Ingenieurswissen

Hybridlager – der Industriestandard der Zukunft

Hybridlager bieten Lösungen für bestehende und neue technische Herausforderungen. Die Kombination von Stahlringen und keramischen Wälzkörpern reduziert Gewicht und Reibung und verhindert Elektroerosion bei gleichzeitiger Steigerung der Zuverlässigkeit und Verbesserung der Drehzahleignung.

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Die Welt durchläuft derzeit eine Phase des schnellen Wandels. Globale Megatrends verändern die Art und Weise, wie wir reisen, Geschäfte machen und wie wir leben. Die Urbanisierung führt dazu, dass immer mehr Menschen in die Städte ziehen, die Digitalisierung und Automatisierung beschleunigen unser privates und berufliches Leben, und die Gesellschaft muss sich verschiedenen ökologischen Herausforderungen stellen. Gleichzeitig erleben wir eine rasante Entwicklung im Bereich der Elektrifizierung, insbesondere bei Elektrofahrzeugen, und stellen eine anhaltende Tendenz zur Globalisierung fest.

Diese großen globalen Trends treiben wiederum den Wandel auf dem Gebiet der Wälzlager voran. Viele neue Technologien sind auf spezielle Lagereigenschaften angewiesen, wie z. B. auf eine Eignung für drehzahlvariable Antriebe, einen niedrigeren Wartungsbedarf, eine höhere Leistungsdichte und eine geringere Reibung.

Hybridlager bieten vielversprechende Lösungen für alle bestehenden und künftigen technischen Herausforderungen. Aufgrund der Kombination von Außen- und Innenringen aus Wälzlagerstahl mit Keramikkugeln oder -rollen besitzen Hybridlager ganz besondere Eigenschaften und eignen sich für eine Vielzahl moderner Anwendungen. Hybridlager von SKF haben Wälzkörper aus Siliziumnitrid und sind als Kugellager, Zylinderrollenlager und in kundenspezifischen Ausführungen erhältlich.
Bild 2: Hybridlager bestehen aus Stahlringen und Keramikwälzkörpern.

Die Verwendung von keramischen Werkstoffen in Wälzlagern ist nichts Neues. Die globale Luft- und Raumfahrtindustrie war ab den 1960er- bis in die 1980er-Jahre Vorreiter beim Einsatz dieser Werkstoffe, die sich durch ihr geringes Gewicht und ihre Hitzebeständigkeit auszeichnen. Siliziumnitrid wurde allerdings erst in den 1980ern kommerziell genutzt. Seit den 1990er-Jahren werden moderne Hybridlager in zahlreichen Anwendungen eingesetzt, wie z. B. Werkzeugmaschinen, Windkraftanlagen, Fahrmotoren für Schienen- und Elektrofahrzeuge, Maschinen für die Luft- und Raumfahrt sowie Strömungsmaschinen wie Kompressoren, Pumpen und Vakuumpumpen.

Die in SKF Hybridlagern verwendeten Siliziumnitrid-Wälzkörper weisen Eigenschaften auf, die sich deutlich von Standardwälzkörpern aus Stahl unterscheiden. Siliziumnitrid zeichnet sich durch eine viel höhere Druckfestigkeit als Wälzlagerstahl aus, und sein Elastizitätsmodul ist um etwa ein Drittel höher, was zur Reduzierung der Reibung im Wälzkontakt beiträgt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Siliziumnitrid eine mehr als doppelt so hohe Härte als Wälzlagerstahl aufweist, was es zum idealen Werkstoff für anspruchsvolle Betriebs- und Schmierbedingungen macht. Im Gegensatz zu Wälzlagerstahl ist Siliziumnitrid elektrisch isolierend, wobei seine Dichte erheblich geringer ist. Und schließlich ist sein Wärmeausdehnungskoeffizient weitaus niedriger, was eine genaue Spieleinstellung ermöglicht, aber unter bestimmten Betriebsbedingungen, u. a. Anwendungen bei sehr niedrigen Temperaturen, berücksichtigt werden muss.

