In der Wolke
Die Online-Datenspeicherung in der „Wolke“ hat viele Branchen radikal verändert. Nach einem eher zögerlichen Start analysieren globale Fertigungsunternehmen nun die Vor- und Nachteile des Cloud-Computing.
Fakten
SKF in der Cloud
SKF nutzt die Möglichkeiten der Cloud. Seit 2012 sind die Fernüberwachungszentren (Remote Diagnostic Centres ) des Unternehmens weltweit in einem einzigen cloudbasierten System miteinander verbunden, in dem globale IT-Lösungen zusammengeführt und sämtliche Anwendungsdaten zugänglich gemacht werden.
Wie Erwin Weis, Global Manager SKF Asset Diagnostic Services, erklärt, lassen sich mit der Cloud-Lösung Millionen von Maschinen überwachen. „Wir haben bereits eine Million Maschinen in der Cloud“, sagt er. „Durch dieses akkumulierte Wissen können wir unseren Kunden einen besseren Service bieten. Außerdem verschafft unsere cloudbasierte Software mit den dort bereitgestellten Diensten unseren Kunden rund um die Uhr Zugang zu einem leicht verständlichen Diagnose-Dashboard und Berichtssystem.“
Die Dienstleistungen von SKF Asset Diagnostic Services sind vor allem für Anwendungen in der Windenergie-, Schifffahrts-, Bergbau-, Papier- und Metallindustrie geeignet, aber auch für alle anderen Sektoren, die mit Zustandsüberwachung arbeiten.
Links
Gartner
SAP
Imperia & Monferrina
Trunki
SKF Asset Diagnostic Services
Die „Wolke“ (oder englisch „Cloud“) gilt weltweit als segensreiche Erfindung – ob bei Smartphone-Anwendern, die dort Fotos und andere Dokumente speichern, oder multinationalen Konzernen, die sie für Geschäftsabschlüsse im Wert von mehreren Milliarden Dollar nutzen. Die Online-Datenspeicherung in der Cloud hat in den letzten zehn Jahren unsere Lebens- und Arbeitsweise stark verändert. Nach Zahlen der Forschungsgruppe Gartner soll das Marktvolumen für Cloud-Dienste 2013 auf 131 Milliarden US-Dollar (96 Milliarden Euro) ansteigen. 2012 lag es bei 111 Milliarden US-Dollar (82 Milliarden Euro).
Globale Fertigungsunternehmen waren bisher jedoch zurückhaltend bei der Nutzung von Cloud-Lösungen.
Sven Denecken, Vice President Strategy Cloud Solutions beim deutschen Software-Giganten SAP, beschreibt den globalen Fertigungssektor als „Nachzügler“, wenn es um die Anwendung von Cloud-Diensten geht. Die Cloud wird auch hier zunehmend verwendet, aber oft nur in Einzelbereichen wie im Personalwesen, in der Interaktion mit Kunden und im Einkauf.
Weniger populär dagegen ist die Nutzung von Cloud-Lösungen in klassischen produktionsunterstützenden Systemen, weil sie oft kundenspezifische Anforderungen nicht zulassen. „Fertigungsprozesse sind häufig exakt auf bestimmte Kundenbedürfnisse zugeschnitten“, erklärt Denecken.
Wenn Fertigungsunternehmen jedoch den Schritt wagen und die Möglichkeiten der Cloud auf breiterer Ebene ausschöpfen, können sich daraus beträchtliche Vorteile ergeben. Der größte ist vielleicht die rasche Softwareverteilung, zum Beispiel, wenn neue Werke im Ausland errichtet oder zwei bisher separate Produktionsstätten zusammengelegt werden sollen.
