Alles ist möglich
Luftfahrtingenieur Karl Bergey ist 94 Jahre alt, doch ans Kürzertreten denkt er nicht. Innovationen waren immer Teil seines Lebens. Im Moment entwickelt er mit Studenten ein Flugzeug, das einen sehr alten Höhenrekord brechen soll.
Karl Bergey
Geboren: 25. Dezember 1922
Lebt in: Norman, Oklahoma
Ausbildung: Examen an der Penn State University und dem Massachusetts Institute of Technology.
Berufliche Leistungen: Professor Emeritus für Ingenieurwesen an der University of Oklahoma, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Bergey Windpower und Gründer/Geschäftsführer von Bergey Aerospace. Bergey hat über 50 technische Abhandlungen verfasst und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Familie: Vater von vier Kindern; die Söhne Mike und Dan sind als President beziehungsweise Vice-President fü Bergey Windpower tätig. Sohn Andrew arbeitet für das Fernsehen in Colorado und Tochter Elizabeth ist Professorin für Biologie an der University of Oklahoma.
Freizeitaktivitäten: Literatur, Verfassen dramatischer Texte, Studium von Shakespeare und dessen Beziehung zu Christopher Marlowe sowie die Arbeit auf seiner Farm.
Am 22. Oktober 1938 flog der italienische Pilot Mario Pezzi mit einem kleinen Doppeldecker bis in die Stratosphäre und stellte mit 17.083 Metern einen Höhenweltrekord auf. Dieser Rekord für Propellerflugzeuge mit Kolbenmotor gilt immer noch. Als er aufgestellt wurde, war Karl Bergey gerade einmal 15 Jahre alt. Doch auch im Alter von 94 lässt diese Meisterleistung Bergey nicht los.
„Wir wollen den Rekord brechen“, lächelt er. „Das ist unser Ziel.“ Bergey spricht vom Projekt seiner Konstruktionsfirma Bergey Aerospace, gemeinsam mit der Universität von Oklahoma ein Höhenforschungsflugzeug (High-Altitude Research Plane, HARP) zu bauen. Das Flugzeug soll auf über 18.000 Meter aufsteigen. Was wie ein unerreichbarer Wunschtraum für einen fast Hundertjährigen aussieht, kann bei Bergey durchaus Wirklichkeit werden.
Ich war schon immer verrückt nach Flugzeugen.
Karl Bergey
„Ich war schon immer verrückt nach Flugzeugen“, erzählt er. Besonders faszinierten ihn die Geschichten von Antoine de Saint-Exupéry, dem Schriftsteller, Journalisten und Piloten, der im Zweiten Weltkrieg über dem Mittelmeer verschwand. Eine von Saint-Exupérys Maximen – Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann – ist auch Teil von Bergeys Philosophie.
Bergey machte seinen Traum wahr und bildete sich, unterbrochen von einem Einsatz im Zweiten Weltkrieg, an der Pennsylvania State University zum Luftfahrtingenieur aus. Später komplettierte er seine Ausbildung mit einem Master-Examen am Massachusetts Institute of Technology. Seine berufliche Laufbahn begann in Kalifornien, wo er auch seine Frau Patricia kennenlernte. Fünf Jahre später zogen sie nach Vero Beach in Florida. Dort konstruierte er 1960 einen der meist gebauten Flugzeugtypen, die Piper Cherokee. Das Modell wird immer noch gefertigt. Bisher wurden rund 40.000 dieser Kleinflugzeuge hergestellt.
„Einfachheit war stets mein Mantra“, meint Bergey. „Minimiere deine Kosten, indem du die Konstruktion auf ein Minimum an Bauteilen reduzierst!“
Der Ingenieur setzte dieses Prinzip auch bei den von Bergey Windpower entwickelten Windturbinen konsequent um. Das Unternehmen gründete Bergey 1979 zusammen mit seinem Sohn Mike. Als einer der Pioniere auf dem Gebiet von kleinen Windkraftanlagen hat sich Bergey Windpower mit seinem einfachen, aus drei beweglichen Teilen bestehenden Modell ohne Wartungsaufwand am Markt behauptet.
Paul Gipe, Herausgeber der unabhängigen Branchen-Website Wind-Works.org, nennt Bergey Windpower in seinem jüngsten Buch Wind Energy for the Rest of Us (2016) eine Erfolgsgeschichte. „Eine Bergey-Windturbine ist so simpel, wie es nur geht“, schreibt er. „Bergey Windpower ist das erfolgreichste Unternehmen. Die Marke ist inzwischen weltweit anerkannt.“
Bergey hat Windturbinen in über 80 Länder und alle 50 US-Bundesstaaten verkauft. „Für den anhaltenden Erfolg des Unternehmens gibt es zwei wichtige Gründe: Es ist immer in Familienbesitz geblieben und die Produkte zeichnen sich durch maximale Einfachheit aus“, fährt Gipe fort.
Trotz dieser Erfolge war das Leben nicht immer leicht für die Bergeys. Vater und Sohn wissen, was es heißt, Geschäft und Familie miteinander in Einklang bringen zu müssen. Außerdem sehnte sich Karl Bergey während all der Jahre im Windenergiegeschäft stets nach seiner ersten großen Liebe, der Luftfahrt. Schließlich gründete er Bergey Aerospace und startete eine Laufbahn als Professor für Luftfahrttechnik an der Universität von Oklahoma.
„Er wurde von seinen Studenten wirklich immer geliebt“, konstatiert Mike Bergey. „Er setzte sich unermüdlich für sie ein, und sie verehrten ihn dafür.“
Gefragt nach seinen größten Leistungen antwortet Karl Bergey ohne Zögern: „Ich habe vier großartige Kinder, und ich habe ein Flugzeug, die Piper Cherokee, konstruiert, das viel Anerkennung bekommen hat. Zwischendurch habe ich es noch geschafft, mich mit ein paar anderen Herzensangelegenheiten zu befassen.“
Um fit zu bleiben, kümmert sich Bergey um die Bewirtschaftung seiner 16 Hektar großen Farm und überwacht die Entwicklung des HARP-Flugzeugs. Er ist weiterhin Vorstandsvorsitzender der Bergey Windpower. Seine Söhne Mike und Dan setzen als President und Vice-President alles daran, sich gegen die vielen „Profitmacher und Krämer“ abzugrenzen und das Unternehmen an der Spitze zu halten. Die Bergeys schauen mit Zuversicht in eine Zukunft, in der die Märkte wachsen werden. Auch wollen sie in Kürze eine neue kostensparende Konstruktion vorstellen.
„Es war nicht immer leicht“, kommentiert Mike. „Ohne ihn hätten wir es nie geschafft.“