Bei der Verwendung in Wälzlagern verbessert Siliziumnitrid die Lagerleistung, beispielsweise durch eine hervorragende elektrische Isolierung und Gewichtsreduzierung sowie durch hervorragende tribologische Eigenschaften und eine hohe Verschleißfestigkeit. Zudem ist die Drehzahleignung deutlich höher.

Wie lösen diese Eigenschaften nun spezifische Anwendungsprobleme? Und warum werden Hybridlager in den nächsten Jahren in vielen Industriezweigen wohl der Standard sein?

Vermeidung von Elektroerosion in Antrieben mit variabler Drehzahl

Eine Schlüsselanwendung, bei der Hybridlager ihre Vorteile in vollem Umfang nutzen können, sind drehzahlvariable Antriebe, die für eine optimierte Steuerung von rotierenden Maschinen, wie z. B. Pumpen oder Fahrmotoren, eingesetzt werden. Diese pulsweitenmodulierten Antriebe verursachen schädliche hochfrequente Lagerströme. Wenn Strom durch ein Lager fließt, können sowohl die Ringe und Wälzkörper als auch der Schmierstoff Schaden nehmen. Ein höherer Schwingungspegel ist die wohl geringste Schadensfolge, denn Elektroerosion kann sogar die Lebensdauer von Lagern und Schmierstoffen erheblich verkürzen.

Durch den Einsatz von Hybridlagern in solchen Fällen stellt sich dieses Problem nicht. Siliziumnitrid ist ein Isolator und verhindert den Stromdurchgang zwischen den Lagerringen, auch bei sehr hochfrequenten Strömen. So lassen sich spätere Lagerausfälle vollständig ausschließen.

Längere Wartungsintervalle aufgrund längerer Fettgebrauchsdauer

Ein zweiter wichtiger Vorteil von Hybridlagern sind längere Wartungsintervalle und eine längere Lagergebrauchsdauer. Die Verwendung von Keramikwälzkörpern in solchen Lagern erhöht die Lebensdauer des Schmierstoffs erheblich, so dass das jeweilige Lager länger in Betrieb bleiben kann, bevor eine Wartung erforderlich wird. Bei Keramikwälzkörpern wird der Wälzkontakt besser mit Schmierstoff versorgt. Und da die Reibung somit geringer ist und keine Elektroerosion mit nachfolgendem thermischem Abbau stattfindet, bleibt die Schmierfähigkeit länger erhalten.

Bei SKF Tests hat sich gezeigt, dass die Lebensdauer des Schmierstoffs in einem Hybrid-Rillenkugellager mindestens doppelt und bis zu fast siebenmal so lang war als bei einem vergleichbaren Stahllager. Bei ähnlichen Tests mit Zylinderrollenlagern hielt der Schmierstoff im Hybridlager mindestens doppelt und bis zu viermal so lang.

Erhöhte Leistungsdichte aufgrund höherer Betriebsdrehzahlen

Der dritte Vorteil von Hybridlagern besteht darin, dass sie höhere Betriebsdrehzahlen zulassen und damit eine höhere Leistungsdichte ermöglichen. Die Hersteller von Elektromotoren tendieren generell dazu, die Leistungsdichte zu erhöhen, vor allem bei Fahrzeugen wie Zügen sowie Fahrzeugen für die Straße und das Gelände. Vereinfacht ausgedrückt, ist die Leistung abhängig von Drehmoment und Drehzahl. Wenn die Drehzahl, mit der sich ein Lager dreht, erhöht werden kann, dann nimmt auch die Motorleistung zu.

Warum soll die Leistungsdichte erhöht werden?

