.  Die Menge ist unbegrenzt und kann entweder gespeichert oder zur Beschleunigung genutzt werden.


Die „virtuelle“ Lösung von SKF

Um die SKF IMx Plattform an Geschwindigkeit und Volumen des Datenflusses bei der Scuderia Ferrari anzupassen, konzipierte SKF eine erweiterte „virtuelle“ Lösung . Zunächst benötigte die Scuderia Ferrari zusätzliche Hardware, die in die befindliche Plattform integriert und über dieselbe Software gesteuert werden sollte.

„Virtuell“ ist die Lösung, weil der Bediener zur Einstellung der Messungen und Anzeige der Ergebnisse keine zweite Software-Applikation öffnen oder eine zweite Hardware steuern muss. Das wollten die Prüfingenieure unbedingt vermeiden.

Die Standardausführung der SKF IMx Plattform hat 16 Sensoren und Algorithmen auf der Basis von sechs- oder zwölfmonatigen Zyklen. Die Scuderia Ferrari wünschte sich ein expandierbares System mit zweiwöchigen oder wöchentlichen Updates , die das virtuelle System ermöglicht, und bis zu 30 zusätzlichen Sensoren. Zudem sollten Routine­berechnungen in kurzen Zyklen möglich sein.

Die Scuderia Ferrari ist jetzt in der Lage, bei einem Problem einzugreifen und Komponenten zu modifizieren, bevor es zu Schäden kommt.

Sebastian Vettel und sein Ferrari in Aktion beim letzten Trainingslauf für den Grand Prix in Bahrain im April 2015. Der Finne Kimi Räikkönen beim Reifenwechsel an seinem Ferrari beim Wintertest auf dem Circuit de Catalunya im spanischen Montmelo. Sebastian Vettel feiert bei der Einfahrt in den Parc Fermé seinen Sieg beim Großen Preis von Ungarn auf dem Hungaro-Ring am 26. Juli 2015 in Budapest. Mario Kuluridis (links), Teamleiter für Prüfanlagen, und Luca Bacigalupo, Maschinenbauingenieur bei Ferrari.

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