Zurück zur Erde
Der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre ist eine gefährliche Phase des Raumflugs. Das IXV-Raumfahrzeug der Europäischen Weltraumorganisation testet zurzeit neue technische Lösungen zur Verringerung des Risikos.
Fakten
Weltraumtaugliche Komponenten
SKF beliefert SABCA mit Rollengewindetrieben und Speziallagern für das neue Intermediate eXperimental Vehicle (IXV). Das belgische Luft- und Raumfahrtunternehmen ist als Subunternehmer an dem Projekt der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) beteiligt. Werkstoffwahl und sorgfältige Bearbeitungsprozesse sind hier besonders wichtig, weil die Produkte in der Startphase der Raumkapsel hohen mechanischen Belastungen, plötzlichen Temperaturschwankungen und sehr starken Vibrationen ausgesetzt sind. SKF und SABCA unterzogen die Rollengewindetriebe vor Beginn der Fertigung extrem harten und intensiven Tests.
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Ansprechpartner Verkauf
Bernard Brootcorne, Bernard.Brootcorne@skf.com
Eine kritische Phase des Raumflugs ist der Wiedereintritt des Raumfahrzeugs in die Erdatmosphäre. Das Abbremsen der Kapsel von rund 27.000 Kilometern pro Stunde auf eine kontrollierte Landungsgeschwindigkeit erfordert ein Höchstmaß an technischem Know how und ist deshalb auch das zentrale Thema des neuen IXV-Projekts der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), dessen Start für Juli 2014 geplant ist.
Architekt hinter dem Intermediate eXperimental Vehicle (IXV) ist Thales Alenia Space – Italy (TAS-I). Für das Projekt hat TAS-I seinerseits rund 20 Subunternehmen unter Vertrag genommen, darunter SABCA, Société Anonyme Belge de Constructions Aéronautiques. Das belgische Luft- und Raumfahrtunternehmen, eine Tochter der Dassault Group, fertigt in seiner Fabrik in Haren unweit von Brüssel die Steuerungssysteme für die Klappen am Heck des IXV, mit denen die Drohne gelenkt wird.
„In Europa müssen wir technisches Know how für Wiedereintrittssysteme kaufen. Darum sind Projekte wie das IXV wichtig, um unsere autonome Stellung und Unabhängigkeit im Raumfahrtsektor für die Zukunft zu sichern“, erklärt Projektleiter Didier Verhoeven von SABCA. „Die für die Wiedereintrittsphase geplanten Versuche und die aus den Flügen gewonnenen Erkenntnisse werden uns dabei helfen, unsere Position als bedeutender Player in diesem strategischen Bereich zu stärken.“
Das IXV mit 4,4 x 2 x 1,5 Metern hat etwa die Größe eines Autos, wiegt rund zwei Tonnen und soll mit Hilfe einer Vega-Rakete, ESAs Kleinträger, in die Umlaufbahn gebracht werden. IXV wird einen ballistischen Flug mit einer parabolischen Flugbahn bis in eine Höhe von 415 Kilometern durchführen. Die kritische Phase der Rückkehr beginnt, wenn eine Höhe von 120 Kilometern erreicht ist. Der Wiedereintritt soll bis in 30 Kilometer Höhe gesteuert werden. Danach öffnen sich Fallschirme, die für eine sanfte Landung des IXV im Pazifik sorgen werden. Der Flug wird insgesamt 100 Minuten dauern.
Die beiden Klappen zur Steuerung des IXV während des Wiedereintritts werden jeweils über einen elektromechanischen Aktuator angetrieben, der für eine Kraft von 35 Kilonewton ausgelegt ist. In der Wiedereintrittsphase sorgen die Klappen für den richtigen Neigungs- und Rollwinkel des IXV durch symmetrische beziehungsweise asymmetrische Ablenkung.
„Die von uns gelieferten Aktuatoren waren ursprünglich eine Sonderkonstruktion, die wir für das IXV modifiziert haben“, sagt Verhoeven. „Angesichts des begrenzten Etats mussten wir möglichst viele vorhandene Komponenten wieder verwenden. Deshalb passten wir die Schubvektorsteuerung, die wir für den Antrieb der ZEFIRO-Düsen der Vega-Trägerrakete entwickelt hatten, an die Erfordernisse des IXV an. Damals, als wir an der Ariane-5-Trägerrakete arbeiteten, benutzten wir hydraulische Stellantriebe. Nun aber sind wir dem allgemeinen Trend in der Luft- und Raumfahrtindustrie gefolgt und haben elektromechanische Aktuatoren für die VEGA und das IXV gewählt.”
Eine der Hauptschwierigkeiten ist die Gewährleistung der Zuverlässigkeit des statischen Bremssystems. Es hat dafür zu sorgen, dass sich die Klappen bis zum Wiedereintritt nicht bewegen. Die Halterungsfedern müssen so beschaffen sein, dass sie den enormen Vibrationen standhalten, die beim Start entstehen. Zum Lösen der Bremse drückt ein 28-Volt-Elektromagnet die Federn zusammen und setzt den Motor in Gang. „Unsere Sorge ist, dass es zu einer Kaltverformung kommt, verursacht durch die Vibrationen im Vakuum, die das Lösen der Bremse verhindern könnte“, stellt Verhoeven fest. „Aber wir haben die Bremse mit einem speziellen vakuumkompatiblen Braycote-Schmierfett geschmiert und sie dann in über 1.000 Testzyklen unter Vakuumbedingungen geprüft. Es gab keinen einzigen Fall von Kaltverformung. Weitere Tests sind geplant.“
SABCA soll spätestens im März 2013 einen Prototyp bereitstellen. Die Qualifikationstests in Italien laufen schon seit Oktober 2012, und im Februar 2014 soll das IXV zum Weltraumbahnhof nach Kourou in Französisch Guyana gebracht werden. „Wir sind nur eines von circa 20 Subunternehmen der TAS-I. Wenn irgendeiner von uns den Liefertermin nicht einhält, gerät das gesamte Projekt ins Stocken“, stellt Verhoeven fest. „Wir sind stolz, an dem IXV-Projekt beteiligt zu sein. Es ist der erste Schritt eines sehr langen Weges, bis das langfristige Ziel einer europäischen bemannten Weltraummission und deren sicheren Rückkehr zur Erde erreicht ist.“