Das erfuhr der italienische Nudelmaschinen- und Küchengerätehersteller Imperia. Nach der Fusion mit dem Konkurrenten Monferrina 2010 musste innerhalb von drei Monaten eine gemeinsame Infrastruktur- und ERP-Software (ERP = Enterprise Resource Planning) eingeführt werden. Das neue Unternehmen – Imperia & Monferrina – entschied sich für eBusiness Suite 11 von Oracle als Anwendungssoftware für die Ressourcenplanung und beschloss dann, es in EC2, einem Cloud-Dienst von Amazon Web Service, zu implementieren.
Durch diese Art der Cloud-Nutzung konnte man die Frist einhalten, den Investitionsaufwand um die Hälfte reduzieren und die Betriebsausgaben um 15 Prozent senken, erklärt der Geschäftsführer Enrico Ancona.
Ein anderes Unternehmen, das Cloud-Lösungen in einer Vielzahl von Bereichen einsetzt, ist der britische Kinderkoffer-Hersteller Trunki, der als Großhändler, Zwischenhändler und webbasierter Einzelhändler tätig ist. Trunki besitzt außerdem eine Fabrik in Großbritannien und kooperiert mit weiteren Produktionsstätten in China.
Das 2006 gegründete Unternehmen ist rasch gewachsen und rechnet für 2013 mit Einnahmen in Höhe von zehn Millionen britischen Pfund (11,6 Millionen Euro). Als 2011 das ERP-System von Trunki den Anforderungen nicht mehr genügte, beschloss man im Januar 2012, auf eine cloudbasierte Lösung von NetSuite für den Ein- und Verkauf umzusteigen.
„Heute haben wir alles in NetSuite – unser Lager- und Bestandsmanagement, unsere Kundenpflege, unsere Bedarfsplanung und unsere Prognosesysteme“, sagt der Betriebsleiter, Philip Bagnall.
Was Fertigungsunternehmen bei der Nutzung von Cloud-Diensten beunruhigt, ist die Frage der Zuverlässigkeit. Sind extern gespeicherte Ressourcen ebenso zugänglich wie im Unternehmen gespeicherte?
Bagnall sorgt sich eher um den Internet-Zugang seines Unternehmens als um die Verfügbarkeit der Cloud. „Wobei ich unsere eigene IT-Infrastruktur inzwischen fast außer Acht lassen kann“, erklärt er. „Denn im schlimmsten Fall könnten die Mitarbeiter dank der Cloud auch von zuhause aus arbeiten.“
Die wichtigste Frage im Hinblick auf Cloud Computing ist für Unternehmen jedoch die Sicherheit und Verfügbarkeit von Daten, die bei einem externen Provider gespeichert sind.
Für Imperia & Monferrina ist das kein Thema. Laut Ancona liegt die Verfügbarkeit bei 99,95 Prozent. Die Erfolgsbilanz vieler Provider hat die Sorge um die Datensicherheit verringert, weiß Denecken von SAP. Cloud-Lösungen setzen sich immer mehr durch. „Im vergangenen Jahr haben wir enorme Zuwachsraten verzeichnet, sogar in Regionen wie China und Zentraleuropa“, sagt er.
Und wie sieht die Zukunft aus? Ein entscheidender Faktor für die stärkere Nutzung von Cloud-Lösungen in Fertigungsunternehmen ist ihre Fähigkeit, Lieferketten zu rationalisieren.
Bagnall hält die Cloud bei Trunki für das geeignete Instrument, um die langfristigen Pläne des Unternehmens zur Straffung der Lieferketten und engeren Interaktion mit Kunden etwa in Form einer Verknüpfung mit deren elektronischen Datenaustauschsystemen umzusetzen.
Laut Denecken gilt inzwischen die Logistik als Wachstumsmotor für Cloud Computing im Fertigungssektor, da Cloud-Systeme Logistikprobleme auf kooperative Weise durch den Austausch von Informationen lösen können.
„Eine Cloud-Lösung hat den Effekt eines Netzwerks, da verschiedene Handels- und Logistikpartner zusammengeführt werden“, erklärt Denecken, „und je mehr Partner auf die Cloud umsteigen, desto größer die Vorteile.“