• Mehr Leistung bei einem gleich großen Elektromotor

• Genauso viel Leistung bei einem kleineren Elektromotor

P = M • n

• Höchstdrehzahl (auch) durch Lager begrenzt

Da Hybridlager eine geringere Masse als Stahllager haben, sind sie für bis zu 25 Prozent höhere Drehzahlen geeignet. Darüber hinaus reduzieren Hybridlager die Reibung, was wiederum zu niedrigeren Betriebstemperaturen und einer längeren Gebrauchsdauer bei hohen Drehzahlen führt. Außerdem sorgt die höhere Lagersteifigkeit für eine gesteigerte Maschinengenauigkeit und ein geringeres Risiko von rotordynamischen Problemen.

Reduzierung der Reibung

Ein letzter wichtiger Vorteil von Hybridlagern ist die geringere Reibung. Die Reduzierung der Reibung in einem Lager kann zur Senkung des Energieverbrauchs beitragen, was für die heutige Industrie ein wichtiger Aspekt ist. Die keramischen Wälzkörper von Hybridlagern haben einen direkten Einfluss auf die Reibung, die infolge von Roll- und Gleitmomenten entsteht. Bei Hybridlagern sind die durch das Rollmoment verursachten Energieverluste aufgrund der kleineren Kontaktellipse, die sich aus einem höheren Elastizitätsmodul ergibt, geringer. Zudem verringert sich das Gleitreibmoment aufgrund der besseren Oberflächenbeschaffenheit der Keramikwälzkörper.

Bild 3: Reduzierung der Gleit- und Rollreibung bei Hybridlagern
Bei SKF Tests wurde festgestellt, dass bei Hybridlagern das Reibmoment bei hohen Drehzahlen im Vergleich zu Stahllagern um 5 Prozent bis 8 Prozent niedriger ist. Mittlerweile haben Tests gezeigt, dass Hybridlager auch sehr gut mit einer reduzierten Schmierstoffmenge und -viskosität zurechtkommen, was ebenfalls zur Reduzierung der Reibung beitragen kann. Durch die Feinabstimmung dieser Schmierparameter und eine Optimierung der Anwendung kann eine Reduzierung der Reibung um bis zu 50 Prozent erzielt werden, ohne zwar ohne Beeinträchtigung der Lagergebrauchsdauer.

Hybridlager – vom Problemlöser zum Wegbereiter

Die industrielle Fertigung und der Automobilbau sind dabei, ihr jeweiliges Output zu optimieren, um sich den globalen Herausforderungen der Nachhaltigkeit zu stellen und mit den gesellschaftlichen und technologischen Trends Schritt zu halten. Hybridlager mit Keramikwälzkörpern und Stahlringen können zur Lösung vieler Konstruktions- und Wartungsprobleme beitragen, mit dem Ergebnis einer gesteigerten Zuverlässigkeit. So lösen Hybridlager nicht nur Probleme, sondern sorgen auch für einen wirtschaftlicheren Betrieb und eine höhere Leistung. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Hybridlager in den nächsten Jahren für viele Anwendungen und Branchen zur Standardlösung werden.

Neue Käfigtechnik ermöglicht noch höhere Drehzahlen

Höhere Drehzahlen sind ein großer Vorteil von Hybridlagern gegenüber Stahllagern. Falls die Drehzahlen allerdings noch weiter erhöht werden sollen, kann modernste Käfigtechnik eingesetzt werden. SKF hat eine innovative Käfigausführung für Hybridlager auf den Markt gebracht, die aus Polyetheretherketon (PEEK), einem leichten Polymerwerkstoff, besteht. Die neue zweiteilige Käfigausführung ist für den Betrieb mit hohen Drehzahlen geeignet und verringert gleichzeitig die Wärmeentwicklung und den Abbau des Schmierstoffs bei hohen Drehzahlen. So lassen sich die Drehzahlen um 60 Prozent gegenüber Messingkäfigen und um 100 Prozent gegenüber herkömmlichen Polymerkäfigen steigern.
Bild 4: Die neue Käfigausführung von SKF für Hybrid-Rillenkugellager zeichnet sich durch innovative Konstruktionsmerkmale und einen hochleistungsfähigen Polymerwerkstoff aus.

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