Industrie
Sonnige neue Welt

Sonnige neue Welt

Wie die Energielandschaft der Zukunft genau aussieht, wissen wir noch nicht. Sie wird sich jedoch mit Sicherheit erheblich von der heutigen unterscheiden: Der rasch wachsende Sektor der Erneuerbaren Energien wird einen immer größeren Anteil des steigenden Energiebedarfs decken.

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Noch vor wenigen Jahren ging es bei Energiediskussionen im Wesentlichen um den Preis von Erdöl. Heute geht es eher darum, wie lange man diesen Rohstoff noch nutzen wird. Die Umstellung auf Energiequellen wie Wind- und Solarenergie schreitet nach Jahren des Hypes und vieler Fehlversuche in einem Tempo voran, das selbst die erfahrensten Experten überrascht.

Vor dem Hintergrund einer weltweit steigenden Nachfrage nach Energie werden Solar- und Windenergie in den kommenden zwei Jahrzehnten eine wichtige Rolle spielen. Zwischen 2000 und 2015 lag der Anstieg des globalen Energiebedarfs bei zwei Prozent pro Jahr. Laut dem Bericht Energy 2050: Insights from the ground up des globalen Beratungsunternehmens McKinsey soll diese Rate zwar bis 2050 auf jährlich 0,7 Prozent sinken. Dennoch werde man insgesamt also mehr Energie brauchen.

Eine neue industrielle Revolution liegt vor uns.
Isabelle Kocher, GESCHÄFTSFÜHRERIN, ENGIE

Dem Bericht zufolge wird man bei der Energieeffizienz in den kommenden Jahren große Fortschritte erzielen. Da aber die Weltbevölkerung kontinuierlich wächst – wenn auch langsamer als bisher – und der Lebensstandard weltweit steigt, wird auch der Strombedarf weiter zunehmen. Bloomberg New Energy Finance rechnet in einem kürzlich veröffentlichten Bericht sogar damit, dass der Energiebedarf bis 2040 weltweit um 58 Prozent steigen wird. Dem gegenüber stehe eine Verdoppelung der installierten Kapazität auf 14 TW im selben Zeitraum.

Ein wichtiger Faktor für die steigende Energienachfrage ist die Elektrifizierung des Transportwesens. Einer Prognose der Investment Bank Goldman Sachs zufolge werden bis 2025 über 20 Millionen Elektroautos auf der Welt unterwegs sein. Der Verkauf von Fahrzeugen mit herkömmlichem Verbrennungsmotor werde demnach 2020 seinen Höhepunkt erreichen und dann zurückgehen.

Insgesamt wird die Zukunft jedoch energieeffizienter sein als heute. McKinsey sagt voraus, dass für die Produktion einer BIP-Einheit 2050 nur noch halb so viel Energie benötigt werde wie 2013. Grund dafür sei der steigende Anteil des Dienstleistungssektors an der Weltwirtschaft. Dieser verbrauche in der Regel weniger Energie als der Fertigungssektor. Für einen Haarschnitt zum Beispiel benötige man erheblich weniger Energie als für die Herstellung eines neuen Koffers, obwohl der Preis und damit auch der Wert ungefähr gleich seien. In Indien soll der Dienstleistungsanteil an der Wirtschaft bis 2035 von derzeit 54 auf 64 Prozent ansteigen.

Neue Technologien in Kombination mit einer digitalisierten und automatisierten Wirtschaft sorgen für mehr Energieeffizienz und senken den Bedarf in einigen Bereichen. So wurden 2017 erstmals mehr LED-Lampen als herkömmliche Glühbirnen und Leuchtstofflampen verkauft. Goldman Sachs geht davon aus, dass in den USA bis 2050 der Stromverbrauch für Beleuchtung durch den Einsatz von LED-Lampen um 62 Prozent zurückgehen wird.

Die Digitalisierung beschleunigt die Expansion des Dienstleistungssektors und verwandelt physische Waren wie CDs und Bücher in digitale Serviceleistungen. Sie macht die gesamte Wirtschaft effizienter und ist in Verbindung mit Technologien wie Big Data, intelligenter Verbrauchsmessung, selbstfahrenden Autos und dezentralisierten Stromnetzen eine treibende Kraft bei der Verbesserung der Energieeffizienz.

Die Zukunft der Energie

Eine große Ausnahme ist allerdings die enorme Verbreitung vernetzter Geräte wie Smartphones und Tablet-Computer, aber auch vernetzter Fahrzeuge, Kameras, Sensoren und Haushaltgeräte. Ihre Zahl soll bis 2020 auf mindestens 50 Milliarden anwachsen. Sie würden pro Jahr 1.140 TWh Strom verbrauchen, was dem Elektrizitätsbedarf von Kanada und Deutschland zusammen entspricht. Ein Großteil dieser Energiemenge würde auch dann verbraucht, wenn sich die Geräte im Standby-Betrieb befinden. Eine Analyse der Internationalen Energieagentur (IEA) hat jedoch gezeigt, dass die Verwendung der jeweils besten verfügbaren Technologien den Energieverbrauch um mehr als 60 Prozent reduzieren kann.

Energie wird klüger und effizienter eingesetzt. Dennoch steigt der Bedarf. Wo also soll die zusätzliche Energie herkommen? Ein Schritt vor die Tür genügt, um diese Frage zu beantworten: von Sonne und Wind.

Vor zehn Jahren war die Industrie für Erneuerbare Energien noch träge, kostspielig und hauptsächlich deutsch. Heute ist sie agil, kostengünstig und meist chinesisch. Der Kampf gegen Klimawandel und Smog hat die Kosten drastisch gesenkt, so dass Sonnen- und Windenergie inzwischen auf vielen Märkten auch ohne Subventionen mit fossilen Brennstoffen konkurrieren kann.

Solarmodule sind heute 90 Prozent billiger als 1990. Der Preis für Solarstrom ist seit 2009 um 72 Prozent gefallen und soll bis 2040 um weitere 67 Prozent zurückgehen. Diese Entwicklung hat den Bau von Wind- und Solarparks stark beschleunigt. Auch Elektroautos werden billiger und verzeichnen steigende Absatzzahlen, was wiederum den Preis für Batterien nach unten drückt. Batterien sind eine wesentliche Voraussetzung, um umweltfreundliches Wachstum in neuen Dimensionen zu ermöglichen.

Bloomberg New Energy Finance zufolge sollen bis 2040 rund sechs Billionen US-Dollar in Wind- und Sonnenenergie investiert werden. Das wird die globalen Strommärkte von Grund auf verändern.

Rund ein Drittel der neuen Kapazität wird voraussichtlich durch kleinere Installationen beispielsweise auf Dächern privater Wohnhäuser bereitgestellt werden. Dies erfordert eine höhere Systemflexibilität, unter anderem bei Batterien und der Anpassung an den jeweiligen Energiebedarf.
 

Eine schöne sonnige und windige neue Welt liegt also vor uns. Isabelle Kocher, Geschäftsführerin des französischen Strom- und Gaskonzerns Engie, spricht von einer „neuen industriellen Revolution“. Eine Revolution, die es der Welt ermöglicht, den steigenden Energiebedarf nachhaltiger zu decken und dadurch eine sauberere, gesündere und bessere Zukunft zu schaffen.

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